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Über Mittelwerte analytischer Funktionen. (German) JFM 53.0307.02

Es wird eine einfache geometrische Methode angegeben, die es gestattet, eine ganze Reihe wichtiger Sätze über Betragmittelwerte analytischer Funktionen aus einer fast evidenten geometrischen Tatsache zu gewinnen; diese bildet den Kernpunkt aller Beweise, die bis heute von ganz verschiedenen Seiten angegriffen wurden. Jetzt ist es möglich, sie aus einer Quelle zu schöpfen.
\(C\) sei eine stückweise analytische Jordankurve und begrenze ein endliches Gebiet \(D\). \(R\), \(\varPhi\) seien Polarkoordinaten mit dem Ursprung 0, \(g(R)\) eine nicht-negative, monotone Funktion von \(R\). Dann wird das Integral \(\int\limits_C g(R) \,d\varPhi = J\) betrachtet, und es werden die Sätze ausgesprochen:
1] Liegt 0 in \(D\), so ist stets \(J \geqq 0\).
2] Liegt 0 außerhalb \(D\), so ist \(J \geqq 0\), wenn \(g(R)\) mit \(R\) wächst, \(J \leqq 0\), wenn \(g(R)\) fällt. Durch passende Zerschneidung von \(D\) kann man [1] ausdehnen (wobei die erste Hälfte von [2] benutzt wird):
3] auf nicht-schlichte \(D\), wenn \(g(R)\) wächst. Fallendes \(g(R)\) erlaubt das nicht und bietet daher eine Handhabe, die Schlichtheit einer Abbildung auszunutzen.
4] auf mehrfach zusammenhängende Gebiete. Dies führt zu Aussagen über Monotonie des \(J\) mit variablem \(D\): Wenn \(D_2 \geqq D_1\), so ist \(J(D_2)\) nicht kleiner (nicht größer) als \(J(D_1)\), wenn \(g(R)\) wächst (fällt).
In den funktionentheoretischen Anwendungen ist R natürlich der Betrag einer analytischen Funktion \(f(re^{i\varphi})\) und \(C\) die Bildkurve eines passenden Kreises \(|x|=r\). Obige Sätze werden dann zu Aussagen über Betragmittelwerte, indem sie mittels der Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen in Polarkoordinaten in \(r\), \(\varphi\) hinübergeschrieben werden. Es ergibt sich dabei von selber, daß \(g(R) = R \cdot G'(R)\) gesetzt wird; in den Sätzen erscheint dann \(G(R)\), und die Substitution macht jede Aussage wie “\(g(R)\) ist nicht-negativ und monoton wachsend” zu einer entsprechenden “\(G(R)\) ist wachsend und konvex in \(\log r\)”.
Es bilde nun \(f(x)= x + a_2x^2 + \cdots \) den Einheitskreis schlicht ab; dann führt die Methode zur Betrachtung des Integrals \(\dfrac{\partial}{\partial r}\int\limits_0^{2\pi} R^{-\alpha}\,d\varphi\). Dies liefert sofort einen Koeffizientensatz, der den Bieberbachschen Flächensatz für \(\alpha = 2\) als Spezialfall enthält. Er hat aber einen wesentlichen Vorteil: für allgemeines \(\alpha\) enthält er nämlich noch das Glied mit \(a_2\) allein und gestattet so, indem man nur dieses beibehält, unmittelbar den Schluß \(|a_2|\leqq 2\); dies ist beim Bieberbachschen Satze erst durch den sog. Faberschen Kunstgriff zu erschließen. Auf \(|a_2| \leqq 2\) beruht nun der Beweis für die genaue Form des Koebeschen Verzerrungssatzes, für den sich also durch Kombination der Methode Prawitz mit der von \(R\). Nevanlinna (sie ist z. B. benutzt in Hurwitz-Courant, 2. Aufl. 1925) ein schöner Beweis ergibt.
Die in [4] erwähnte Integralmonotonie erlaubt zusammen mit dem Verzerrungssatz und der Integralformel für die Koeffizienten einer Potenzreihe einen einfachen Beweis des Littlewoodschen Satzes für \(f(x)=x+ a_2x^2 + \cdots\), die den EK. schlicht abbilden: \(|a_n| < e\cdot n\).
Weiter liefert die Methode u. a. bekannte Sätze von Hardy und R. Nevanlinna, welche besagen, daß \[ \int_0^{2\pi}|f(re^{i \varphi})|^{-\alpha}\,d\varphi \;\;\text{und} \;\;\int_0^{2\pi}\buildrel{+}\over{\log} |f(re^{i \varphi})|\,d\varphi \] für \(r< r_0\) in \(\log r\) konvex wachsen, wenn \(f(x)\) daselbst regulär analytisch ist. Dies spielt bekanntlich in der Theorie der ganzen und meromorphen Funktionen eine nicht geringe Rolle.
Endlich sei noch auf den einfachen und eleganten Weg hingewiesen, auf dem die Jensensche Formel aus dem Argumentprinzip gewonnen wird, einfach durch die in der Arbeit öfter benutzte Koordinatentransformation von \(R\), \(\varPhi\) nach \(r\), \(\varphi\).