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Über die Topologie der Gruppen-Mannigfaltigkeiten und ihre Verallgemeinerungen. (German) JFM 67.0747.01

Unter einer \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeit wird eine geschlossene, orientierbare Mannigfaltigkeit \(\varGamma \) verstanden, für deren Punktepaare \(p\), \(q\) eine Multiplikation mit folgenden Eigenschaften erklärt ist: (1) Das Produkt \(p\cdot q\) ist ein Punkt von \(\varGamma \) und hängt stetig von dem Punktepaar \(p\), \(q\) ab. (2) Bei festem \(p\) hat die Abbildung \(l_p(q) = p\cdot q\) von \(\varGamma \) in sich einen von null verschiedenen Abbildungsgrad \(c_l\). (Aus Stetigskeitsgründen hängt \(c_l\) nicht von \(p\) ab.) (3) Bei festem \(q\) hat die Abbildung \(r_q(p) = p\cdot q\) von \(\varGamma \) in sich einen von null verschiedenen Abbildungsgrad \(c_r\).
Gegenstand der Arbeit sind die Homologieeigenschaften der \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeiten. Als Koeffizientenbereich dient dabei der Körper der rationalen Zahlen (wesentlich ist: ein Körper mit der Charakteristik 0). Die Struktur des Homologieringes der \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeiten wird beschrieben durch den
Satz I: Der Homologiering \(\mathfrak R(\varGamma )\) einer \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeit \(\varGamma \) ist dimensionstreu isomorph dem Homologiering \(\mathfrak R(\varPi )\) eines topologischen Produkts \[ \varPi = S_{m_1} \times S_{m_2} \times \cdots \times S_{m_l},\;\;\;\;l\geqq 1, \] in dem \(S_m\) eine \(m\)-dimensionale Sphäre bezeichnet und alle Dimensionszahlen \(m_\lambda\) ungerade sind.
Daß sich diese Aussage nicht verschärfen läßt, zeigt der
Satz II: Jedes Produkt \(\varPi \) von Sphären ungerader Dimension ist \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeit.
Eine weitere Aussage über die topologische Struktur der \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeiten liefert
Satz III: In einer \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeit ist das stetige Bild einer Sphäre gerader Dimension immer homolog 0.
In einem Sphärenprodukt \(\varPi \) bilden der Grundzyklus von \(\varPi \), für den 1 geschrieben wird, die Zyklen \(Z_\lambda = S_{m_1} \times \cdots \times S_{m_{\lambda -1}} \times p\times S_{m_{\lambda +1}}\times \cdots\times S_{m_l}\) (\(p\) ein einfacher Punkt, \(S_m\) steht zugleich für den Grundzyklus der \(S_m\)) sowie die durch Schnittbildung von \(2, 3, \ldots,l\) Elementen \(Z_\lambda \) gebildeten Elemente eine volle additive Basis von \(\mathfrak R(\varPi )\). Man kann daher Satz I ausführlicher so aussprechen: In \(\mathfrak R(\varGamma )\) kann man Elemente \(z_1,z_2,\ldots,z_l\) so auswählen, daß die \(2^l\) Elemente \(1, z_\lambda, z_{\lambda _1},z_{\lambda _2}\) (\(\lambda _1 <\lambda _2\)), \(z_{\lambda _1},z_{\lambda _2},z_{\lambda _3}\) (\(\lambda _1 <\lambda _2<\lambda _3\)), \(\ldots,z_1,z_2,\ldots,z_l\) eine volle additive Basis von \(\mathfrak R(\varGamma )\) bilden. Die Multiplikation in \(\mathfrak R(\varGamma )\) ist durch das distributive Gesetz, das assoziative Gesetz und die antikommutative Regel \(z_iz_j=-z_jz_i\), \(z_iz_i=0\) bestimmt. \(\mathfrak R(\varGamma )\) ist also der Ring der inhomogenen Multilinearformen in den antikommutativen Größen \(z_1,z_2,\ldots,z_l\) mit rationalen Koeffizienten. Die \(z_\lambda \) sind homogendimensional, ihre dualen Dimensionen \(\delta (z_\lambda ) = n - d(z_\lambda ) = m_\lambda \) (\(d\) bezeichnet die Dimension; \(n = d(\varGamma )\)) sind ungerade, und die Dimension von \(\varGamma \) ist \(n = m_1 + m_2 + \cdots +m_l\).
Unter dem Poincaréschen Polynom \(P_k(t)\) eines Komplexes versteht man \(\sum p_rt^r\), \(p_r\) die \(r\)-te Bettische Zahl. Für die \(S_m\) ist \(P_{s_m}(t) = 1 + t^m\). Nach Satz I ist \[ P_\varGamma (t)=(1+t^{m_1})\,(1+t^{m_2})\cdots (1+t^{m_l}). \] Daraus folgt: Die Eulersche Charakteristik von \(\varGamma \) ist 0 ( \(= P_\varGamma (- 1))\). Die Summe der Bettischen Zahlen ist \(2^k\) (\(= P_\varGamma (1))\). Vergleich von \(P_\varGamma (t)\) mit \((1+t)^n\) liefert: \(p_r\leqq \binom n r\). Schreibt man \(P_\varGamma (t)\) in der Form \((1+t)^{l_1}\,(1+t^3)^{l_3}\,(1+t^5)^{l_5}\cdots \), wobei \(l_1=p_1\), so ergeben sich weitere Relationen: \(p_r\ge \binom {p_1} r\) für alle \(r\), und \(p_2= \binom {p_1} 2\); also \(p_2 = 0\), wenn \(p_1 = 0\) oder 1. Es ist entweder \(p_1 = n\) oder \(p_1 = n - 3\) oder \(p_1\le n-5\). Aus \(p_1= 0\) folgt \(p_4 = 0\). Wenn \(p_1= 0\), so ist \(3p_3 + 5p_5 + 7p_7 \le n\) und \(p_{ir}\ge \binom {p_i} r\) für \(i = 3, 5, 7\) und alle \(r\).
Für Gruppenmannigfaltigkeiten ist die Mehrzahl der oben angeführten Relationen bekannt. Für die einfachen, geschlossenen Lieschen Gruppen der vier großen Klassen der Cartan-Killingschen Aufzählung haben Pontrjagin, R. Brauer und Ehresmann die Bettischen Zahlen bestimmt: [L. S. Pontrjagin, C. R. Acad. Sci. URSS 1, 433–437 (1935; JFM 61.1217.01); C. R. Acad. Sci., Paris 200, 1277–1280 (1936; JFM 61.0475.03); R. Brauer, C. R. Acad. Sci. Paris 201, 419–421 (1936; JFM 61.0476.01); C. Ehresmann, C. R. Acad. Sci., Paris, 208, 321–323 (1939; JFM 65.0872.05); ibid. 208, 1263–1266 (1939; JFM 65.0873.01)].
Ihre Methoden liefern für diese Klassen von Gruppen auch den Satz I. Die Beweismethode des Verf. liefert diesen Satz für alle geschlossenen Lieschen Gruppen -denn die Gruppenmannigfaltigkeiten sind \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeiten, da ja für das Einselement \(e\) \(l_e (q)\) und \(r_e (p)\) die identische Abbildung, \(c_l=c_r=1\) sind –, und zwar allein mit den Hilfsmitteln der Homologietheorie, und läßt damit die topologischen Voraussetzungen für die Gültigkeit des Satzes in Lieschen Gruppen erkennen. Übrigens wird der Satz I für Liesche Gruppen auch in der Sprache der invarianten Differentialformen ausgesprochen. Daß gewisse feinere Sätze über Liesche Gruppen, wie z. B. die Aussage, daß entweder alle \(m_\lambda \) gleich l sind oder wenigstens ein \(m_\lambda \) gleich 3 ist, auf diesem Wege nicht bewiesen werden können, zeigt Satz II. Satz III ist eine weitgehende Verallgemeinerung des Satzes, daß Sphären gerader Dimension nicht Gruppenmannigfaltigkeiten sein können.
Satz II läßt sich leicht direkt beweisen. Ordnet man auf der \(S_m\) dem Punktepaar \(p\), \(q\) als Produkt denjenigen Punkt zu, in den \(p\) durch Spiegelung an dem durch \(q\) gehenden Durchmesser übergeht, so ist \(c_l=2\), \(c_r= - 1\). Durch die Festsetzung \((p\times p')\cdot (q\times q')\cdot = p\cdot q\times p'\cdot q'\) wird diese Multiplikation auf topologische Produkte übertragen; dabei multiplizieren sich die \(c_l\) und \(c_r\), der beiden Faktoren.
Satz I wird zunächst umgeformt: Die homogendimensionalen Elemente \(z_1,z_2,\ldots,z_l\) mit \(d(z_\lambda ) < n\) bilden ein “Erzeugendensystem” von \(\mathfrak R(\varGamma )\), wenn die \(2^l\) Elemente \(1, z_\lambda, z_{\lambda _1},z_{\lambda _2}\) (\(\lambda _1 <\lambda _2\)), \(\ldots,z_1,z_2,\ldots,z_l\) eine volle additive Basis von \(\mathfrak R(\varGamma )\) sind. Ein Erzeugendensystem heißt irreduzibel, wenn keines seiner echten Teilsysteme Erzeugendensystem ist. Jedes irreduzible Erzeugendensystem besteht aus maximalen Elementen. Dabei heißt ein Element \(z\) maximal, wenn es homogendimensional mit \(d(z) <n\) ist und nicht in dem von den homogendimensionalen Elementen höherer Dimension erzeugten Teilring von \(\mathfrak R(\varGamma )\) liegt. Satz I folgt aus den beiden folgenden Sätzen: Ia: Ist \(z_1,z_2,\ldots,z_l\) ein irreduzibles Erzeugeadensystem von \(\mathfrak R(\varGamma )\), so ist \(z_1z_2\cdots z_l\neq 0\). Ib : Ist \(z\) maximales Element von \(\mathfrak R(\varGamma )\), so ist \(\delta (z)\) ungerade. Hilfsmittel zum Beweis der beiden Sätze ist der Umkehrhomomorphismus \(\varPhi \) (vgl. Verf., J. Reine Angew. Math. 163, 71–88 (1930; JFM 56.0501.03)] von \(\mathfrak R(\varGamma )\) in \(\mathfrak R(\varGamma \times \varGamma )\), der mit der Abbildung \(F (p \times q) = p\cdot q\) von \(\varGamma \times \varGamma '\) in \(\varGamma \) verknüpft ist. Für \(\varGamma \)-Mannigfaltigkeiten hat dieser Homomorphismus eine besondere Form; es ist \[ \varPhi (z)= (1+\lambda (z)) +(\varrho (z)\times 1) +\sum (x_h+y_h), \] wobei \(d(z) < d(x_h) < n\), \(d(z) < d(y_h) < n\) und \(\varrho \) und \(\lambda\) dimensionstreue Autoisomorphismen von \(\mathfrak R(\varGamma )\) auf sich sind.
Der Satz III ergibt sich aus einer genaueren Untersuchung der maximalen Elemente und der durch einen Dualitätssatz mit ihnen verknüpften minimalen Elemente: das sind solche Elemente \(v\), für die \(d(v)>0\) und bei beliebigem \(x\in \mathfrak R(\varGamma )\) entweder \(xv=0\) oder \(d(xv)=0\) oder \(=d(v)\) ist. In Gruppenmannigfaltigkeiten spielen nach einer von H. Samelson bestätigten Vermutung des Verf. die minimalen Elemente für die von Pontrjagin (a. a. O.) angewendete Produktbildung dieselbe Rolle wie die maximalen Elemente für die Schnittbildung.

MSC:

57-XX Manifolds and cell complexes
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