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Über eine Erweiterung des Stieltjesschen Momentenproblems. (German) JFM 47.0427.04

Math. Ann. 81, 235-319 (1920); 82, 120-164 (1920).
Das Momentenproblem von Stieltjes besteht in Folgendem: Sei \(c_0, c_1, c_2, \dots \) eine Folge reeller Zahlen; dann wird eine monoton wachsende Funktion \(\varphi (u)\) mit unendlich vielen Wachstumsstellen gesucht derart, daß \[ (1) \quad \int_0^\infty u^\nu d\varphi (u) = c_\nu \;(v = 0,1, 2, \dots) \] ist. Der Verf. rekapituliert die bekannten Resultate von Stieltjes über die Lösbarkeit und Bestimmtheit des Probleme und formuliert dann das erweiterte Momentenproblem, indem er an Stelle von (1) die Beziehungen \[ (2) \quad \int_{-\infty}^\infty u^\nu d\varphi (u) = c_\nu \;(v = 0,1, 2, \dots) \] fordert. Die notwendige und hinreichende Bedingung für die Lösbarkeit des erweiterten Problems steht darin, daßdie Determinanten \[ C_m = \left|\begin{matrix} c_0&c_1 &\dots & c_{m-1}\\ c_1&c_2&\dots &c_m\\ \ldots\\ c_{m-1}&c_m&\dots &c_{2m-2} \end{matrix} \right| \;(m =1,2,3,\dots) \] sämtlich positiv sind; das läuft darauf hinaus, daßder mit der Reihe \[ (3)\quad \frac{c_0}z- \frac{c_1}{z^2} + \frac{c_2}{z^3}- \frac{c_3}{z^4} +-\cdots \] assoziierte Kettenbruch \[ (4)\quad \frac{k_1\mid}{\mid z +l_1} +\frac{k_2\mid}{\mid z +l_2} +\frac{k_3\mid}{\mid z +l_3} +\cdots \] existiert, und daß\(k_1 > 0,\) aber \(k_\nu < 0\) für \(\nu \geqq 2\) ist, während die \(l_\nu\) beliebige welle Zahlen sein können. Verf. untersucht weiter, wann das erweiterte Momentenproblem bestimmt ist, d. h. nur eine Lösung hat, und gibt verschiedene Formen für die notwendigen und hinreichenden Bedingungen an. Bezeichnet man den Näherungszähler und -Nenner \(n\)-ter Ordnung des Kettenbruchs (4) mit \(U_n(z)\) und \(V_n(s),\) so wird der Kettenbruch vollständig konvergent genannt, wenn der Quotient \[ \frac {U_n(z) +tU_{n-1}(z)}{V_n(z) +tV_{n-1}(z)} =\frac{k_1\mid}{\mid z +l_1} +\cdots + \frac{k_{n-1}\mid}{\mid z +l_{n-1}} + \frac{k_n\mid}{\mid z +l_n +t} \] für \(n \to \infty\) gegen einen von \(t\) unabhängigen Grenzwert konvergiert, und zur Gleichmäßig für alle reellen \(t\) und für jeden beschränkten abgeschlossenen Bereich der \(z\)-Ebene, der keinen Punkt der reellen Achse enthält. Eine notwendige und hinreichende Bedingung für die Bestimmtheit des Momentenproblems ist dann die vollständige Konvergenz des Kettenbruches (4).
Eine weitere, ebenfalls notwendige und hinreichende Bedingung besteht darin, daßvon den beiden Reihen \[ (5) \quad \sum_{\nu =0}^\infty \frac{V_\nu^2 (0)}{\Delta_\nu},\;\sum_{\nu =1}^\infty \frac{U_\nu^2(0)}{\Delta_\nu}, \] wo \(\Delta_\nu = (-1)^\nu k_1k_2\dots k_{\nu +1},\) mindestens eine divergiert. Wenn für \(m \geqq 1\) durchweg \[ B_m\equiv \left|\begin{matrix} c_1&c_2&\dots &c_m\\ c_2&c_3&\dots &c_{m +1}\\ \ldots\\ c_m&c_{m +1}&\dots &c_{2m-1} \end{matrix}\right|\neq 0, \] so existiert auch der mit der Reihe (3) korrespondierende Kettenbruch \[ (6)\quad \frac{1\mid}{\mid a_1z} +\frac{1\mid}{\mid a_2} +\frac{1\mid}{\mid a_3} +\frac{1\mid}{\mid a_4} +\cdots, \] und die \(a\) mit ungeradem Index sind positiv. Alsdann können die beiden Reihen (5) durch die einfacheren \[ (7) \quad \sum_{\nu =0}^\infty a_{2\nu +1},\sum_{\nu =1}^\infty a_{2\nu +1}(a_2 +a_4 +\cdots +a_{2\nu})^2 \] ersetzt werden. Wenn die Determinanten \(B_m\) alle positiv auch, so sind auch die \(a\) mit geradem Index positiv, so daßder Kettenbruch (6) ein Stieltjesscher ist und auch das Stieltjessche Momentenproblem lösbar ist. Bemerkenswert ist dann der Fall, daßdie Reihen (7) beide konvergieren, während \(\sum a_{2\nu}\) divergiert; dann ist nämlich das Stieltjessche Momentenproblem bestimmt, während das erweiterte unbestimmt ist. (IV 4.)

References:

[1] T. J. Stieltjes, ”Rechersches sur les fractions continues” Ann. de la fac. des so. de Toulous8 (1894), S. J. 1–1229 (1985), S. A. 1–47 (im folgenden kurz mit Steiltjes8 und9 zitiert). · doi:10.5802/afst.108
[2] Stieltjes8, S. 9. – Vgl. auch O. Perron, ”Die Lehre von den Kettenbrüchen”, Leipzig 1913, S. 5 (im folgeden kurz mit Perron, Lehrbuch zitiert). · JFM 43.0283.04
[3] Stieltjes8, S. 18–19, vgl. auch Perron, Lehrbuch S. 301–307 und S. 375.
[4] Stieltjes8, S. 10–12.
[5] M. A. Stern, Über die Kennzeichen der Kovergenz eines Kettenbruches, Journ. für Math.37 (1848), S. 255–272. Steiltjes8, S. 30–39 und S. 61–65. Perron, Lehrbuch, S. 234–235.
[6] Eine ausführliche Darstellung des Steiltjesschen Integralbegriffs siehe Steiltjes8, S. 68–71, Perron, Lehrb, S. 362–374. –Der zitierte Satz findet sich bei Stieltjes8, S. 76–90; Perron, Lehrb., S. 402–410.
[7] Stieltjes8, S. 92–93; Perron, Lehrbuch, S. 410–411.
[8] Stiletjes8, S. 35; Perron, Lehrbuch, S. 413.
[9] Stieltjes8, S. 48–49; Perron, Lehrbuch, S. 377–378.
[10] Stieltjes8, S., 97–104; Perron, Lehrbuch, S. 390–391 und S. 417.
[11] Jakbo Grommer, Ganze transzendente Funktionen mit lanter reellen Nullstellen. Diss. Göttingen 1914, abgedr. im Journ. f. r. u. angew. Mathematik144 (1914), S. 140–166; vgl. insbes. S. 137 ff. Das Grommersche Auswahlverfahren läßt sich übrigens durch Anwendung eines viel aUgemeineren elementaren Satzes über unendliche Folgen glelchmäßig beschränkter monotoner Funktionen von herrn Carathéodory gans wesentlich vereinfachen (vgl. § 7, Abschnitt1, insbesoridere Anm
[12] Vgl. z. B. Perron, Lehrbuch, S. 322–326 u. S. 376.
[13] Diese bequeme Schreibweise für einen Kettenbruch ist von Herrn Pringsheim eingeführt worden. Vgl. A. Pringsheim, Über die Konvergenz unendlicher Kettenbrüche. Sitzungsber. der kgl. Bayer. Ak. d. Wiss. Math.-phys. Kl.28 (1898), S. 295 bis 324. Vgl. insbesondere S. 296. Der Parametert ist bereits von Stieltjes, allerdings nur in die Näherungsbrüche vonS(z) eingeführt worden, um eine spezielle Aufgabe zu lösen. Vgl. Stieltjes9, S. 14–22.
[14] Das Kapitel I und die §§ 6 und 7 des Kapitels II enthalten Resultate, die an und für sich nicht als neu anzusehen sind, deren Zusammenstellung jedoch dem Leser das Verständnis des Nachfolgenden erleichtern dürfte. Hingegen sind wir in der Darstellung und Bezeichnungsweise, insbesondere in den § 2, 3, 6 und 7 von dem bisher gebräuchlichem Wege erheblich abgewichen.
[15] Die Betrachtungen des § 1 leisten für den kettenbruch (K (z) im wesentlichen das Gleiche, wie die in den Abschnitten 1. und 2. der Einleitung enthaltenen Ausführungen für den KettenbruchS(z) – Übrigens wird im folgenden nicht mehr auf die Überlegungen der Einleitung Bezug genommen. – Eine ausführliche Darstellung der meisten im § 1 angegebenen Resultate findet sich in der Dissertation des Herrn Grommer [l. c. Anm18)]. Vgl. insbes. Kap. I, § 1–3, S. 118–125. Vgl. auch O. Perron, Lehrbuch, S. 322–326 und S. 375–376.
[16] Vgl. Perron, Lehrbuch, S. 5.
[17] Vgl. Perron, Lehrbuch, S. 16 und S. 378.
[18] Vgl. Stieltjes8, S. 25.
[19] Bei Stieltjes8, S. 25–28 finden sich analoge Darstellungen wie (18) und (20) für Zähler und Nenner von Näherungsbrüchen eines anderen Kettenbruchs (des Kettenbruchs (1) der Einleitung; vgl. auch Formel (85) und (86) des § 2), die auch in ähnlicher Weise abgeleitet sind.
[20] Vgl. z. B. Die ausführliche Darstellung des Beweises von Satz III bei Grommer, l. c. Anm. 12)Jakob Grommer, Ganze transzendente Funktionen mit lauter reelen Nullstellen. Diess. Göttingen 1914, abgedr. im Journ. f. r. u. angew. Mathematik 144 (1914). S. 123–125. Vgl. auch Perron, Lehrbuch, S. 393–396.
[21] Vgl. Steiltjes,8, S. 26–28.
[22] Formel (39) findet sich für den speziellen Fall, daß die NäherungsnennerV v (z) bis auf einen konstanten Faktor gleich den Legendreschen Polynomen sind, zuerst in einer Arbeit von E. B. Christoffel: Über die Gaußsche Quadratur und eine Verallgemainerung derselben”, Journ. f. r. u. angew. Math.55, (1858), S. 61–82. Vgl. insbes. S. 73. Vgl. außerdem Perron, Lehrbuch, S. 381. · ERAM 055.1450cj · doi:10.1515/crll.1858.55.61
[23] Einen Beweis für diese Darstellung der Koeffizientenc r ohne Benutzung der Kettenbrüche findet man in einer Arbeit von Herrn E. Fischer: ”Über das Carathéodorysche Problem Potenzreihen mit positivem reellen Teil betreffend”. Rend. del Circ. mat. di Palermo32 (1911), S. 240–256; vgl. insbes. S. 244–248. · JFM 42.0277.03 · doi:10.1007/BF03014797
[24] Vgl. Stieltjes8, S. 113–114. Sein Beweis ist von dem des Téxtes verschieden.
[25] Vgl. Stieltjes9, S. 27; vgl. auch Perron, Lehrbuch, S. 888–889.
[26] O. Szász: ”Bemerkungen zu Herrn Perrons Erweiterung eines Markoffschen Satzes über die Konvergenz gewisser Kettenbrüche”, Math. Ann.76 (1915), S. 301–314; vgl. insbes. S. 304–305. · JFM 45.0339.02 · doi:10.1007/BF01458143
[27] Vgl. Stieltjes8, S. 68–75. Vgl. auch die ausführliche Darstellung der wich tigsten Eigenschaften der Stieltjesschen Integrale, bei Perron, Lehrbuch, S. 362–374.
[28] Den Sinn dieser oft angewandten Besesichangwelec erklärt die Definktionsgleichung (70) der saymptotisohen Bexiahung auf 8. 870.
[29] Die Bedingung, daß die Belegungsfunktion {\(\Pi\)} (u) unendlich viele Wachstumestellen hat, dient nur dazu, den trivialen Fall auszuschalten, daß die aus den Koeffizientenc v gebildeten Hankelschen DeterminantenC m für allem&gt;n sämtlich verschwinden und der assoziierte KettenbruchK (z) nicht mehr unendlich ist.
[30] Vgl. Stieltjes 8, S. 48–49, vgl. auch Perron, Lehrbuch, S. 415–416.
[31] Vgl. Perron, Lehrbuch, S. 377–378.
[32] l. c. Anm. 12). Jakob Grommer, Ganze transzendente Funktionen mit lauter reellen Nullstellen. Diss. Göttingen 1914, abgedr. im Journ. f. r. u. angew. Mathematik144 (1914), · JFM 45.0650.02
[33] C. Carathéodory, Über die Fourierschen Koeffizienten monotoner Funktionen. Sitzber. Pr. Ak. Wiss.30 (1920), S. 559–573, vgl. insbesondere S. 560–571. Herr M. Riesz machte mich gelegentlich der zweiten Korrektur darauf aufmerksam, daß sich der Carathéodorysohe Satz bereits in einer Arbeit von Herrn E. Helly · JFM 47.0256.04
[34] Vgl. Grommer, l. c. Anm. 12) Jakob Grommer, Ganze transzendente Funktionen mit lauter reellen Nullstellen. Diss. Göttingen 1914, abgedr. im Journ. f. r. u. angew. Mathematik144 (1914), S. 137.
[35] Vgl. z. B. Ch. J. de la Vallée Pouesin: ”Coure d’Analyse infialtésimale”, 8Max édition,1, Louvsin 1914, S. 268.
[36] Vgl. z. B. H. Hamburger, ”Beiträge zur Konvergenztheorie der Stieltjesschen Kettenbrüche”, Math. Zeitschr.4 (1919), S. 186–222, vgl. insbes. S. 214–220; siehe auch dort die näheren Literaturangsben Anm. 17) S. 199. · JFM 47.0428.01 · doi:10.1007/BF01203012
[37] Schon Herr C. Hamel hat es als zweckmäßig erkannt, bei einigen funktionentheoretischen Fragestellungen die Konvergenz eines unendlichen Kettenbruchs andern als üblich zu definieren, indem man mehr verlangt als nur die Konvergenz der ges wöhnlichen Näherungsbrüche. Vgl. dessen Arbeiten: ”Über einen limitär-periodischen Kettenbruch”, Arch. d. Math. u. Phys.27 (1918), S. 37–43, vgl. insbes. S. 42–43 und ”Eine charakteristische Eigenschaft beschränkter analytischer Funktionen”, Math. Ann.78 (1918), S. 257–269, vgl. inshes. S. 260.
[38] Die in diesem Abschnitt bewiesenen Eigenschaften der vollständigen Konvergenz dienen nur dazu, dem Leser eine Anschauung von der Eigenart dieses Begriffes zu geben und werden im folgenden nicht mehr benutzt werden. Der Leser karin daher ohne Schaden für das Verständnis des Folgenden gleich mit der Lektüre den Abschnittes. 8 diesce Paragraphen auf Seite 292 fortfahren.
[39] Vgl. Satz XIX auf S. 310.
[40] A. Marhoff, Deux démonstrations de la convergence de certaines fractions continues. Acta Math.19 (1895), vgl. auch Perron, Lehrbuch., S. 885–887. O. Perron, Erweiterung eines Markoffschen Satzes über die Konvergenz gewisser Kettenbrüche. Math. Ann.74 (1913), S. 545–554. O. Szász, l c. Anm. 29).
[41] Im FalleV n (0)=0 erniedrigt sich der Grad des Polynoms {\(\Pi\)} (u) noch um zwei, wie man aus den Formeln (27) des § 2 unmittelbar erkennt.
[42] Vgl. Stieltjes 8, S. 29.
[43] Vgl. das etwas weniger scharfe Resultat bei Stialtjes 8, S. 79–81 und S. 94.
[44] Man beachte, daß die Relation (118) nicht gleichmäßig für allev vorausgesetzt ist.
[45] Diesen Beweis, der meinen ursprünglichen, längeren ersetzt, verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Herrn v. Pidoll aus München bei der ersten Korrektur.
[46] Stieltjes8, S. 50–61. Vgl. auch ”Correspondance d’Hermite et de Stieltjes”2 (Paris 1905); Brief vom 14.2. 94, S. 369.
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