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Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunctionen im Raume. (German) JFM 30.0690.05

Berlin. Ferd. Dümmler. XIV + 417 S. m. 94 Fig. \(8^\circ\) (1899).
Das vorliegende Lehrbuch verfolgt einen doppelten Zweck. Einerseits soll es, ohne besondere Vorkenntnisse vorauszusetzen, zur Einführung in die Potentialtheorie dienen; andererseits soll es den Leser mit den modernen Untersuchungen auf diesem Gebiet, insbesondere denen von C. Neumann, H. A. Schwarz und Poincaré, bekannt machen und zugleich dieselben erweitern. Diese Berücksichtigung der jetzt im Vordergrunde des Interesses stehenden Probleme ist es vor allem, durch die sich das Buch von allen bisherigen Lehrbüchern der Potentialtheorie unterscheidet (denn das 1877 erschienene Buch von C. Neumann ist kein eigentliches Lehrbuch). Ferner lässt das Korn’sche Buch alle Methoden zur Lösung specieller Probleme, wie sie in Teil II von Heine’s Kugelfunctionen behandelt sind, mit Ausnahme der auf die Kugel bezüglichen bei Seite, ist dafür aber um so ausführlicher in der Darstellung der allgemeinen Theorie.
Das Buch zerfällt in fünf Teile. Im ersten Teil, dem einleitende Bemerkungen über Curven-, Flächen- und Raumintegrale (u. a. wird der Green’sche Satz bewiesen) vorausgeschickt sind, werden die charakteristischen Eigenschaften der Punkt-, Linien-, Flächen- und Raumpotentiale abgeleitet, doch ohne den Dirichlet’schen Beweis dafür, dass diese Eigenschaften charakteristisch sind. Bemerkenswert ist die Erörterung über die Werte des Flächenpotentials und seiner Ableitungen auf der Fläche, sowie über das Verhalten des über die Fläche \(\omega\) erstreckten Integrals \[ W = \int\frac{k\cos(r\nu)d\omega}{r^2} \] bei Annäherung an die Randcurve der Fläche. Teil I schliesst mit der Transformation von \(\Delta V\) auf krummlinige orthogonale Coordinaten.
Teil II ist den Kugelfunctionen und ihrer Anwendung auf Potentialprobleme der Kugel gewidmet; Der Beweis der Entwickelbarkeit einer beliebigen Function nach Kugelfunctionen schliesst sich eng an C. Neumann’s Darstellung (vergl. F. d. M. 13, 337, 1881, JFM 13.0337.01) an.
Teil III enthält die Grundlagen der Theorie der Potentialfunctionen (Lösungen von \(\Delta V=0\)), ihre Darstellung durch Oberflächenintegrale, ihre Maximal- und Minimaleigenschaften, endlich die Behandlung der beiden Hauptprobleme, des elektrostatischen und des hydrodynamischen (Wert der normalen Ableitungen von \(V\) an der Grenze gegeben), für den Innen- und Aussenraum einer Kugel.
Weiter geht der Verf. in Teil IV zu den neueren Untersuchungen über Potentialfunctionen über und fügt denselben eine wesentliche Erweiterung hinzu. Die Grundlage der in Rede stehenden Untersuchungen bildet bekanntlich C. Neumann’s Methode des arithmetischen Mittels (vgl. F. d. M. 3, 493, 1871, JFM 03.0493.01; 10, 658, 1878, JFM 10.0658.05; 19, 1029, 1887, JFM 19.1029.01; 20, 1015, 1888, JFM 20.1015.01), durch die es zum ersten Male gelang, Functionen zu construiren, welche im Innen- oder Aussenraum irgend einer geschlossenen Fläche \(\omega\) stetig sind, der Laplace’schen Gleichung genügen, an der Fläche \(\omega\) gegebene Werte \(f\) annehmen, und deren sämtliche Ableitungen in irgend welcher Entfernung von \(\omega\) stetig sind. Doch wird dabei vorausgesetzt, dass die Fläche \(\omega\) überall convex ist und die vorgeschriebenen Randwerte \(f\) auf \(\omega\) stetig sind. Poincaré hat die Methode von Neumann auf beliebige geschlossene, stetig gekrümmte, einfach zusammenhängende Flächen ausgedehnt (vergl. F. d. M. 27, 316, 1896, JFM 27.0316.01), aber unter zwei wesentlichen Einschränkungen. Es muss nämlich die Existenz der gesuchten Function bereits auf irgend eine andere Weise gesichert sein, und es müssen Transformationen vorhanden sein, die den Innenraum der Fläche \(\omega\) in den Innenraum einer Kugel, den Aussenraum von \(\omega\) in den Aussenraum jener Kugel verwandeln und dabei gewissen Bedingungen genügen. Es fragt sich nun, ob nicht eine Ausdehnung der Neumann’schen Methode auf nicht überall convexe Flächen möglich ist, ohne mit Poincaré vorauszusetzen, dass die Existenz der gesuchten Function bereits auf einem anderen Wege erwiesen ist. Diese Ausdehnung ist dem Verf. in einem wichtigen, sehr allgemeinen Falle gelungen. Es ist dies der Fall, wo die Fläche gegen einen inneren Punkt convex ist, d. h. wo wenigstens ein Punkt innerhalb der Fläche \(\omega\) existirt, durch den sich keine Tangentialebene an die Fläche legen lässt. Dabei brauchen die Randwerte \(f\) nicht einmal, wie bei Poincaré, mit allen Ableitungen auf \(\omega\) stetig zu sein, sondern es genügt, wenn \(f\) selbst auf \(\omega\) eindeutig und stetig ist, während die ersten Ableitungen von \(f\) bereits in einer endlichen Zahl von Trennungscurven in gewisser Weise unstetig werden dürfen. Von dem in Rede stehenden Falle kann man dann, da jeder genügend kleine Teil einer stetig gekrümmten Oberfläche als Teil einer Fläche aufgefasst werden kann, die gegen einen inneren Punkt convex ist, mit Hülfe der Methode des alternirenden Verfahrens von Schwarz zu beliebigen stetig gekrümmten Flächen übergehen. Für letztere erreicht man also das gewünschte Resultat auf Grund der Nenmann’schen Methode und einer endlichen Anzahl Schwarz’scher Operationen.
Teil V beschäftigt sich sodann mit der Frage, wann die so construirten Functionen wirklich Potentialfunctionen sind, d. h. wann auch ihre ersten Ableitungen bis an die Fläche \(\omega\) heran eindeutig und stetig sind. Es ergiebt sich, dass die durch die Neumann’sche Methode erhaltenen Functionen Potentialfunctionen des Innen-, resp. des Aussenraumes von \(\omega\) sind, falls \(f\) auf \(\omega\) mit seinen ersten Ableitungen eindeutig und stetig ist. Mittels einer von Robin (vergl. C. R. 104; F. d. M. 19, 1132, 1887, JFM 19.1132.02) herrührenden Modification der Neumann’schen Methode lassen sich ebenso auch die entsprechenden hydrodynamischen Probleme lösen. Zum Schluss werden die erhaltenen Resultate mit Hülfe der Methode von Murphy auf Flächen ausgedehnt, die aus mehreren getrennten Teilen bestehen; ferner wird noch eine Ausdehnung des Begriffs der Potentialfunction auf mehrfach zusammenhängende Räume kurz behandelt.
Dem Buche ist eine Reihe erläuternder Anmerkungen, sowie ein Verzeichnis der wichtigsten Arbeiten über Potentialtheorie beigefügt.