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New contributions to Riemann’s function theory. (Neue Beiträge zur Riemann’schen Functionentheorie.) (German) JFM 15.0351.01

Die vorliegenden Untersuchungen sind hauptsächlich der Theorie der eindeutigen Functionen mit linearen Transformationen in sich gewidmet. Sie gehen dabei zunächst von allgemeinen functiontheoretischen Betrachtungen aus, die eine Fortsetzung der Entwickelungen bilden, welche Herr Klein in seiner Schrift “Ueber Riemann’s Theorie der algebraischen Functionen und ihrer Integrale” [Leipzig, Teubner; s. F. d. M. XIV. 1882. 358, JFM 14.0358.01] gegeben hat. Der Begriff einer Riemann’schen Fläche wird hier noch erweitert und ganz allgemein als ein Aggregat beliebig berandeter Flächenstücke gegeben, in welchem die Ränder durch irgend welche Zuordnung auf einander bezogen sind, so dass eine “in abstracto” geschlossene Mannigfaltigkeit vorliegt. Die auf einer solchen Fläche existirenden Functionen lassen sich dann (in ähnlicher Weise wie in jener Schrift geschehen) als Potentialfunctionen deuten, die im Innern jedes Flächenstückes der auf letzteres bezüglichen Differentialgleichung des Potentials, auf dem Rande aber noch (gemäss der gegenseitigen Zuordnung der Ränder) gewissen Randbedingungen genügen. Für die Begründung der Existenz solcher Potentialfunctionen wird über die physikalischen Anschauungen der früheren Schrift hinaus die Literatur eingehend besprochen, die sich an das Dirichlet’sche Princip knüpft. Neben einer kurzen Charakteristik der hierhergehörigen Arbeiten von C. Neumann und Schwartz ist dabei noch ein Brief des letzteren an den Verfasser mitgeteilt über die Bestimmung einer Potentialfunction, für welche neben punktuellen Unstetigkeiten auch noch gewisse Periodicitätsmoduln vorgeschrieben sind.
Den Uebergang zu den Functionen mit linearen Transformationen in sich bildet nun das in grösstmöglicher Allgemeinheit formulirte “Princip der analytischen Forsetzung”: Ein beliebig gegebener Fundamentalbereich, dessen Ränder paarweise einander zuegeordnet sind, wird als Stück eines allgemeinen Bereiches und die Transformationen, welche die Kanten des ersteren zusammenordnen, als Transformationen jenes allgemeinen Bereiches in sich aufgefasst. Dardurch ordnen sich um jenen ursprünglichen Bereich successive andere und andere an, und jede complexe Function des Ortes, welche auf der durch den Ausgangsbereich versinnlichten Riemann’schen Mannigfaltigkeit eindeutig ist, weist auf allen Nachbarbereichen dieselbe Werteverteilung auf, wie auf dem ursprünglichen. Ist im besonderen der Ausgangsbereich “symmetrisch”, so kann man dieses allgemeinere Princip durch das von Schwarz zuerst hervorgehobene “Princip der Symmetrie” ersetzen. Indem man nun die Zuordnung der Kanten des “Fundamentalbereiches” durch lineare Transformationen der unabhängigen Veränderlichen bewerkstelligt denkt, ensteht die Definition der Functionen mit linearen Transformationen in sich, für welche sich die Frage nach den eindeutigen Functionen als ein geometrisches Problem erweist in der Frage nach denjenigen Fundamentalbereichen in der Ebene, welche bei ihrer Reproduction die Ebene nirgends mehrfach überdecken. Gleichzeitig entsteht die Frage nach allen discontinuirlichen Gruppen linearer Transformationen, welche jedesmal durch die Zuordnung der Ränder gegeben sind, wobei es sich aber zeigt, dass jene geometrische und diese gruppentheoretische Frage nicht äquivalent sind.
Zur Theorie der eindeutigen Functionen mit linearen Transformationen in sich (deren Entwickelung in den Arbeiten von Schwarz, Klein, Schottky, dann Fuchs, Poincaré, und deren Beziehungen zu gewissen Untersuchungen Riemann’s der Verfasser in der Einleitung bespricht) werden zunächst gewisse Klassen solcher Functionen charakterisirt. Der Fundamentalbereich (der stets aus Kreisbogenpolygonen bestehemd vorausgesetzt werden kann) liefere bei seiner Wiederholung einen Kreis als “natürliche Grenze”, der insbesondere in einen Punkt ausarten oder imaginär werden kann. Die Signatur eines solchen Bereiches ist gegeben durch die Zahlen \((p,n,l_k)\), wo \(p\) das Geschlecht der Riemann’schen Fläche bedeutet, welche durch Schliessung der Ränder des Fundamentalpolygons entsteht, \(n\) die Anzahl, \(l_k\) die Ordnung der Verzweigungspunkte, durch welche die Winkel des Fundamentalpolygons bestimmt werden). Die Zahl der Bestimmungsstücke eines solchen Ausgangsbereiches ist \(6p+2n-6\). Aus diesen Fällen lassen sich zunächst durch Variation der Constanten (also Aenderung der Dimensionen, nicht aber der Signatur des Fundamentalpolygons) andere ableiten, für welche die natürliche Grenze der Gebietseinteilung jetzt aufhört ein Kreis zu sein. Endlich werden durch denm “Process der Ineinanderschiebung”, welcher gestattet, beliebig viele Gruppen in bestimmter Weise zu combiniren, neue Fundamentalbereiche und daraus abgeleite Gruppen charakterist, welche jetzt nach ihrem Typus, d. h. nach der Zahl und Art der einzelnen in ihnen vorkommenden Teilgruppen zu unterscheiden sind, und bei welchen als “Normalfall” diejenige Einteilung auftritt, für welche alle auftretenden natürlichen Grenzen Kreise sind. Die Constantenzahl des jeweiligen Normalfalles lässt im Vergleich mit der (gleichen) Anzahl reeller Constanten, von der eine Riemann’sche Fläche von gegebenem Geschlechte \(p\) mit \(n\) auf ihr willkürlich fixirten Punkten abhängt, das Fundamentaltheorem vermuten: Das auf jeder Riemann’schen Fläche von der Signatur \((p,n,l_k)\) immer eine und nur eine Normalfunction von beliebig vorgegebenem Typus existirt, ein Satz, von welchem der Verfasser zwei besonders bemerkenswerte Specialfälle schon früher im XIX. und XX. Band der Mathematischen Annalen (vergl. F. d. M. XIV. 1882. 345, JFM 14.0345.01) veröffentlicht hat. Der Beweis des Satzes wird nicht explicite erbracht, sondern der dazu nötige Apparat gegeben in Sätzen der Mannigfaltigkeitslehre, in gewissen Continuitätsbetrachtungen und unter Zuziehung des Hülfssatzes, dass auf einer in bestimmter Weise zerschnittenen Riemann’schen Fläche \((p,n,l_k)\) immer nur eine zugehörige Normalfunction existiren kann. Der letzte Abschnitt ist dem Vergleich der allgemeinen eindeutigen Functionen mit linearen Transformationen in sich mit den elliptischen Functionen gewidmet, wobei die hier bereits vorhandenen Untersuchungen und Kenntnisse Ausblick und Richtung geben für eine dort noch zu entwickelnde allgemeine Theorie.

MSC:

30F10 Compact Riemann surfaces and uniformization
30F35 Fuchsian groups and automorphic functions (aspects of compact Riemann surfaces and uniformization)
30F40 Kleinian groups (aspects of compact Riemann surfaces and uniformization)