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The theory of screws. A study in the dynamics of a rigid body. (English) JFM 08.0599.01

Dublin: Hodges, Forster and Co.
1. Twists and wrenches.
“Eine Schraube (screw) ist eine gerade Linie im Raume, mit welcher eine bestimmte lineare Grösse, Gewindesteigung (pitch), verbunden ist”. Man sagt, ein Körper habe eine Schraubung (twist) um eine Schraube erlitten, wenn er um die Schraube gedreht ist, während er gleichzeitig parallel zur Schraube fortbewegt wird um eine Entfernung, die gleich dem Producte aus der Gewindesteigung in dem Kreisbogen des Drehungswinkels ist”. Also: “Die canonische Form, auf welche die Verrückung eines starren Körpers reducirt werden kann, ist eine Drehung um eine Schraube”. (Chasles).
Wir werden den Ausdruck Ruck auf einer Schraube (wrench on a screw) gebrauchen, um damit eine Kraft längs der Schraube und ein Kräftepaar in einer zur Schraube senkrechten Ebene zu bezeichnen, wobei das Moment des Paares gleich ist dem Product auf der Kraft in die Gewindesteigung der Schraube. Man kann dann sagen: “Die canonische Form, auf welche alle an einem festen Körper wirkenden Kräfte reducirt werden können, ist ein Ruck auf einer Schraube”. (Poinsot).
2. The cylindroid.
Wenn \(\alpha\) und \(\beta\) zwei Schrauben mit den Gewindesteigungen \(p_\alpha\) und \(p_\beta\) sind, wenn \(d\) die kürzeste Entfernung zwischen \(\alpha\) und \(\beta\) ist und \(\theta\) der Winkel zwischen \(\alpha\) und \(\beta\), dann ist die Arbeit, welche durch einen Ruck von der Intensität \(\beta''\) auf der Schraube \(\beta\) geleistet wird, wenn ein Körper eine Schraubung mit der Amplitude \(\alpha'\) erleidet, gleich \[ \alpha'\beta''\{(p_\alpha+p_\beta\cos{}\theta-d\sin{}\theta. \]
Die Theorie der Schrauben steht vielfach in Verbindung mit den neueren geometrischen Untersuchungen von Plücker und Klein über lineare Complexe. Letzterer hat bewiesen (Clebsch Ann. II. p. 368), dass, wenn \(p_\alpha\) und \(p_\beta\) die Hauptparameter eines linearen Complexes sind und wenn \[ (p_\alpha+p_\beta)\cos{}\theta-d\sin{}\theta=0, \] wo \(d\) und \(\theta\) sich auf die Hauptaxen des Complexes beziehen, dann die beiden Complexe eine specielle Beziehung zu einander haben und in Involution stehen.
Die Grösse \[ (p_\alpha+p_\beta)\cos{}\theta-d\sin{}\theta \] wird der “virtuelle Coefficient” der beiden Schrauben \(\alpha\) und \(\beta''\) genannt.
Eine Eigenschaft des virtuellen Coefficienten ist von der grössten Wichtigkeit. Wenn die beiden Schrauben vertauscht werden, bleibt der virtuelle Coefficient unverändert. Die Identität der Gesetze für Schraubungen und Rucke rührt von dieser Eigenschaft her, ebenso auch die Theorie der reciproken Schrauben.
Die Oberfläche, deren Gleichung (Plücker) \[ z(x^2+y^2)-(p_\alpha-p_\beta)xy=0 \] ist, wird Cylindroid genannt.
Die Gewindesteigung der Generatrix, welche einen Winkel \(\theta\) mit der Schraube der Axe macht, ist \[ p_\alpha\cos{}^2\theta+p_\beta\sin{}^2\theta. \]
Die Gewindesteigung jeder Schraube auf einem Cylindroid ist proportional dem umgekehrten Quadrat des parallelen Durchmessers der conischen Gewindesteigung.
Wenn ein Körper kleine Drehungen um drei Schrauben auf einem Cylindroid erleidet, und die Amplitude jeder Schraubung dem Sinus des Winkels zwischen zwei nicht entsprechenden Schrauben proportional ist, so wird der Körper nach der letzten Schraubung dieselbe Lage haben, die er vor der ersten hatte. Wenn ein Körper von Rucken um drei Schrauben auf einem Cylindroid angegriffen wird und die Intensitäten der Rucke den Sinus der Winkel zwischen zwei nicht entsprechenden Schrauben proportional sind, so halten sich die drei Rucke das Gleichgewicht.
3. Reciprocal screws.
Wenn ein Körper, der nur frei für Drehungen um eine Schraube \(\alpha\) ist, unter der Wirkung eines Ruckes auf der Schraube \(\beta\) in Gleichgewicht steht, und umgekehrt: wenn ein Körper, der nur frei für Drehung um eine Schraube \(\beta\), im Gleichgewicht ist unter Wirkung eines Ruckes auf der Schraube \(\alpha\), so nennt man \(\alpha\) und \(\beta\) “reciproke Schrauben”. Wenn eine Schraube \(\eta\) reciprok zu zwei Schrauben \(\theta\) und \(\varphi\) ist, so ist \(\eta\) zu jeder Schraube auf dem Cylindroid \((\theta,\;\varphi)\) reciprok.
Eine zu einem Cylindroid reciproke Schraube muss dasselbe in zwei Schrauben von gleicher Gewindesteigung schnieden und senkrecht sein zu der dritten Schraube auf der Oberfläche, welche sie trifft. Von einem Punkte \(P\) denke man die Senkrechten auf die Generatricen des Cylindroids gefällt. Wenn für diese Senkrechten Gewindesteigungen gewählt werden, welche im Zeichen gleich und entgegengesetzt zu den Gewindesteigungen der zwei übrigen Schrauben auf dem Cylindroid sind, welches durch die Senkrechten geschnitten wird, so bilden alle diese Senkrechten einen Kegel von reciproken Schraube ist ein Cylindroid. “Man kann eine Schraube finden, welche zu fünf gegebenen Schrauben reciprok ist”.
Auf einem Cylindroid lässt sich immer eine Schraube finden, welche zu einer gegebenen Schraube reciprok ist.
4. Screws coordinates.
Man soll die Intensitäten von sieben Rucken auf sieben Schrauben so bestimmten, dass, wenn die Rucke an einem starren Körper, der entweder ganz frei oder in einer Richtung gezwungen ist, angebracht werden, Gleichgewicht vorhanden ist.
Die Lösung dieses Problems ist identisch mit dem folgenden: Man bestimme die Amplituden von sieben Drehungen um sieben gegebene Schrauben so, dass, wenn diese Schraubungen der Reihe nach auf einen starren Körper angewandt werden, der Körper nach der letzten Drehung dieselbe Lage hat, wie vor der ersten.
Ein Ruck auf der Schraube \(\alpha\), dessen Intensität die Einheit ist, hat als Componenten auf sechs reciproken Schrauben Rucke, deren Intensitäten bezeichnet werden als die Coordinaten der Schraube \(\alpha\). Diese Coordinaten werden mit \(\alpha_1\;\alpha_2\ldots\alpha_6\) bezeichnet. Wenn \(p_1\;p_2\ldots p_6\) die Gewindesteigungen der sechs in dieser Beziehung zu einander stehenden Schrauben sind, so ist der virtuelle Coefficient der Schrauben \(\alpha\) und \(\beta\) \[ 2\varSigma p_1\alpha_1\beta_1. \] Die Gewindesteigung der Schraube \(\alpha\) ist \(\varSigma p_1\alpha_1^3\).
5. Allgemeine Betrachtung über Gleichgewicht.
Um die Natur der Freiheit, welche ein fester Körper hat, genau zu kennzeichnen, muss man alle Schrauben bestimmen, um die der Körper bei dem vorhandenen Zwange geschraubt werden kann. Die Gesammtheit dieser Schrauben nennt man einen Schraubencomplex \(n^{\text{ter}}\) Ordnung und vom \(1^{\text{ten}}\) Grade. Die Zahl der Parameter, die nothwendig, um einen Schraubencomplex \(n^{\text{ter}}\) Ordnung und \(1^{\text{ten}}\) Grades zu charakterisiren, ist \(n(6-n)\).
Alle Schrauben, welche zu einem Schraubencomplex \(n^{\text{ter}}\) Ordnung und \(1^{\text{ten}}\) Grades reciprok sind, bilden einen Schraubencomplex \((6- n)^{\text{ter}}\) Ordnung und \(1^{\text{ten}}\) Grades. Wenn der Schraubencomplex \(P\) die Freiheit eines festen Körpers ausdrück, so wird der Körper im Gleichgewicht bleiben durch die Wirkung eines Ruckes auf einer Schraube des reciproken Schraubencomplexes \(Q\). Ein Körper, der die Freiheit hat, um alle Schrauben von \(Q\) gedreht zu werden, wird durch einen Ruck auf einer Schraube von \(P\) nicht gestört werden. Von zwei reciproken Schraubencomplexen ist also jeder der Ort eines Ruckes, der nicht im Stande ist, einen Körper zu stören, welcher die Freiheit hat, um eine Schraube des andern gedreht zu werden.
6. Hauptträgheitsschrauben.
Wenn ein ruhenden Körper Freiheit \(n^{\text{ter}}\) Ordnung besitzt, so können immer \(n\) (aber nicht mehr) Schrauben gefunden werden, so dass, wenn der Körper einen Ruckimpuls auf einer dieser Schrauben erhält, der Körper um diese Schraube gedreht wird. Wenn \(\alpha\) und \(\beta\) die beiden augenblicklichen Schrauben und \(\eta\) und \(\xi\) die entsprechenden angreifenden (impulsive) Schrauben sind, dann muss, wenn \(\alpha\) reciprok zu \(\xi\) ist, \(\beta\) reciprok zu \(\eta\) sein. \(\alpha\) und \(\beta\) bilden dann ein Paar conjugirten Trägheitsschrauben.
7. Potentielle Energie der Verrückung.
Wenn ein freier oder einem Zwange unterworfener starrer Körper aus einer Gleichgewichtslage verrückt wird durch Drehung um kleine Amplituden \(\theta_1,\ldots \theta_n\) um \(u\) Beziehungs-Schrauben, und wenn \(V\) die Arbeit bezeichnet, welche durch diese Bewegung geleistet wird, so hat der Ruck, welcher auf den Körper in der neuen Lage wirkt, zu Componenten auf den Beziehungs- (of reference) Schrauben Rucke, deren Intensitäten gefunden werden durch zweimalige Division der entsprechenden Beziehungsschraube in den Differentialcoefficienten von \(V\) genommen nach der entsprechenden Amplitude. Schneidet eine Schraubung um eine Schraube \(\theta\) einen Ruck auf der Schraube \(\eta\), während eine Drehung um eine Schraube \(\varphi\) einen Ruck auf eine Schraube \(\xi\) verursacht, so muss, wenn \(\theta\) reciprok zu \(\xi\) ist, auch \(\varphi\) reciprok zu \(\eta\) sein.
Man kann \(n\) solcher Schrauben finden, dass, wenn der Körper um eine Drehung um irgend eine dieser Schrauben verrückt wird, ein Ruck auf derselben Schraube bewirkt wird. Die Schrauben, welche diese Eigenschaft besitzen, werden Hauptschrauben des Potentials genannt.
8. Harmonische Schrauben.
Wenn ein fester Körper aus einer Gleichgewichtslage durch eine Drehung um eine Schraube \(\theta\) verrückt wird, und wenn der hervorgerufene Ruck eine Schraubung des Körpers um dieselbe Schraube \(\theta\) hervorzubringen sucht, dann kann \(\theta\) eine harmonische Schraube genannt werden. Die Anzahl harmonischer Schrauben ist dieselbe, wie der Grad des Schraubencomplexes, welcher die Freiheit des starren Körpers definirt.
Wenn der Körper eine stabile Gleichgewichtslage inne hat, dann können \(n\) harmonische Schrauben aus dem Schraubencomplex \(n^{\text{ter}}\) Ordnung, welcher die Freiheit des starren Körpers definirt, ausgewählt werden; wenn der Körper aus seiner Gleichgewichtslage durch eine Drehung um eine harmonische Schraube verrückt wird und er auch eine Anfangsschraubungsgeschwindigkeit um dieselbe Schraube erhält, dann wird der Körper für immer kleine Schraubungsoscillationen um diese harmonische Schraube ausführen.
9. Grad der Freiheit.
Der Verfasser discutirt vollständig sechs Grade von Freiheit. Des beschränkten Raumes wegen können wir nur einen, den dritten, besprechen.
Freiheit des dritten Grades. Alle Schrauben von gegebener Gewindesteigung \(+k\) längs eines gegebenen Schraubencomplexes \(S\) der \(3^{\text{ten}}\) Ordnung liegen auf einem Hyperboloid, dessen eines System von Generatricen sie bilden, während das andere System von Generatricen mit der Gewindesteigung - \(k\) längs des reciproken Schraubencomplexes liegt.
Die drei Hauptaxen der Fläche \(2^{\text{ter}}\) Ordnung der Gewindesteigung setzen, wenn sie mit passender Gewindesteigungen \(p_\alpha,\;p_\beta,\;p_\gamma\) gebildet werden, Schrauben längs des Schraubencomplexes \(3^{\text{ter}}\) Ordnung zusammen, und die Gleichung dieser Fläche hat die Form \[ p_\alpha x^2+p_\beta y^2+p_\gamma z^2+p_\alpha p_\beta p_\gamma=0. \] Jede Schraube von \(S\) hat eine Gewindesteigung, welche proportional ist dem umgekehrten Quadrat des parallelen Durchmesser dieser Gewindesteigungsfläche.
Irgend drei coreciproke Schrauben von \(S\) sind parallel einer Triade von conjugirten Durchmessern der Gewindesteigungsfläche.
Drei Schrauben längs des Schraubencomplexes und ebenso drei Schrauben längs des reciproken Schraubencomplexes können durch einen beliebigen Punkt gezogen werden. Alle Schrauben des Complexes parallel einer Ebene müssen auf einem Cylindroid liegen.
Man nehme irgend vier Schrauben \(\alpha,\;\beta,\;\gamma,\;\delta\) des Schraubencomplexes \(3^{\text{ter}}\) Ordnung, dann hat das Cylindroid \((\alpha\beta)\) eine Schraube gemeinsam mit dem Cylindroid \((\gamma\delta)\).
Dafür, dass ein starrer Körper mit Freiheit \(3^{\text{ter}}\) Ordnung im Gleichgewichte unter Wirkung der Schwerkraft sei, wird als nothwendige und hinreichende Bedingung Folgendes aufgestellt:
Die Verticale, die durch das Trägheitscentrum geht, muss eine der Generatricen auf der Gewindesteigungsfläche des reciproken Systems sein. Das Trägheitscentrum muss auf einer Gewindesteigung Null liegen, welche zu dem Schraubencomplexe gehört, und daher wird der Zwang, welcher für das Gleichgewicht eines Körpers nöthig ist, der Freiheit von der \(3^{\text{ter}}\) Ordnung hat, unter Wirkung der Schwerkraft eine Rotation des Körpers um eine bestimmte Linie, welche durch das Trägheitscentrum geht, gestatten.
Das Poinsot’sche Moment-Ellipsoid wird in der Schraubentheorie zu einem speciellen Fall eines anderen Ellipsoids, des Trägheitsellipsoids.
Die kinetische Energie eines starren Körpers, welcher mit einer gegebener Schraubengeschwindigkeit um einen gegebenen Schraubencomplex \(3^{\text{ter}}\) Ordnung schraubt, ist proportional dem umgekehrten Quadrate des parallelen Durchmessers dieses Ellipsoids, und ein System von drei conjugirten Durchmessern dieses Ellipsoids ist parallel einem System von drei conjugirten Trägheitsschrauben, welche zu dem Schraubencomplexe gehören. Es werden noch manche andere wichtige Eigenschaften der Freiheit \(3^{\text{ten}}\) Grades gegeben; wir müssen aber betreffs dieser, wie anderer wichtiger Resultate, um des beschränkten Raumes willen, auf die Arbeit selbst verweisen.
Ein Auszug von Verfasser selbst findet sich Clebsch Ann. IX. 541-553.