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Newton and the classical theory of probability. (English) Zbl 0236.01004

Der Titel dieses 27 Seiten langen Aufsatzes kann leicht mißverstanden werden: Es handelt sich hier nicht um die Darstellung von Newtons Verhältnis zur klassischen Wahrscheinlichkeitstheorie im Rahmen seiner mathematischen Arbeiten, also um die Darstellung eines Teilgebiets der von Newton bearbeiteten Mathematik, sondern um den Versuch einer Würdigung der besonderen Rolle Newtons für die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitstheorie vom 17. bis ins 19. Jh. Eine besondere Schwierigkeit dieses sehr anspruchsvollen Versuches scheint mit darin zu liegen, daß die nahezu einzigen direkten Bezüge Newtons zur Wahrscheinlichkeitstheorie, die im Abschnitt 1.1. der Arbeit abgehandelt werden, aus der ersten Entwicklungsphase des jungen Newton stammen, der damals unter anderem die Exercitationes mathematicae von van Schooten studierte, als deren Anhang der Traktat von Huygens De Ratiociniis in ludo aleae erschienen war. Dieser Traktat von Huygens nun war es, der Newton zu einigen Übungen veranlaßte, die sich natürlich ganz im Rahmen der von Huygens geschaffenen Glücksspielterminologie bewegten. Der Schluß nun, daß diese auf ein paar Seiten eines Manuskripts des jungen Newton hinterlassenen Studien, die sich ja hauptsächtlich um den Inhalt der Exercitationes mathematicae van Schootens drehten, nun in direkten Zusammenhang gebracht werden können mit späteren Arbeiten Newtons, in denen auf Grund unseres heutigen Wissens etwa einer Fehlertheorie oder irgendwelcher wahrscheinlichkeitstheoretischer Anwendungen in der Astronomie, Chronologie oder allgemein bei Experimenten äquivalente Uberlegungen zu finden sind, bedürfte einer genauen Begründung, einer Begründung, die vom Verf. des Aufsatzes offenbar als trivial und deshalb überflüssig angesehen wurde.
Die von diesen mit einem Fragezeichen zu versehenden probabilistischen Elementen in Newtons mathematischem Werk unabhängige Darstellung des Verhältnisses de Moivres zu den kosmologisch-philosophischen Ideen Newtons, auf die Karl Pearson zuerst hingewiesen hat, ist sauber herausgearbeitet. Ebenso wurde die sich auf die neueste Sekundärliteratur stützende weitere Entwicklung des Newton-de Moivreschen Wahrscheinlichkeitsbegriffs zum Laplaceschen berücksichtigt. Ob sich hier die behauptete Äquivalenz der von Thomas von Aquin, Jakob Bernoulli und Laplace verwendeten Wahrscheinlichkeit mit der heute sogenannten subjektiven Wahrscheinlichkeit als tatsächlich richtig erweist, muß einer genaueren historischen Untersuchung vorbehalten bleiben.
In einem Addendum wird Lambert vorgestellt als der erste, der einen einer heute sogenannten objektiven Wahrscheinlichkeit äquivalenten Begriff hatte. Die Hereinnahme von Aristotelesstellen als Beleg für probabilistische Ideen im Corpus Aristotelicum erscheint problematisch.
Insgesamt handelt es sich jedoch um eine mit wenigen Ausnahmen sehr gut belegte – Zitate in Originalsprache, ohne Übersetzung – Arbeit, in der allerdings eine solche Fülle von Problemen angeschnitten ist, daß ihre vollständige Darstellung wohl den Rahmen eines Buches erforderlich machen wird.

MSC:

01A45 History of mathematics in the 17th century
01A50 History of mathematics in the 18th century
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