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ADB:Wolff, Pius Alexander

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Artikel „Wolff, Pius Alexander“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 45–51, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wolff,_Pius_Alexander&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 09:57 Uhr UTC)
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Wolff: Pius Alexander W. wurde am 3. Mai 1782 zu Augsburg als Sohn des Buchhändlers Franz Xaver W. geboren. Seine erste Erziehung und seinen ersten Unterricht erhielt er im elterlichen Hause durch einen Hauslehrer. Hierauf besuchte er das Jesuiten-Collegium zu St. Salvador in seiner Vaterstadt, wo er sich für den geistlichen Stand ausbilden sollte. Als aber seiner Mutter ein blühendes Geschäft durch Erbschaft zufiel, änderten die Eltern ihren Plan und bestimmten Pius Alexander für den kaufmännischen Beruf. Sie schickten ihn frühzeitig auf Reisen und gaben ihm so Gelegenheit, sich Geschäftskenntniß und gewandtes Auftreten anzueignen. Da W. eine lebhafte Neigung für die Wissenschaft hatte, suchte er sich selbständig fortzubilden. Er lernte das Französische, Englische, Italienische und Spanische und las die besten Schriftsteller in diesen Sprachen, übte sich im Zeichnen und Malen, trieb Musik und versuchte sich sogar als Dichter. Am 9. September 1797 kam er nach Berlin als Lehrling [46] in der Schropp’schen Kunst- und Landkartenhandlung, deren Inhaber ein Verwandter seiner Mutter war, und war hier drei Jahre lang thätig. In Berlin zog ihn namentlich der Besuch des Theaters an, an dem damals Iffland, Fleck und Bethmann mit großem Erfolg auftraten. Nachdem er Berlin am 2. Mai 1800 wieder verlassen und sich eine Zeitlang in seiner Vaterstadt aufgehalten hatte, unternahm er Ende des Jahres 1800 eine Reise an den Rhein, die ihn über Schaffhausen nach Basel, Colmar und Straßburg führte. In Straßburg gab er bei Gelegenheit einer Liebhaberaufführung in einem Familienkreise, in dem er Zutritt erhalten hatte, die ersten Proben seiner schauspielerischen Kunst. Nach der Rückkehr in seine Heimath gründete er unter den gebildeten jungen Leuten Augsburgs eine Dilettantengesellschaft, bei deren Aufführungen er viel Beifall fand. Auf diese Weise befestigte sich in ihm mehr und mehr der Entschluß, sich der Bühnenlaufbahn zu widmen. Doch durfte er, solange sein Vater lebte, an die Ausführung seines Planes nicht denken. Erst als dieser am 29. Januar 1803 gestorben war, machte er Ernst damit und begab sich ohne Vorwissen seiner Mutter nach Weimar, wo er durch Goethe in die Schauspielkunst und in die schöne Litteratur eingeführt zu werden hoffte. Auf der Reise dahin traf er am 28. Juni 1803 in Nürnberg mit Karl Franz Grüner, einem Augsburger Bekannten, zusammen, der bisher als Militär gedient hatte und sich nunmehr gleichfalls zum Schauspieler ausbilden lassen wollte. Mit ihm zusammen traf W. am 21. Juli 1803 in Weimar an, wo sie sich sofort Goethe vorstellen ließen. Goethe, der sich damals, wie er selbst erzählt, „das Theaterwesen ziemlich aus dem Sinn geschlagen hatte“, ließ sich durch die beiden jungen Leute zu erneuter Thätigkeit für die Bühne bestimmen. Da er gerade Zeit hatte, auch einer heiteren Ruhe genoß, begann er mit ihnen gründlich Didaskalien, aus denen sich dann seine berühmt gewordenen „Regeln für Schauspieler“ entwickelten, auch schrieb er persönlich an Wolff’s Mutter, um sie über den Schritt ihres Sohnes zu beruhigen. W. wurde auf drei Jahre engagirt, mußte aber vorher eine halbjährige Probezeit absolviren. Er hat seinem Lehrmeister Goethe die größte Ehre gemacht und ist einer der treuesten Apostel des Dichters in Deutschland geworden, sodaß Goethe im Gespräch mit Eckermann von ihm rühmen konnte: „So viel ich auch ins Ganze gewirkt habe und so manches durch mich angeregt worden ist, so kann ich doch nur einen Menschen, der sich ganz nach meinem Sinne von Grund auf gebildet hat, nennen: das war der Schauspieler W.!“ Goethe trat mit W. und seinen Collegen in persönliche Beziehungen, suchte sie durch seinen Umgang moralisch zu heben und ihren Geschmack durch ihre Verwendung in guten Stücken zu läutern, ein Bestreben, bei dem ihn Schiller nach Kräften unterstützte. Keiner hat jedoch von Goethe’s Einflüssen mehr profitirt wie W. „Wie ein Kind“, bemerkt Holtei, „hat W. seinen Lehrer, wie ein Vater hat Goethe seinen Zögling geliebt. Und dies Band der Geister und Herzen hat gehalten bis in die spätesten Tage, bis zum letzten Augenblicke, wo Goethe von seinem Landsitze aus sich in herzlich bekümmerten Zeilen um den Zustand des Sterbenden erkundigte“. Am 1. October 1803 trat W. zum ersten Male auf der Weimarer Bühne auf. Man gab Shakespeare’s „Julius Cäsar“ zum ersten Mal, und W. waren die drei kleinen Rollen des Cinna, Marcellus und Massala anvertraut. Die erste größere Rolle, die ihm Goethe übertragen hatte, war der Seïde in dem von ihm bearbeiteten Mahomet Voltaire’s. Goethe war mit Wolff’s Durchführung so zufrieden, daß er ihn von da ab sehr häufig zunächst in kleineren Rollen beschäftigte, doch dauerte es verhältnißmäßig lang, bis W. das Fach fand, für das sich seine Begabung am meisten eignete. Er war kein Kraft-Genie, sondern strebte stets mit größtem Eifer nach jener formellen Vollendung, die auch das Ziel der Goethe’schen Theaterschule war. [47] Wie sehr ihn Goethe schon damals schätzt, erkennt man am besten aus der Thatsache, daß er schon am 26. Mai 1804 Wolff’s erste dramatische Arbeit, „Die drei Gefangenen“, ein Lustspiel in fünf Acten nach dem Französischen des Dupaty, aufführen ließ. Das Stück wurde mit viel Beifall aufgenommen und hat sich lange auf dem Repertoire der deutschen Bühnen gehalten. Auch im folgenden Jahre erschienen zwei kleinere dramatische Arbeiten Wolff’s auf der Weimarer Bühne. Am 2. Februar 1805 gab man das in Versen geschriebene einactige Lustspiel: „Der Selbstgefällige“ und am 8. Mai folgte die einactige Posse: „Bankerott aus Liebe“. Beide Stücke sind verloren gegangen. Dasselbe Jahr erweitert auch das Repertoire Wolff’s als Darsteller. Unter anderem spielte er den Derwisch Al Hafi in Lessing’s „Nathan“ und schuf vor allem drei Rollen, mit denen er in das Gebiet seiner eigenthümlichsten Begabung eintrat: den Anton in Iffland’s „Jägern“, den Leicester in Schiller’s „Maria Stuart“ und den Weislingen in Goethe’s „Götz“. Namentlich behandelle er die Rolle des Leicester mit wachsender Vollendung, weshalb seine Auffassung später als mustergiltig angesehen wurde. Zur weiteren künstlerischen Entwicklung Wolff’s trug seine eheliche Verbindung mit Anna Amalie Becker, die von ihnen am 26. December 1804 geschlossen wurde, ganz wesentlich bei. Sie war am 11. December 1783 als die Tochter des Schauspielers Malcolmi geboren und hatte schon mit acht Jahren als Justel im „Alchymisten“ in Weimar debutirt. Seitdem blieb sie in Verbindung mit der Weimarer Bühne. Corona Schröter wurde ihre Lehrerin in der Kunst der Sprache und Darstellung, und am 30. December 1794 erfolgte ihre erste Anstellung an dem Theater in Weimar. Nach dem Tode der Christiane Neumann-Becker übernahm sie einen Theil der von jener gespielten Rollen, bis sie sich als Solisa in Schlegel’s „Alarcos“ am 29. Mai 1802 Bahn brach und sich seitdem mehr und mehr zur ersten tragischen Heldinnenspielerin der Weimarer Bühne aufschwang. Auf Goethe’s Wunsch übernahm sie am 19. März 1803 die Rolle der Isabella in der ersten Aufführung von Schiller’s „Braut von Messina“ und gefiel in ihr selbst Schiller, der anfangs Bedenken gegen sie gehabt hatte, ausnehmend. Im J. 1803 vermählte sie sich mit dem Regisseur Heinrich Becker, der in erster Ehe mit Christiane Neumann verheirathet gewesen war. Doch wurde diese Ehe, da die beiden Gatten wenig mit einander harmonirten, nach kaum einem Jahre wieder aufgelöst. Für W. dagegen bot seine Frau die wünschenswertheste Ergänzung, da sie mehr Temperament wie er besaß und den öfters Zaghaften mit sich fortriß. „W. gewann durch diese Ehe an innerem Halt, sie schützte ihn vor vielen Irrthümern und trug dazu bei, sein künstlerisches Streben rein zu erhalten“. Ihr Zusammenspiel auf der Bühne brachte eine Reihe der höchsten Kunstgenüsse, z. B. im „Tasso“, wo W. die Titelrolle und seine Frau die Prinzessin gab, oder in der „Iphigenie“, und „Romeo und Julia“, Rollen, an die sie ihre ganze künstlerische Kraft mit Erfolg zu setzen pflegten. Die kriegerischen Ereignisse des Jahres 1806 bereiteten dem Ehepaare mancherlei Unannehmlichkeiten. W. büßte bei der Plünderung Weimars durch die Franzosen einen Theil seiner Habe ein, was für die jungen Leute um so mehr empfindlich war, je weniger glänzend damals ihre äußeren Verhältnisse waren. Im J. 1807 betheiligten sie sich an dem Gastspiel des Weimarer Theaters in Leipzig, wo namentlich Amalie W. großen Erfolg hatte. Während des Fürstencongresses in Erfurt im J. 1808 hatte W. Gelegenheit, den berühmten Talma spielen zu sehen. Als Talma auf Goethe’s Veranlassung Weimar besuchte, trat W. mit ihm in nähere Beziehung, und es entspann sich zwischen den beiden Männern ein Freundschaftsverhältniß, das erst durch den Tod Talma’s gelöst wurde. Am 17. Mai 1809 trat W. in Weimar zum ersten Mal als Hamlet in der Uebersetzung Schlegel’s auf und [48] bot in seiner Darstellung dieser Rolle eine Leistung ersten Ranges, die von der Kritik allseitig als solche anerkannt worden ist. Noch größer jedoch war der Triumph, den er und seine Frau feierten, als sie am 24. Februar 1810 in Zacharias Werner’s gleichnamigem Stück den Kurt und die Trude creirten. Goethe sagte darüber: „Der vierundzwanzigste Februar von Werner, an seinem Tage aufgeführt, war vollends ein Triumph vollkommener Darstellung. Das Schreckliche des Stoffs verschwand vor der Reinheit und Sicherheit der Ausführung; dem aufmerksamen Kenner blieb nichts zu wünschen übrig“. Bald darauf erschien eine neue Arbeit Wolff’s, das fünfactige Lustspiel „Cäsario“, das von den Zeitgenossen unter Wolff’s Stücken zum Theil am meisten gepriesen wurde, auf der Bühne zu Weimar. Das Gastspiel, das Iffland im Herbste 1810 in Weimar absolvirte, hatte für W. und seine Frau den Vortheil, daß sie von Iffland zu einem Gastspiel in Berlin aufgefordert wurden. Dieses konnte jedoch erst im J. 1811 vor sich gehen, da das Ehepaar vorher keinen Urlaub erhielt und Goethe überhaupt das Auftreten der Weimarer Künstler auf fremden Bühnen zu verhindern suchte. Das Ehepaar reiste am 18. April 1811 von Weimar zunächst nach Leipzig, wo es in aller Eile in einer Reihe von Vorstellungen auftrat, und traf am 30. April in Berlin ein, um in den mit Iffland bereits vereinbarten Stücken mitzuwirken. Für W. lagen die Berliner Verhältnisse jedoch ungünstig. Gerade diejenigen Dramen, in denen er sich am meisten auszeichnete, wie „Hamlet“ und „Tasso“, waren in Berlin überhaupt nicht einstudirt, und dann durfte er nach den Bestimmungen der Berliner Theater nicht gemeinsam mit seiner Frau auftreten, während sich doch erst im Zusammenspiel mit ihr sein Talent voll und ganz zu entfalten pflegte. Dazu kam noch der wichtige Umstand, daß der Unterschied zwischen Iffland’s und Goethe’s Auffassung über die Aufgabe der Schauspielkunst so groß war, daß W. in Berlin zunächst höchst befremdend wirken mußte. Die Meinungen der Berliner waren daher sehr getheilt. Man warf den Wolffs Unnatur und Steifheit vor, erkannte aber die gute Schule ihres Vortrags und ihr Eingehen auf die Absichten des Dichters an. Besonders gefiel die Iphigenie der Wolff und sein Posa. W. selbst zog aus dem Gastspiel den Gewinn, daß er es sich fortan mit besonderem Eifer angelegen sein ließ, die idealistische und realistische Darstellungsweise zu einer Einheit zu verschmelzen. Nachdem das Ehepaar auch auf der Rückreise noch einmal an fünf Abenden in Leipzig gastirt hatte, nahm es seine Thätigkeit in Weimar wieder auf, wo sie Goethe fortwährend durch die Anerkennung ihrer Leistungen auszeichnete, wofür die Zeilen, die er Madame W. zu ihrem Geburtstag am 10. December 1812 sandte, ein bleibender Beweis sind. Trotzdem lagen in den dortigen Verhältnissen die Keime zu allerlei Mißhelligkeiten, die schließlich dazu führten, daß sich das Künstlerpaar nach einem anderweitigen Engagement umsah. W. strebte danach, in das Amt eines Regisseurs einzurücken, konnte aber sein Ziel nicht erreichen, da ihm Genast feindlich gegenüberstand und auch Kirms anfing, sein freundschaftliches Verhalten gegen ihn zu ändern. W. war daher geneigt, auf das Anerbieten des Grafen Brühl, der nach Iffland’s Tode die Leitung des Berliner Hoftheaters übernommen hatte, nach Ablauf seines Weimarer Contractes einzugehen und reichte am 28. September 1815 zugleich im Namen seiner Frau sein Entlassungsgesuch bei Goethe ein, das dieser durch ein Schreiben am 27. October, wenn auch höchst ungern, zustimmend beantwortete. Leider folgten auf diesen Bescheid noch eine Reihe unerquicklicher Auseinandersetzungen mit der Theatercommission, da Kirms von W. die Rückgabe einiger Garderobestücke und die Rückzahlung von Vorschüssen verlangte. Es kam zu kleinlichen Reibereien, und das gute Einvernehmen, in dem W. bis dahin zu Goethe gestanden hatte, endete zunächst mit einem häßlichen Mißklang. Am 23. März 1816 [49] verabschiedeten sich die Wolffs in „Romeo und Julia“ von dem Weimarer Publicum, das seine ehemaligen Lieblinge, wie es scheint, nicht besonders auszeichnete. Indessen legte sich Goethe’s Groll bald wieder, und schon am Vorabend vor Wolff’s Abreise nach Berlin ertheilte er Zelter den Auftrag, ihm zu berichten, wie sie in Berlin aufgenommen würden. In Berlin sollten Wolff’s ein jährliches Gehalt von 3000 Thalern erhalten; zunächst aber bekam Frau W. davon 1700 und W. selbst 1000 Thaler, doch änderten sich diese Bestimmungen später zu Wolff’s Gunsten, indem ihm eine erhebliche Gehaltsverbesserung zugebilligt wurde. Am 23. April 1816 trat W. zum ersten Mal in Berlin als Hamlet als Mitglied der Kgl. Bühne auf. Im Vergleich zu seinem früheren Gastspiel erkannte man allgemein seine bedeutenden Fortschritte an, und Zelter konnte Goethe berichten, daß er mit seinem Zögling Ehre einlege. Dagegen konnte sich Frau W. bei ihrem Debüt als Phädra nicht gegen den Eindruck behaupten, den ihre Vorgängerin, Frau Bethmann, gerade mit dieser Rolle hinterlassen hatte. Ueberhaupt hatte das Ehepaar anfangs weder beim Publicum, noch bei der Tageskritik einen leichten Stand. Man vermißte in ihrem Spiel die in Berlin gewohnte größere Lebendigkeit und Natürlichkeit. Merkwürdiger Weise richtete sich jedoch die Gegnerschaft des Berliner Publicums mehr gegen die Frau, als gegen ihren Gemahl, während sie früher weit besser als er gefallen hatte. Mehr und mehr gewannen sie aber auch in Berlin festen Boden, namentlich nachdem W. von dem Grafen Brühl die Regie für das Trauer- und Schauspiel übertragen worden war. Den ersten größeren Erfolg erzielte er mit der Aufführung von Calderon’s „standhaftem Prinzen“ am 15. October 1816. W. erntete in dieser Rolle, die er schon in Weimar gespielt hatte, „den allergrößten und wohlverdienten Ruhm“. Aber so angenehm sich im Laufe der Zeit die künstlerische Wirksamkeit in Berlin für W. und seine Frau gestaltete, so wollte ihnen doch das geräuschvolle Leben der großen Stadt gar nicht behagen. Sie zogen sich daher gern von der Gesellschaft zurück und verkehrten womöglich nur in einem kleinen Kreis näherer Freunde, namentlich im Hause der Familie Beer und in der sogen. Mittwochsgesellschaft, einer Vereinigung von Künstlern, Schriftstellern und Kunstliebhabern. Der Brand des Berliner Schauspielhauses am 29. Juli 1817 brachte für W. die Unannehmlichkeit mit sich, daß er gezwungen war, fortan bei den in den übergroßen Raum des Opernhauses verlegten Vorstellungen sein Organ mehr, als es seiner ohnehin schwachen Gesundheit dienlich war, auzustrengen. Er fing mehr und mehr an zu kränkeln und machte im Herbste des Jahres 1821 eine Gehirnentzündung durch, die ihn vier Wochen hindurch am Lesen und am Sprechen verhinderte. Trotzdem pflegte er nicht nur seinen Berliner Verpflichtungen gewissenhaft nachzukommen und seine eigene dramatische Production fortzusetzen – im J. 1818 vollendete er die Posse: „Der Hund des Aubry“ und am 14. März 1821 wurde „Preciosa“ zum ersten Mal in Berlin gegeben –, sondern er ging auch häufig auf Gastspielreisen, namentlich nach Leipzig, wo das Ehepaar immer mit Jubel aufgenommen wurde. Einen durchschlagenden Erfolg erzielte es auch, als es am 10. April 1822 als Orest und Iphigenie in Dresden auftrat. Der bleibende Gewinn dieses Dresdener Gastspiels war die Bekanntschaft mit Ludwig Tieck, die drei Jahre später dazu führte, daß Tieck sich bemühte, die Wolffs für die Dresdner Bühne zu gewinnen. Heimgekehrt nach Berlin, erkrankte W. an einem schleichenden Fieber, das ihn bis zum Januar 1823 abhielt, seine Thätigkeit als Schauspieler fortzusetzen. Um sich gründlich zu erholen, reiste er im J. 1824 auf mehrere Wochen nach Südfrankreich, kehrte aber nur wenig gebessert nach Berlin zurück, um bald darauf ernstliche Unterhandlungen wegen eines Engagements in Dresden [50] aufzunehmen, das ihm wegen seiner Lage und wegen der größeren Billigkeit aller Lebensverhältnisse mehr zusagte als Berlin. Man bot Wolffs in Dresden ein Gehalt von 4000 Thalern auf Lebenszeit und zeigte sich auch sonst bereit, jeden ihrer Wünsche zu erfüllen, aber der König Friedrich Wilhelm III. schlug das Entlassungsgesuch des Paares zwar unter schmeichelhafter Anerkennung ihrer Leistungen, aber rundweg ab. Schlimmer als diese vereitelte Hoffnung auf eine Verbesserung seiner materiellen Lage war die fortschreitende Verschlechterung von Wolff’s Gesundheitszustand. Nachdem er bereits im J. 1823 sein Amt als Regisseur niedergelegt hatte und nur noch selten in Berlin aufzutreten pflegte, mußte er im Herbste 1825 um einen längeren Urlaub einkommen, der ihm auch bereitwilligst vom Könige gewährt wurde. Er ging auf den Wunsch der Aerzte nach Nizza, fühlte sich jedoch nicht wohl, weshalb er im December nach Lyon übersiedelte. Von da aus begab er sich nach Paris, um Theaterangelegenheiten zu ordnen. Er traf hier noch einmal mit Talma zusammen, wurde aber durch den wenige Monate nach dieser Begegnung eintretenden Tod Talma’s doppelt schmerzlich berührt. Von Paris aus reiste er zum Gebrauch der Kur nach Ems und kehrte nach fast zehnmonatlicher Abwesenheit scheinbar neugestärkt nach Berlin zurück. Indessen beruhte sein Wohlgefühl auf einer Täuschung. Die Kehlkopfschwindsucht, an der er litt, griff immer mehr um sich und beraubte ihn beinahe ein Jahr lang der Sprache. Noch einmal hoffte er Heilung von einer Emser Cur; als er jedoch sein Ende herannahen fühlte, strengte er alle seine Kräfte an, um wieder nach Hause zu gelangen. Er kam jedoch nicht weiter, als bis nach Weimar, wo er liegen bleiben mußte und am 28. August 1828, am Geburtstage Goethe’s, starb. Am 31. August, an einem Sonntage, wurde er beerdigt, wobei ihm sein Freund und und früherer College Oels die Grabrede hielt, während Goethe, der sich gerade in Dornburg aufhielt, eine aus Epheu geflochtene Lyra zum Aufhängen über sein Grab schickte. Mitte October kehrte Amalie W. nach Berlin zurück, wo sie unter lebhafter Anerkennung des Publicums bis zum Jahre 1844 an der Bühne thätig war, die sie erst verließ, als ein hartnäckiges Augenleiden ihr weiteres Auftreten unmöglich machte. Sie lebte seitdem noch sieben Jahre, rüstigen Geistes, aber körperlich gebrochen, und starb erst am 18. August 1851. Ihre Ruhestätte wurde ihr auf dem Dreifaltigkeitskirchhof in Berlin bereitet. Wenn W. als Schauspieler heute nur noch in Kreisen bekannt ist, die sich mit der Geschichte der classischen Periode unserer Litteratur beschäftigen, so lebt sein Name doch noch unter allen Theaterfreunden fort, da sich sein Schauspiel „Preciosa“ noch immer auf dem Repertoire erhalten hat, obwol es bereits in den Jahren 1809 und 1810 entstanden ist. Diesen Erfolg verdankt W. allerdings nicht bloß seiner eigenen Kraft, sondern mindestens in demselben Maße der Musik Karl Maria von Weber’s, der für die eingestreuten volksthümlichen Lieder: „Einsam bin ich, nicht alleine“, „Im Wald, im Wald, im frischen grünen Wald“, und „Es blinken so lustig die Sterne“ die geeigneten Weisen gefunden und auch sonst durch seine Musik das Werk geadelt hat. W. hat das Stück in Anlehnung an die Novelle: „La Gitanella“ von Cervantes gedichtet, sich aber die Freiheit genommen, das Leben und Treiben der Zigeuner das er bei dem spanischen Dichter getreu dargestellt fand, zu idealisiren und eine Reihe humoristischer Figuren hinzuzuerfinden. Uebrigens wird das Stück gegenwärtig nicht in der Fassung gegeben, in der es im Mai 1812 zum ersten Mal in Leipzig über die Bühne ging, sondern in einer Ueberarbeitung, die W. mit ihm in den Jahren 1819 und 1820 vornahm, und in der es am 14. März 1821 in Berlin zum ersten Mal gespielt wurde. Es hat seitdem eine kaum zu übersehende Anzahl von Aufführungen an allen größeren und kleineren deutschen Bühnen erlebt und wird schon wegen der Musik Weber’s nicht sobald von den [51] Theatern verschwinden. Es ist sogar in fremde Sprachen übersetzt worden, z. B. ins Dänische und Englische und, arg zu einer Oper verstümmelt, auch ins Französische. Mit seinen übrigen dramatischen Arbeiten, die meist unter der Neigung zur Sentimentalität leiden, hat W. sich nicht auf der Bühne behaupten können. Seine Begabung war am gr��ßten für die Lyrik, für das Drama brachte er wol die Gabe, komische Situationen zu erfinden, mit, doch ließ er sich verleiten, seine Gestalten zu grotesk auszugestalten und verfiel daher nicht selten in den Fehler der Caricatur, woraus es sich erklärt, daß sich seine Lustspiele und Possen mit dem Wechsel des Geschmackes ziemlich rasch überlebten.

Das Hauptwerk über W. ist: M. Martersteig, Pius Alexander Wolff. Ein biographischer Beitrag zur Theater- und Litteraturgeschichte. Leipzig 1879. Vgl. die Besprechung in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 26. März 1879 mit der ergänzenden Anmerkung über die Familie Wolff’s. Aus der älteren Litteratur sind vornehmlich folgende Werke zu berücksichtigen: Saat von Goethe gesäet. Weimar und Leipzig 1808. S. 80, 81, 93–95, 103, 104, 115, 116, 135, 136, 141, 142, 144, 145, 162, 163, 191, 196, 198, 213, 221, 222, 244, 245, 247, 248. – E. Pasqué, Goethe’s Theaterleitung in Weimar. Leipzig 1863. Bd. II (Register). – J. V. Teichmann’s Litterarischer Nachlaß. Stuttgart 1863. S. 334–346 u. a. St. – F. Gleich, Aus der Bühnenwelt. Leipzig 1866. II, 9–20. – W. G. Gotthardi, Weimarische Theaterbilder aus Goethe’s Zeit. Jena und Leipzig 1865. II, 38–51. – E. W. Weber, Zur Geschichte des Weimarischen Theaters. Weimar 1865. S. 212, 214, 217–219. – F. W. Gubitz, Erlebnisse. Berlin 1869. III, 297–302. – Karoline Bauer, Aus meinem Bühnenleben. Herausgegeben von A. Wellmer. Berlin 1871. S. 108–111, 121–124. – Dieselbe, Komödianten-Fahrten. Berlin 1875. S. 57–60. – Nach Martersteig haben sich eingehender mit W. beschäftigt: K. Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung. Dresden 1881. III, S. 946, 947, 1184. – Leonhard Lier im „Bär“. Berlin 1889. XV, 278, wo einer der handschriftlich erhaltenen Briefe Wolff’s an Böttiger im Besitz der kgl. öffentlichen Bibliothek in Dresden abgedruckt ist, in dem von der von Martersteig übersehenen Mitwirkung Wolff’s an der Aufführung von Scenen des Faustes im Hause des Fürsten Radziwill im Mai 1819 die Rede ist. – J. Wahle, Das Weimarer Hoftheater unter Goethe’s Leitung. Weimar 1892 Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd. 6 (mit Martersteig unbekannt gebliebenen Briefen Wolff’s an Blümner. Vgl. das Register). – Max Koch, Ein Brief Goethe’s nebst Auszügen aus Briefen Pius Alexander Wolff’s in den Studien zur Litteraturgeschichte. Michael Bernays gewidmet von Schülern und Freunden. Hamburg und Leipzig 1893. S. 19 bis 39. – L. Geiger, Berlin 1688–1840. Berlin 1895. II (Register).