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ADB:Schulenburg, Matthias Graf von der

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Artikel „Schulenburg, Matthias Johann (Graf) von der“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 667–674, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulenburg,_Matthias_Graf_von_der&oldid=- (Version vom 13. November 2024, 14:35 Uhr UTC)
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Schulenburg: Matthias Johann (Graf) v. d. S., Feldherr, geboren am 8. August 1661 zu Emden, einem nordwestlich von Magdeburg gelegenen Familiengute, entstammte der weißen Linie des Geschlechts und war der Sohn Gustav Adolf’s v. d. S., der als kurbrandenburgischer Geheimrath, Kammerpräsident zu Magdeburg und Halle, sowie Hauptmann der Aemter Giebichenstein und Moritzburg am 27. October 1691 gestorben ist. Dieser hatte sich am 25. October 1658 mit Petronella Ottilie v. Schwencken vermählt, die einem jetzt erloschenen westfälischen Geschlechte angehörte und am 20. April 1674 verschied; eine zweite Ehe ging er am 8. November 1676 mit Anna Elisabeth v. Stammer ein († 30. December 1722). Da Matthias v. d. S., der Vater Gustav Adolf’s, am 17. Januar 1656 in zerrütteten Vermögensumständen gestorben war, so lebte auch dieser in beschränkten Verhältnissen. Das hinderte aber nicht, daß die Kinder eine sorgsame Erziehung erhielten. Matthias Joh., der älteste Sohn aus erster Ehe, bekam mit seinem wenig jüngeren Bruder Daniel Bodo (geb. 21. December 1662) zuerst Privatunterricht. Anfangs des Jahres 1676 wurden sie auf die Schule in Magdeburg geschickt. Wenn sie hier nicht bis 1680 geblieben sind, so werden sie wohl noch eine deutsche Universität besucht haben. In Helmstedt, wie man wohl angenommen hat, sind sie jedoch in dieser Zeit [668] nicht immatriculirt worden. Im Frühjahr 1680 bezogen dann beide Brüder mit einem Hofmeister die Hochschule zu Saumur in der Bretagne. Nachdem sie hier bis zum Herbste 1683 verweilt hatten, verbrachten sie den nachfolgenden Winter in Paris. Von dort war Daniel Bodo schon im Mai 1684 wieder nach Emden zurückgekehrt, während Matthias Joh. wegen der in Frankreich gemachten Schulden noch 3 Monate länger ausblieb. Auf der Rückreise wohnte Letzterer den von den Franzosen gegen Luxemburg unternommenen Operationen bei, wodurch wohl zuerst die Neigung für das Kriegsfach in ihm erweckt wurde. Der Vater wünschte dagegen, daß der Sohn, der sich eine vielseitige, gediegene Bildung erworben hatte, eine Laufbahn in dem Civil- und Hofdienste einschlagen möchte. Auf Veranlassung Friedrich Achaz’ v. d. S., Matthias’ Schwagers, der die Stellung eines Geheimraths in Wolfenbüttel bekleidete, trat Matthias Joh. in Braunschweig-Wolfenbüttel’sche Dienste, in denen er unterm 18. September 1685 als Kammerjunker angestellt wurde. Nicht lange darauf muß er auch in den Militärdienst getreten sein. Denn 1687 und 1688 betheiligte er sich an dem Feldzuge in Ungarn, insbesondere auch an der Eroberung Belgrads, wie es scheint als Freiwilliger, da Wolfenbüttel’sche Truppen in diesen Jahren dort nicht gekämpft haben. Bald nachher war er wieder in Wolfenbüttel, wo er unterm 26. Sept. 1688 zum Oberkammerjunker ernannt wurde und etwa um dieselbe Zeit als Hauptmann eine Compagnie Infanterie erhielt. Mit dieser machte er 1689 den Krieg gegen Frankreich mit, wo er an den beiden bedeutendsten Ereignissen des Jahres, der Eroberung von Mainz (11. Septbr.) unter dem Herzoge Karl Leopold von Lothringen und der von Bonn (12. October) unter dem Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, Theil nahm. In der Folge war er auch bei dem Heere in Flandern beschäftigt; 1690 wurde er zum Major, 1692 zum Oberstlieutenant befördert. Als solcher zeichnete er sich namentlich nach der unglücklichen Belagerung der Ebernburg auf dem Rückzuge durch die geschickte Leitung der Nachhut aus. Es war dies eine Aufgabe, die er in seinem Kriegsleben noch wiederholt in bewunderungswerther Weise ausführen sollte. Im folgenden Jahre wurde er zum Oberst eines Dragonerregiments ernannt. Da ein Angriff des Königs von Dänemark auf das Herzogthum Lauenburg Ende des Sommers 1693 zur Rückberufung der Braunschweigischen Truppen nöthigte, so mußte auch S. den Kriegsschauplatz verlassen. Als dann aber wolfenbüttel’scherseits im Anfang Juni 1694 auf’s neue Subsidienverträge mit Holland und England wegen Stellung von Soldaten abgeschlossen wurden, führte S. noch in demselben Monate zwei Infanterieregimenter und sein Dragonerregiment nach Flandern. Daneben waren seiner Leitung die beiden jungen Braunschweig-Bevern’schen Prinzen August Ferdinand und Ferdinand Albrecht, damit sie von ihm in das Kriegswesen eingeführt würden, anvertraut. Da er bald nach seiner Ankunft in Löwen eine sehr gefährliche Krankheit durchmachen mußte, so konnte er erst am Feldzuge des folgenden Jahres theilnehmen, wo er sich bei der Einnahme von Namur (5. Sept.) rühmlich hervorthat. Neben diesen militärischen Diensten führte S. die letzten Jahre hindurch vielfach an den verschiedensten Höfen auch diplomatische Aufträge seiner Herzöge aus. Es handelte sich für diese hauptsächlich darum, den Bestrebungen der Vettern der jüngeren Linie, die sich damals mit Erfolg um die Kurwürde bewarben, entgegenzuwirken. Zu dem Ende reiste S. nach Kassel, Darmstadt, Stuttgart, Gotha, Münster u. a. O., und so sind die Unionsrecesse der correspondirenden Fürsten, die in dieser Zeit abgeschlossen wurden und die recht eigentlich die Vereitelung der hannover’schen Wünsche zum Zwecke hatten, nicht unwesentlich durch ihn zu Stande gebracht worden. Im Januar 1696 bemühte er sich in Brüssel, jedoch ohne großen Erfolg, den Kurfürsten von Baiern, der sich dort als General-Gouverneur der spanischen Niederlande aufhielt, gegen die [669] neunte Kur zu gewinnen. Im Sommer des folgenden Jahres war er in der Begleitung des Geheimen Raths Friedrich v. Steinberg, jedoch nur als Beobachter, bei dem Friedenscongresse zu Ryswick anwesend. In dieser Zeit entschloß er sich, da er sich nach einem größeren Felde der Thätigkeit sehnte, den braunschweigischen Dienst zu verlassen; doch blieb er mit dem Herzoge Anton Ulrich, für den er eine große Verehrung besaß, bis an dessen Lebensende in freundlichen Beziehungen, die sich dann auch zwischen ihm und des Herzogs Enkelin Elisabeth Christine, der Gemahlin Kaiser Karl’s VI., fortsetzten. Die letzte Sendung im braunschweigischen Auftrage führte er von Februar bis April 1698 in Paris aus, wo er den französischen Hof ebenfalls gegen die neue Kur zu gewinnen suchte.

Dann begab er sich nach Turin, wo er als Generalmajor und Oberst eines deutschen Infanterieregiments in die Dienste des Herzogs Victor Amadeus von Savoyen trat. Hier nahm er 1699 an dem Feldzuge gegen die Aufrührer in den Waldenser Thälern Theil und 1701 an dem spanischen Erbfolgekriege. Da der Herzog von Savoyen sich mit Frankreich verbunden hatte, so mußte S. hier gegen die Oesterreicher unter Prinz Eugen von Savoyen fechten, doch machte ihn bald eine gefährliche Verwundung, die er in der Schlacht bei Chiari empfing, vorläufig zu weiterem Kriegsdienste unfähig. Da er gegen seine deutschen Landsleute nicht länger kämpfen wollte, so nahm er im Winter auf 1702 unter dem Vorwande, Privatangelegenheiten ordnen zu müssen, Urlaub nach Deutschland; Ende Februar war er in Dresden, wo sein Bruder Daniel Bodo bereits als Oberst stand. Ursprünglich hatte er die Absicht, zu König Wilhelm III. nach Holland zu gehen; nach der Nachricht von dessen Tode († 19. März 1702) entschloß er sich aber ebenfalls als Generallieutenant in sächsische Dienste zu treten. Der bislang unglücklich geführte Krieg gegen Karl XII. von Schweden, der Warschau besetzt hielt, versprach seinem Thatendrange hier ein reiches Feld der Wirksamkeit. Im Anfang des Juli 1702 traf er mit den Truppen, die er von Sachsen durch Oberschlesien geführt hatte, bei dem Könige August dem Starken, der seit 1697 mit dem Kurfürstenthume Sachsen das Königreich Polen unter seiner Herrschaft vereinigte, in Krakau ein, früh genug, um am 17. Juli noch an der Schlacht bei Clissow theil zu nehmen, die besonders durch des Königs und des Feldmarschalls Steinau Schuld einen so unglücklichen Ausgang nahm. S. commandirte die sächsische Infanterie auf dem linken Flügel des Heeres, und es gelang ihm diese ohne bedeutenden Verlust zurückzuführen. Besonders unglücklich war aber für ihn persönlich dieser Tag dadurch, daß er an ihm mit seinem Gepäck seine ganze Sammlung militärischer Handschriften einbüßte. Im folgenden Jahre befehligte S. das sächsische Hülfscorps, das König August nach dem Allianzvertrage vom 16. Januar 1702 dem Kaiser stellen mußte. Im Frühjahre 1703 brach er mit demselben von Böhmen auf und vereinigte sich mit dem kaiserlichen Heere unter Feldmarschall Graf Schlick bei Passau. Auch dieser Feldzug lief ungünstig für Schulenburg’s Partei ab. In dem Gefechte bei Eisenbirn blieben die Gegner unter dem Kurfürsten von Baiern Sieger und ebenso in der Schlacht bei Hochstedt, die am 21. September gegen den Kurfürsten und den Marschall de Villars geliefert wurde. Uebrigens trug S. an diesen Niederlagen keine Schuld; wurden seine Rathschläge doch von den Oberbefehlshabern zu ihrem Nachtheile nichts weniger als befolgt, hatte er doch in dem letzteren Treffen den Angriff des Generals d’Usson siegreich zurückgeschlagen, und ist die Möglichkeit des Rückzugs doch zumeist seinem muthigen Eingreifen zu danken. Inzwischen hatte man auch in Polen unglücklich gekämpft, so daß man selbst einen Angriff der Schweden auf die sächsischen Erblande besorgte. Der König ertheilte daher S., der in Ravensburg im Winterquartiere weilte, die unbedingte Vorschrift, für den Frühling 1704 mit seinen Regimentern zurückzukehren. Da [670] dies Markgraf Ludwig von Baden, der als Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen sein Hauptquartier in Aschaffenburg hatte, niemals gestattet haben würde, so führte S. jenen Befehl so schnell und geschickt aus, daß ein Widerstand des Markgrafen zu spät gekommen wäre, und traf im Mai 1704 mit seinem Corps bei Dresden ein. Als er sich so seines Auftrages glücklich entledigt hatte, forderte er infolge von Anfeindungen, die er erfahren hatte, seinen Abschied, um in kaiserliche Dienste zu treten. Doch ließ er sich halten und übernahm wieder ein Commando in Polen. Der Operationsplan, den er entwarf, wurde abermals nicht befolgt und der Oberbefehl dem Feldmarschall Steinau übertragen, der solcher Aufgabe keineswegs gewachsen war. Anfangs kämpfte S. selbständig bei Posen, wo er gegen den schwedischen General Meyerfeldt trotz der feigen Flucht der sächsischen Cavallerie ein glückliches Gefecht lieferte. Von dem Könige an die Weichsel gerufen, vereinigte er sich mit ihm am 18. September bei Wisogrod und leitete später in meisterhafter Weise den Rückzug der Sachsen in die Heimath, die von den Schweden unter König Karl XII. bis an die Oder unaufhörlich verfolgt wurden. Die standhafte Abwehr der dreimal mit Uebermacht anstürmenden Schweden bei Punitz am 7. November war der erste Sieg, der über Karl XII. davon getragen wurde. Zur Anerkennung seines Verdienstes wurde S. bald darauf zum General befördert. Streitigkeiten, die er mit Kameraden, insbesondere mit dem Grafen Flemming, hatte, sowie Anerbietungen, die ihm von Hessen-Kassel und Venedig aus gemacht wurden, veranlaßten ihn auf’s neue, um seine Entlassung zu bitten, doch wurde ihm diese abermals abgeschlagen und ihm der Oberbefehl über die Infanterie ertheilt, während Flemming das Commando über die Reiterei gegeben ward, und Steinau in venetianische Dienste trat. Nachdem S. dann im J. 1705 in Guben eine ernste Krankheit bestanden hatte, erschien er zu Anfang 1706 wieder auf dem polnischen Kriegsschauplatze. Hier erlitt er durch die jämmerliche Haltung der Truppen, die bei dem Nahen der Schweden in eine panische Flucht geriethen, am 13. Februar bei Fraustadt von dem schwedischen General Rhenschild eine vollständige Niederlage; selbst verwundet konnte er sich nur mit Mühe in Begleitung eines Adjutanten und eines Reitknechts in Sicherheit bringen. Schleunigst suchte er dann in Sachsen Truppen zu organisiren, um den drohenden Angriff Karl’s XII. abzuwehren. Doch als dieser nahte, sah er sich zu schwach, um ihm entgegentreten zu können. Er zog sich erst auf das linke Elbufer, dann über Naumburg, Weimar nach dem Thüringerwalde zurück, wohin ihn bis Ilmenau die Schweden verfolgten. S. rückte dann, aller Geldmittel entblößt, über Hildburghausen nach Fulda weiter, in der Absicht, das sächsische Corps als Reichscontingent von dem Markgrafen Ludwig von Baden annehmen zu lassen; mit Mühe erreichte er, daß drei Bataillone vor Philippsburg aufgenommen wurden. Dann ging er, nachdem kurz vorher (24. September) der Friede von Altranstedt zwischen Schweden und Sachsen abgeschlossen worden war, nach Warschau zum Könige, der ihn anfangs etwas kühl empfing, aber später das ihm widerfahrene Mißgeschick in keiner Weise nachtrug. Zum Feldmarschall und Oberbefehlshaber des sächsischen Heeres wurde Ogilvy ernannt, der aus russischen Diensten übergetreten war. S. wurde zunächst nur zu diplomatischen Sendungen gebraucht. Da die Subsidientruppen, welche Sachsen nach dem Vertrage vom 20. April 1707 für den niederrheinischen Feldzug zu stellen hatte, der Generallieutenant Graf Wackerbarth befehligte, so nahm S. an demselben eigentlich nur als Beobachter theil. Wie bedeutend aber sein militärischer Ruf schon damals war, geht deutlich daraus hervor, daß ihn der Prinz Eugen wie der Herzog von Marlborough zu ihren Berathungen zuzogen, ja letzterer ihm sogar offen einen Theil des Erfolges zumaß. So hat dort S. alle wichtigen Kriegsereignisse der Zeit, die Schlacht bei Oudenarde (11. Juli [671] 1708), die Eroberung der Stadt und Citadelle von Lille (22. October und 9. December), die Einnahme von Gent u. s. w. miterlebt. Im Anfang des folgenden Jahres bereitete er im Haag eine neue Convention über das sächsische Truppencorps vor, die am 22. Februar zum Abschluß kam. Unterm 18. März erhielt er über dasselbe dann auch den Oberbefehl, so daß er von nun an nicht nur mit Rath, sondern auch mit der That sich an dem Feldzuge betheiligte. Unter seiner Leitung nahm an demselben auch der natürliche Sohn des Königs und der Gräfin Königsmark, Graf Moritz von Sachsen, theil, der demnächst seinem Lehrmeister durch seine Kriegsthaten auf demselben Gebiete noch so hohe Ehre machen sollte. Bei der Belagerung von Tournay, der Stadt wie der Citadelle, leitete S. selbst je eine der Attaquen und ist seinem planvollen Vorgehen in beiden Fällen die Eroberung nicht zum mindesten mit zu danken. Auch an der blutigen Schlacht bei Malplaquet am 11. September 1709 gegen Marschall de Villars nahm S., welcher die Infanterie des Prinzen Eugen und den Angriff des rechten Flügels befehligte, ruhmvollen Antheil. Von den Unternehmungen des Jahres 1710 ist S. insbesondere bei der Belagerung der Festung Bethune, die sich am 28. August ergab, betheiligt gewesen. Als am 10. October 1710 Ogilvy starb, wurde S. zwar das Regiment, dessen Inhaber jener bis dahin gewesen war, verliehen, den Oberbefehl aber über das ganze sächsische Heer erhielt sein alter Widersacher Flemming. Hierin sah S. eine persönliche Zurücksetzung und er forderte daher für den Fall, daß die sächsischen Truppen in die Heimath zurückkehren oder sonst anderweitig verwandt werden sollten, seine Entlassung. Diese wurde ihm im April 1711 in ehrenvollster Weise zugleich mit einer Gratification von 12 000 Thalern gegeben.

Länger als vier Jahre verlebte nun S. ohne dienstliche Stellung. Aber auch in dieser Zeit verfolgte er die politischen und militärischen Ereignisse mit lebhaftem Interesse, und nahm er an einigen derselben nicht unwesentlichen Antheil. So wirkte er in Gemeinschaft mit dem kurpfälzischen Gesandten in London, Baron Steinghens, eifrig für die braunschweigische Thronfolge in England. Auch erneute er manche vertraute Verbindung mit hervorragenden Männern der Zeit, theils auf seinen Reisen, die er in Deutschland, England und auch in Frankreich machte, wo er z. B. in Bourbourg den Militärschriftsteller Ritter v. Follard kennen lernte, theils auch auf seinem Gute in Emden, wo ihn im November 1714 Leibniz besuchte. Seine und seiner Freunde Bemühungen, ihm wieder eine angemessene Stellung zu verschaffen, blieben längere Zeit erfolglos. So mißlang der 1711 gemachte Versuch Marlborough’s, ihn in holländische Dienste zu bringen. Sehr erwünscht wäre S. ein Posten im kaiserlichen Heere gewesen; um ihm zu einem solchen zu verhelfen, schrieb sein ehemaliger Landesherr, Herzog Anton Ulrich zu Braunschweig und Lüneburg, an seinen Großschwiegersohn, den Kaiser Karl VI. Da aber der Prinz Eugen diesem Wunsche offenbar nicht geneigt war, so ging er nicht in Erfüllung. Dagegen unterstützte der Prinz den Eintritt Schulenburg’s in die Dienste der Republik Venedig, mit der mehrere Jahre bereits Verhandlungen stattfanden, die von S. schon einmal abgebrochen waren, im October 1715 aber zu einem glücklichen Abschlusse kamen. Er verpflichtete sich hiernach, als Feldmarschall für drei Jahre den Oberbefehl über alle venetianischen Landtruppen zu übernehmen. Zu derselben Zeit wurde S. nebst seinen Brüdern Daniel Bodo und Wilhelm Friedrich und seinen Schwestern Ehrengard Melusine und Margarethe Gertrud unterm 14. October 1715 in den Grafenstand erhoben.

Als S. im December 1715 sein Amt in Venedig antrat, hatte die Republik im Kampfe mit der Pforte bereits erhebliche Verluste erlitten. Morea und die letzten venetianischen Plätze auf Candia waren in dem Feldzuge des vergangenen [672] Jahres von den Türken erobert worden. Es galt ihrem Vorschreiten jetzt einen festen Damm entgegenzusetzen und insbesondere die Insel Corfu, die man mit Recht als das letzte Bollwerk der Christenheit gegen das Osmanenthum ansah, mit Erfolg zu vertheidigen. Daher betrachtete es S. als seine erste Aufgabe, hier die arg vernachlässigten Befestigungen einigermaßen in Stand zu setzen und genügende Hülfskräfte zu ihrer Vertheidigung heranzuziehen. Mit Umsicht und Eifer leitete er persönlich die Vertheidigungsanstalten und blieb bei der Wichtigkeit des Platzes auch in der Festung, als die Türken unter dem Capudan Bassa am 8. Juli auf der Insel landeten und die Belagerung der Festung mit unverhältnißmäßiger Uebermacht in Angriff nahmen. Trotz der Mangelhaftigkeit der in großer Eile mit Mühe hergestellten Festungswerke, den unzureichenden Vertheidigungskräften und der Zurückhaltung der venetianischen Flotte, die die gewünschte Unterstützung schmerzlich vermissen ließ, gelang es den wohlüberlegten Maaßregeln Schulenburg’s nicht nur der mit großem Geschicke und bedeutenden Mitteln planmäßig ins Werk gesetzten Belagerung einen unerwarteten, erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen, sondern auch am 19. August den muthvoll unternommenen Sturm der Türken – allerdings mit Einsatz seiner ganzen Person – siegreich zurückzuschlagen. Die Wirkung dieses Widerstandes war eine nicht geahnte. Mochte sich die Nachricht von Eugen’s Siege bei Peterwardein am 5. August inzwischen im türkischen Lager verbreitet haben, mochte die Furcht vor einer Gefährdung des Rückzuges durch die venetianische Flotte oder die bevorstehende ungünstige Jahreszeit hinzukommen: genug, die Belagerung wurde aufgehoben und die Türken zogen mit Hinterlassung zahlreichen Kriegsgeräths und großer Vorräthe davon. Das war ein Erfolg, der im ganzen christlichen Europa den gewaltigsten Eindruck hervorrief; S. war der gefeierte Held des Tages. Die Republik Venedig verlieh ihm einen lebenslänglichen Gehalt von 5000 venetianischen Dukaten, sowie einen kostbaren Ehrendegen, und man beschloß, ihm auf der Stätte seines Ruhmes in Corfu ein Denkmal zu setzen, das, von Imbianchi in Marmor ausgeführt, wenige Jahre nachher (1718) aufgestellt wurde. S. suchte sogleich den errungenen Vortheil auszunutzen. Die Festung Butrinto, Corfu gegenüber auf dem Festlande gelegen, wurde ohne Mühe eingenommen. Er hätte gern ganz Albanien den Türken entrissen, doch war leider sein Rath nicht immer maßgebend; widerstrebend mußte er dem Wunsche des Flottencommandeurs nachgeben und einen Angriff auf Prevesa und Vonizza unternehmen, der vorläufig mißlang und erst bei besserer Vorbereitung im folgenden Jahre glückte. Der Schlüssel zu dem Meerbusen von Arta fiel somit in Venedigs Hände. Trotz der Bedeutung dieser Plätze hatte S. bald nachher, als die Seemacht unglücklich operirt hatte, alle Mühe, den kleinmüthigen Plan zu verhindern, die Befestigung dieser Orte zu sprengen, um sie dadurch dem Gegner als künftige Stützpunkte zu entziehen. Erst im Jahre 1718 kam es zum Angriff auf Albanien, aber leider wurde er auch jetzt nicht nach Schulenburg’s Plan ausgeführt, und so verlief er im Grunde ohne Erfolg. Man belagerte Dulcigno, als die Nachricht vom Frieden von Passarowitz einlief. Trotzdem ließen die Türken treulos von Feindseligkeiten gegen die abziehenden Truppen nicht ab, und S. hatte noch einmal Gelegenheit, sein großes Geschick in der Leitung von Rückzügen auf das glänzendste zu bewähren. Venedig erhielt im Frieden die eroberten Plätze Butrinto, Prevesa und Vonizza, mußte aber die früher verlorenen Orte auf Candia, sowie Morea an die Pforte abtreten.

Seitdem hat S. den Rest seines Lebens im Frieden verlebt. Er blieb in Venedig, wo alle drei Jahre der Vertrag mit ihm auf die nämliche Zeit erneuert wurde. Sein Hauptbestreben ging nun dahin, der Republik gegenüber der Pforte eine so starke Stellung wie irgend möglich zu verschaffen. Mit allen [673] Kräften suchte er daher die Insel Corfu, sowie die festen Plätze in Dalmatien, Albanien, sowie auf der westlichen Küste von Epirus in leicht vertheidigungsfähigen Zustand zu setzen. In umfangreichen lichtvollen Denkschriften legte er der Regierung die Pläne hierzu vor und stets war er selbst rastlos auf das eifrigste bemüht, dieselben an Ort und Stelle zur Ausführung zu bringen. Es war das Ergebniß von 13 arbeitsvollen Jahren, daß er so Corfu zu einem der stärksten Plätze von Europa gestaltete. Nicht minder suchte S. durch Beseitigung bedeutender Mängel ein brauchbares Heer zu schaffen, vor allem schon in Friedenszeiten den für den Krieg erforderlichen Bestand von Truppen vorzubereiten. Er drang auf Abschaffung der bei der Rekrutirung üblichen Mißbräuche und war bemüht, eine zweckmäßige Gestaltung der Milizen ins Werk zu setzen, indem er – in beachtenswerther Weise schon damals erst später zur Geltung gelangte Ideen vertretend – alle sechs Monate ein Drittel derselben entlassen wollte, um sie durch neue zu ersetzen. Er strebte feste Cadres aufzustellen, in denen sich die Truppenzahl je nach Erforderniß mit Leichtigkeit vermehren oder vermindern ließ, und so zu vermeiden, daß im Kriege neue Körper errichtet, im Frieden aber bestehende aufgelöst werden müßten. Als seine Vorschläge nicht so, wie er im Interesse der Sache glaubte fordern zu müssen, befolgt wurden, verlangte er im September 1733 seinen Abschied. Da jedoch gerade in dieser Zeit zwischen Sardinien und Frankreich einer- und Oesterreich andrerseits ein neuer Krieg ausbrach, so ließ er sich nochmals auf drei Jahre für die Republik verpflichten. An der Spitze eines achtunggebietenden Heeres nahm er in Verona seinen Wohnsitz, um von hier aus die Vorgänge zu beobachten und durch sichere Wahrung der Neutralität Venedig den Frieden zu erhalten. Im folgenden Jahre erging von Oesterreich aus der Antrag an ihn, der vom Könige von Preußen als seinem Landesherrn befürwortet wurde, als Feldmarschall den Oberbefehl eines kaiserlichen Heeres zu übernehmen. Er war dazu bereit, wenn er in Venedig von seinen noch für zwei Jahre bestehenden Pflichten entbunden würde. Doch da die Regierung ihm den Abschied versagte, so wies er ein erneutes Angebot pflichttreu mit Entschiedenheit zurück. Zum Danke dieser treuen Gesinnung und seiner vielen erworbenen Verdienste bestätigte ihm jetzt die Republik Venedig, was niemals vordem geschehen war, unterm 23. December 1734 seine Feldmarschallwürde auf Lebenszeit. So lehnte S. denn auch 1737 den ehrenvollen Ruf König Friedrich Wilhelm I. von Preußen ab, der ihm bereits 1720 den Schwarzen Adlerorden verliehen hatte und jetzt den schon 1722 gemachten Versuch erneuerte, ihn als Feldmarschall nach Berlin zu ziehen. Aber trotz der Auszeichnungen, die S. von Venedig andauernd so reichlich zu theil wurden, und die bei den schwierigen Verhältnissen dieses Staatswesens doppelt ehrenvoll waren, verhielt man sich seinen auf die Reorganisation des Heeres gerichteten Wünschen gegenüber zurückhaltend. Dennoch wurde er nicht müde, seine Forderungen immer auf’s neue wieder geltend zu machen, noch am 13. Juli 1746 erstattete er darüber einen eingehenden Bericht, der sein letzter bleiben sollte. Als er 1738 zu Venedig eine gefährliche Krankheit bestanden hatte, wankte seine Gesundheit; es überkam ihn im folgenden Jahre ein lethargischer Anfall, der sich von Zeit zu Zeit wiederholte. Dessenungeachtet begab er sich 1742 nach Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges abermals zur Sicherung der Neutralität Venedigs nach Verona. Hier ist er dann am 14. März 1747 gestorben und am 18. März auf das feierlichste beigesetzt worden. Wenige Tage darauf beschloß man ihm im Arsenal zu Venedig ein würdiges Grabmal zu errichten.

Die Liebe zur Kriegskunst bethätigte S. nicht nur durch ihre praktische Ausübung, sondern auch durch eifrige wissenschaftliche Beschäftigung mit ihr. Er verfaßte zahlreiche Arbeiten, die die Kriegswissenschaft in geschichtlicher wie theoretischer [674] Hinsicht betreffen und die zumeist erst lange nach seinem Tode in die Oeffentlichkeit gelangt sind. Eine Uebersicht über dieselben findet sich in den unten erwähnten Denkwürdigkeiten II, 316 ff.

S. ist niemals verheirathet gewesen. Da auch seine schon genannten Brüder Daniel Bodo († am 15. Dec. 1732) und sein Halbbruder Friedrich Wilhelm, der in kurbraunschweigische Hofdienste trat († am 13. Jan. 1720), unvermählt starben, so fiel das Familienstammgut Emden als Mannlehngut an die Söhne von ihres Vaters älterem Bruder, Alexander v. d. S. auf Altenhausen, dessen Nachkommen es noch heute besitzen. Obwohl S. die Kinder dreier seiner Schwestern auf das reichlichste unterstützte, und auch bei dem drohenden Vermögensverfalle seines Bruders Daniel Bodo mit seinen Mitteln großmüthig aushalf, so hinterließ er doch ein sehr beträchtliches Vermögen, mit dem er, ebenso wie mit seiner an Kunstwerken reichen Bildergalerie, zufolge des am 16. Nov. 1740 zu Susignana errichteten Testamentes außer zahlreichen Legaten ein Fideicommiß begründete. Dieses erhielt als Universalerbe der kurbraunschweigische Oberjägermeister Christian Günther v. d. S., Besitzer von Hehlen, der älteste Sohn seiner ältesten Schwester Margarethe Gertrud, die sich am 28. Juli 1681 mit dem oben genannten braunschweigisch-wolfenbüttelschen Geheimrath Friedrich Achaz v. d. S. vermählt hatte. Er kaufte mit jenem Gelde das Gut Groß-Krankow in Mecklenburg-Schwerin; sein Bruder Adolf Friedrich, der als Preußischer Generallieutenant 1741 in der Schlacht bei Mollwitz blieb, war der Lieblingsneffe des Feldmarschalls. Beide Brüder, die Stammväter der Häuser Hehlen, Wolfsburg, Beetzendorf, Detzel und Ramstedt und Closterroda, sind unterm 7. December 1728 gleichfalls in den Grafenstand erhoben worden. Die zweite Schwester Schulenburg’s war die Geliebte des Kurprinzen und späteren Königs Georg I. von England, die am 23. Mai 1743 als Reichsfürstin v. Eberstein gestorben ist; die dritte, Sophie Juliane, heirathete 1691 den kurbraunschweigischen Oberjägermeister Christoph Graf v. Oeynhausen, deren ältester Sohn Ludwig Ferdinand neben seinem Vaternamen den der Grafen S. setzte und als k. k. Generalfeldzeugmeister am 16. Februar 1754 in Wien gestorben ist. Von den beiden übrigen Schwestern war Anna Elisabeth seit 1694 mit dem kurbraunschweigischen Oberschenk Georg Friedrich v. Spörken, Johanne Auguste, eine Halbschwester, seit 1687 mit Werner Ludwig Spiegel v. Pickelsheim auf Seggerde vermählt. Das Bildniß Schulenburg’s überliefert uns u. a. ein Stich von Marco Pitteri nach einem Bilde von Carlo Franc. Rusca, der ihn wiederholt gemalt hat. Ein von Hyacinthe Rigaud gefertigtes Brustbild Schulenburg’s besitzt das herzogliche Museum zu Braunschweig. Auch sind fünf Medaillen auf ihn geschlagen worden, die zumeist ebenfalls sein Bildniß zeigen. Viele Erinnerungen an seine ruhmreichen Feldzüge, wie türkische Trophäen, Waffen u. s. w. befinden sich noch jetzt im Besitze der Familie zu Hehlen.

Vgl. Stammtafeln des Schulenburgischen Geschlechts. Hg. von Friedrich Albrecht Graf v. d. Schulenburg auf Closterroda (Wien 1821), insbes. Anhang I, 26 ff. – Leben und Denkwürdigkeiten Joh. Matthias Reichsgrafen von der Schulenburg. Aus Originalquellen bearbeitet (von Fr. Albr. Graf v. d. S. auf Cl.) I. II. Leipzig 1834. – Joh. Fr. Danneil, Das Geschlecht der von der Schulenburg II, 598–619 (Salzwedel 1847). In den geschichtlichen Angaben ist nicht überall ganz zuverlässig die anziehende Schilderung von Varnhagen von Ense in dessen Biographischen Denkmalen (Berlin 1824) S. 131–284.