Juan Rulfo

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Juan Rulfo

Juan Rulfo (* 16. Mai 1917 in Apulco, Distrikt Sayula, Bundesstaat Jalisco; † 7. Januar 1986 in Mexiko-Stadt) war ein mexikanischer Schriftsteller und Drehbuchautor.

Juan Rulfo wurde am 16. Mai 1917 in Apulco im Distrikt Sayula geboren. Wenig später zog die Familie nach San Gabriel um, wo er seine Kindheit verbrachte. Die Ermordung seines Vaters 1923 und der mexikanische Bürgerkrieg, die Guerra Cristera (1926–1929), waren einschneidende Ereignisse für den Jungen. Die Familie verarmte. 1927 starb seine Mutter. Rulfo lebte kurze Zeit bei seiner Großmutter, kam dann als Vollwaise in ein Waisenhaus und wurde Schüler des Kollegs von Guadalajara, wo er 1932 das Abitur (bachillerato) ablegte. Ende 1935 zog er nach Mexiko-Stadt. Sein Plan, Literatur zu studieren, scheiterte. 1936 nahm er eine Stelle als Beamter bei der Einwanderungsbehörde an.

Eine erste literarische Arbeit erschien 1940, das Fragment eines Romans, den er jedoch später zerstörte. 1942 erschien seine erste Erzählung La vida no es muy seria en sus cosas, und er begann, für die Zeitschrift América zu arbeiten. 1946 kehrte er nach sechsjähriger Tätigkeit in Guadalajara nach Mexiko-Stadt zurück und heiratete ein Jahr später Clara Aparicio, mit der er drei Kinder hatte. Bis 1954 arbeitete er bei Goodrich im Automobil-Sektor als Publizist und Verkäufer, wobei er durch das ganze Land reiste.

1953 erschien seine Kurzgeschichtensammlung Der Llano in Flammen (El Llano en llamas), die ihm ein Stipendium der Rockefeller-Stiftung einbrachte. 1955 erschien der, mehrfach verfilmte, Kurzroman Pedro Páramo, ein Blick auf das Leben von der anderen Seite des Grabes.[1] 1956 zog die Familie nach Veracruz um, wo Rulfo in einem Bewässerungsprojekt mitarbeitete. 1957 kehrte er nach Mexiko-Stadt zurück und begann, Drehbücher zu schreiben. 1959 arbeitete er für den Sender Televicentro. 1960 erschien der Film El despojo, zu dem er das Drehbuch geschrieben hatte. 1961 wurde er Berater des Centro de Escritores Mexicanos. 1962 kehrte er wieder nach Mexico-Stadt zurück und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung am Instituto Indigenista. 1965 erschien ein weiterer Film, La fórmula secreta, zu dem Rulfo wiederum das Drehbuch verfasst hatte. Nebenbei war er ein exzellenter Fotograf, der die soziale Realität und die Landschaften Mexikos einfing.

1982 war Rulfo Gast des West-Berliner Festivals Horizonte Festival der Weltkulturen; Günter Grass las damals aus seinem Werk. Am 7. Januar 1986 starb er in Mexiko-Stadt.[2]

Rulfo arbeitete im Hauptberuf als Regierungsbeamter und hegte nicht den Wunsch, die Schriftstellerei professionell zu betreiben. Sein literarisches Werk umfasst nicht viel mehr als die Kurzgeschichtensammlung El Llano en llamas (1953, dt.: Der Llano in Flammen) und den Roman Pedro Páramo (1955). In diesen beiden Werken verdichtet er die erbärmliche, harte und grausame Welt auf dem mexikanischen Land mittels einer knappen, auf das literarisch Notwendige reduzierten Sprache.

Diese beiden schmalen Bände reichten aus, um ihn zu einem der wichtigsten Protagonisten der zeitgenössischen lateinamerikanischen Literatur zu machen und mit Juan José Arreola zu den bedeutendsten Schriftstellern Mexikos zu avancieren. Viele lateinamerikanische Schriftsteller, die am literarischen Boom in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts teilhatten, wurden von diesen Werken beeinflusst. Der Spanier Alberto Olmos nennt Rulfo ausdrücklich sein literarisches Vorbild; so erinnern die Stimmen der beiden Protagonistinnen aus dem Nichts in El estatus an die Stimmen der Toten in Rulfos Pedro Páramo.[3]

Klaus-Dieter Ertler charakterisierte Rulfos Werk folgendermaßen: „Auf einen Nenner gebracht, könnte man behaupten, daß es die fiktionalisierte Mexikanität war, die den narrativen Texten Rulfos trotz regionaler Verwurzelung ihren hohen Grad an Universalität verlieh.“[4]

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Carlos Rincón: Nachwort zu Der Llano in Flammen. Verlag Volk und Welt, Berlin, 1974
  • Carlos Blanco Aguinaga: Realität und Erzählstil bei Juan Rulfo. In: Michi Strausfeld (Hrsg.): Materialien zur lateinamerikanischen Literatur. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976, ISBN 3-518-06841-5, S. 113–137 (2. Aufl. 1989 unter dem Titel Lateinamerikanische Literatur, dort S. 143–166).
  • Reinhold Wolff: Juan Rulfo. In: Wolfgang Eitel (Hrsg.): Lateinamerikanische Literatur der Gegenwart in Einzeldarstellungen (= Kröners Taschenausgabe. Band 462). Kröner, Stuttgart 1978, ISBN 3-520-46201-X, S. 361–383.
  • Hans-Joachim Müller: Der Machismo als Rezeptionsgrundlage für Juan Rulfos „Pedro Páramo“. In: José Manuel López de Abiada, Titus Heydenreich (Hrsg.): Iberoamérica – Homenaje a Gustav Siebenmann. Band 2, Wilhelm Fink, München 1983, ISBN 3-7705-2154-4, S. 611–630.
  • Fabio Jurado Valencia: El lugar de Dios en la Narrativa de Rulfo. In: Consejo Episcopal Latinoamericano (Hrsg.): ¿Agoniza dios? La problemática de dios en la novela latinoamericana (= Documentos CELAM. Band 98). CELAM, Bogotá 1988, ISBN 958-625-095-4, S. 179–188.
  • Silvia Lorente-Murphy: Juan Rulfo. Realidad y mito de la Revolución Mexicana. Editorial Pliegos, Madrid 1988, ISBN 84-86214-35-1.
  • Ursula Link-Heer: Juan Rulfo: „Pedro Páramo“. In: Volker Roloff, Harald Wentzlaff-Eggebert: Der hispanoamerikanische Roman. Band 1: Von den Anfängen bis Carpentier. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-11163-X, S. 266–278.
  • Vittoria Borsò: Mexiko jenseits der Einsamkeit: Versuch einer interkulturellen Analyse. Kritischer Rückblick auf die Diskurse des Magischen Realismus. Vervuert, Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-89354-855-6.
  • Harry L. Rosser: La visión fatalista de Juan Rulfo. In: Enrique Pupo-Walker (Hrsg.): El cuento hispanoamericano. Editorial Castalia, Madrid 1995, S. 325–346.
  • Reina Roffé: Juan Rulfo. Las mañas del zorro (Reihe Vidas de escritores). Espasa Calpe, Pozuelo de Alarcón (Madrid) 2003, ISBN 84-670-1047-9.
  • Nuria Amat: Juan Rulfo. Omega, Barcelona 2003, ISBN 84-282-1247-3.
  • Maximino Cacheiro Varela: La Poesía en Pedro Páramo. Huerga y Fierro Editores, Madrid 2004, ISBN 84-8374-489-9.
  • Ángel Arias: Entre la cruz y la sospecha. Los Cristeros de Revueltas, Yáñez y Rulfo. Vervuert, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-86527-130-8.
  • Andrew Dempsey: Juan Rulfo Fotógrafo. Consejo Nacional para la cultura y las artes, Mexiko-Stadt 2005, ISBN 970-35-0936-3.
  • Vittoria Borsò: Rulfo intermedial: passages entre textos, fotografía y cine. In: Uta Felten, Isabel Maurer Queipo, Alejandra Torres (Hrsg.): Intermedialität in Hispanoamerika: Brüche und Zwischenräume (= Siegener Forschungen zur romanischen Literatur- und Medienwissenschaft. Band 19). Stauffenburg Verlag Brigitte Narr, Tübingen 2007, ISBN 978-3-86057-539-0, S. 203–220.
  • Norman Valencia: Retóricas del poder y nombres del padre en la literatura latinoamericana. Paternalismo, política y forma literaria en Graciliano Ramos, Juan Rulfo, João Guimarães Rosa y José Lezama Lima. Vervuert, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-95487-516-0; darin das Kapitel „No se te olvide el don“: Pedro Paramo, tótem y tabú comalense.

Einzelnachweise

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  1. Alberto Toutin: De una vida amenazada a una vida anhelada. Atisbos a una teología de la vida en diálogo con la literatura. In: Teología y vida, ISSN 0049-3449, Jg. 48 (2007), S. 73–92.
  2. Juan Rulfo: Pedro Páramo. Edición de José Carlos González Boixo, Ediciones Cátedra, Madrid 2013, ISBN 978-84-376-0418-3, S. 16–17.
  3. Expertise zu Olmos von Sonja Finck. Olmos ist 2010 einer der "Best of Young Spanish Language Novelists" der renommierten britischen Literaturzeitschrift Granta
  4. Klaus-Dieter Ertler: Kleine Geschichte des lateinamerikanischen Romans: Strömungen – Autoren – Werke. Narr, Tübingen 2002, S. 185.