Johanna Tesch

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Johanna Friederike Tesch, geborene Carillon (* 24. März 1875 in Frankfurt am Main; † 13. März 1945 in Ravensbrück)[1] war eine deutsche Politikerin (SPD).

Geboren als fünftes Kind des aus Wehrheim im Taunus stammenden Schneidermeisters Johann Bernhard Carillon (1838–1908) und seiner Frau Johanna Maria, geb. Pauly (1842–1917). Johanna Carillon arbeitete bis zur Heirat 1899 im elterlichen Haushalt. Sie hatte drei Söhne. 1902 gehörte sie zu den Mitbegründern des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen und arbeitete führend im Verband der Haus- und Büroangestellten mit. 1906 wurde Tesch 1. Vorsitzende der Frankfurter Ortsgruppe des Zentralverbandes der Haus- und Büroangestellten, 1916 Mitglied der städtischen Deputation für Irre und Epileptische. In die SPD trat Tesch 1909 ein (bis 1908 war es Frauen in Preußen verboten, Mitglied einer politischen Partei zu werden). Als Eintrittsdatum wurde im Mitgliedsbuch 1902 angegeben.

Tesch war 1919 Abgeordnete der Deutschen Nationalversammlung und von 1920 bis 1924 Mitglied der SPD-Fraktion des Reichstags. Seit 1933 lebte sie zurückgezogen mit ihrem Ehemann im Frankfurter Stadtteil Riederwald.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurde Johanna Tesch am 22. August 1944 im Rahmen der Aktion Gitter im Alter von 69 Jahren von den Nationalsozialisten verhaftet und in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück gebracht, wo sie am 13. März 1945 an den Folgen der Haft (wahrscheinlich Unterernährung) starb. Ihr Mann Richard Tesch, der regelmäßig Briefe und Päckchen an Johanna Tesch im Konzentrationslager schickte, aber lange Zeit keine Antwort von seiner Frau bekam, wusste bis Juni 1945 nichts vom Tod seiner Frau. Ihren kurz vor ihrem Tod geschriebenen Abschiedsbrief erhielt er erst im Juli 1945 über Lore Wolf.

Tesch-Gedenkplakette an ihrem Wohnhaus in Frankfurt-Riederwald
U-Bahn-Station Johanna-Tesch-Platz

An ihrem Wohnhaus Am alten Volkshaus 1 (früher: Max-Hirsch-Str. 32) erinnert seit 1995 eine Gedenktafel an die „Streiterin für Demokratie und Gerechtigkeit“. Die Stadt Frankfurt am Main ehrte sie durch die Umbenennung des Schulze-Delitzsch-Platzes in Johanna-Tesch-Platz.

Berlin gedenkt der Frankfurterin mit einer der 96 Gedenktafeln für von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete in der Nähe des Reichstags sowie einer Straße in Niederschöneweide[2]. In Gummersbach ist ein Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt (AWO) nach ihr benannt. In Frankfurt am Main gibt es seit 2019 eine Johanna-Tesch-Schule.[3] Die SPD Frankfurt-Riederwald und die AWO Frankfurt haben einen Preis für soziales Engagement zu ihren Ehren gestiftet.

Anlässlich des 60. Todestages von Johanna Tesch veranstaltete die SPD am 18. März 2005 eine Gedenkveranstaltung und ein Erzählcafé. Am 13. März 2020, dem 75. Todestag, sollte im Institut für Stadtgeschichte ein Bildervortrag zum Leben und eine Lesung aus den Briefen Johanna Teschs stattfinden.[4] Diese Veranstaltung wurde wegen des Corona-Virus kurzfristig abgesagt und wurde am 7. Februar 2022 nachgeholt.[5]

Der Verein für Frankfurter Arbeitergeschichte hat gemeinsam mit der Enkelin Sonja Tesch den gesamten Briefwechsel von 1909 bis 1945 in einem Dokumentationsband herausgegeben. Die Zeit der parlamentarischen Arbeit und der politischen Agitation von 1919 bis 1925 wurde von den gleichen Herausgebern in einem kommentierten Band gemeinsam mit dem Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main herausgegeben.

Bruni Marx folgt in ihrem Stadtteilhistorikerprojekt den Spuren der Familie Tesch in Frankfurt am Main und hat dazu die Broschüre Leben und Wirken der Familie Tesch in Frankfurt am Main (2022) veröffentlicht.[6]

  • Johanna und Richard Tesch: Der Deiwel soll die ganze Politik holen. Ein Briefwechsel aus Deutschlands erster parlamentarischer Demokratie 1919–1925. Henrich, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-96320-055-7.
  • Johanna Tesch – Briefwechsel 1919–1945 Dokumentation. Hrsg. Verein für Frankfurter Arbeitergeschichte e. V. und Sonja Tesch. Frankfurt am Main 2020. Druckausgabe ISBN 978-3-7531-3705-6, Ausgabe als Epub ISBN 978-3-7531-5495-4
  • Bruni Marx (Hrsg.): Leben und Wirken der Familie Tesch in Frankfurt am Main. Broschüre, 2022. riederwald.org (PDF).
  • Johanna Tesch. In: Franz Osterroth: Biographisches Lexikon des Sozialismus. Band I. Verstorbene Persönlichkeiten. J. H. W. Dietz Nachf., Hannover 1960, S. 309.
  • Hanna Eckhardt: Johanna Tesch (1875¦1945). Frankfurter Streiterin für soziale Gerechtigkeit. In: Mitteilungsblatt des Vereins für Frankfurter Arbeitergeschichte, 2005, Band 19, Heft 31.
  • Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3., erheblich erweiterte und überarbeitete Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1.
  • Felix Blömeke: Tesch, Johanna Friederike. In: Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission. Band XIX, Nr. 2). Zweiter Band: M–Z. Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7829-0459-1, S. 464–465.
Commons: Johanna Tesch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Felix Blömeke: Tesch, Johanna Friederike. S. 464–465.
  2. Johanna-Tesch-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  3. Über uns. In: Johanna-Tesch-Schule. Abgerufen am 18. September 2020.
  4. Vortrag: „Heute habe ich etwas Haarwurzelkatarrh“ Johanna Tesch in ihren Briefen von 1919 bis 1925. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, 13. März 2020, abgerufen am 13. März 2020.
  5. Vortrag: „Heute habe ich etwas Haarwurzelkatarrh“. Institut für Stadtgeschichte Frankfurt, 17. April 2022, abgerufen am 17. April 2022.
  6. Bruni Marx (Hrsg.): Leben und Wirken der Familie Tesch in Frankfurt am Main. Broschüre, 2022. riederwald.org (PDF).