Fayyum-Becken

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Koordinaten: 29° 22′ 0″ N, 30° 47′ 0″ O

Reliefkarte: Ägypten
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Fayyum-Becken
Detail-Kartenblatt mit Fayyum-Becken
Fayyum-Oase

Das Fayyum-Becken, auch Fajum, Fajjum oder Faijum (arabisch الفيوم, DMG al-Fayyūm; koptisch pa iom „der See“), ist ein oasenartiges Becken im Gouvernement al-Fayyum in Ägypten (Afrika), an das im Nordwesten der Qarun-See anschließt. Dieses Oasen-Gebiet war bereits in antiker Zeit bekannt (Herodot und andere). Es ist zudem Teil der wissenschaftlich bedeutenden Fossillagerstätte Fayyum, deren wichtigsten Fundgebiete nördlich und westlich des Qarun-Sees liegen. Die Fossilien datieren in die Zeit vom ausgehenden Eozän bis in das beginnende Oligozän vor 40 bis 30 Mio. Jahren.

Das Gouvernement hat eine Fläche von 1827 km². Die Bevölkerung zur Volkszählung im Jahr 2006 betrug 2.512.792. Die Flächenangaben für das eigentliche Oasenbecken schwanken zwischen 1270 und 1700 km². Davon sind 1000 kultiviert.

Das Becken, das sich im nordöstlichen Ägypten südwestlich von Kairo und westlich des Nils befindet, ist ringsum von Hügel- und Bergzügen umgeben, die am Beckenrand im Gabal Katrīna („Katharinenberg“) bis 353 m hoch sind, im Hinterland aber noch weiter aufragen. Es steht über ein Tal, in dem der Bahr Yusuf („Josefs-Kanal“) verläuft, mit dem Niltal in Verbindung.

Während sein Südostteil bei Fayyum auf etwa 24 m Höhe liegt, fällt das Gelände des Fayyum-Beckens nach Nordwesten in eine Depression ab, ein bis 45 m unter dem Meeresspiegel liegendes Gebiet, in dem sich der 230 km² große und abflusslose Qarun-See gebildet hat.

Das Fayyum-Becken gilt als „Gemüsegarten Kairos“ und war in prädynastischer Zeit ein Sumpfgelände. Im Mittleren Reich wurden diese Sümpfe unter den Königen Amenemhet II. und Sesostris II. trockengelegt, um das Gebiet für die Landwirtschaft nutzbar zu machen.

Eine frühe Besiedlung der neolithischen Fayum-A-Kultur bestand im Fayyum-Becken ab etwa 4500 v. Chr.

Pharao Sesostris III. und sein Sohn Amenemhet III. (Regierungszeit 1878 v. Chr. bis 1814 v. Chr.) legten den riesigen Josefs-Kanal an, der den Nil mit den Sümpfen des Fayyum-Beckens verband. Ein ausgeklügeltes System von Dämmen, Stauseen und Seitenkanälen lenkte Wasser aus dem Nil in das Sumpfgebiet des Fayyum und schuf dort den riesigen künstlichen Moeris-See, der 50 Mrd. Kubikmeter Wasser enthielt. „Das Bauprojekt im Fayyum verschaffte dem Pharao die Möglichkeit, den Nil zu regulieren, zerstörerische Überschwemmungen zu verhindern und in Zeiten der Dürre das Land mit wertvollem Wasser zu versorgen. Außerdem machte es aus dem Sumpfgebiet des Fayyum-Beckens, das von unfruchtbarer Wüste umgeben war und in dem es vor Krokodilen nur so wimmelte, die Kornkammer Ägyptens. An den Ufern des künstlichen Sees entstand die neue Stadt Schedet, welche die Griechen «Krokodilopolis» nannten, Stadt der Krokodile. Sie wurde beherrscht vom Tempel des Krokodilgottes Sobek, der mit dem Pharao gleichgesetzt wurde.“[1]

Im Fayyum-Becken befand sich auch das von Herodot und Strabon beschriebene Labyrinth, der Totentempel von Pharao Amenemhet III. aus der 12. Dynastie. Er baute in der Nekropole Hawara die Hawara-Pyramide, der das Labyrinth vorgelagert war. Den Berichten zur Folge soll es mehr als 3000 (Herodot) bzw. mehr als 1500 (Strabon) Räume gehabt haben und laut Herodot haben „die oberen Räume das Maß von Menschenwerk überstiegen“.

Ptolemaios II. ließ zu Anfang des 3. Jahrhunderts v. Chr. griechische Veteranen ansiedeln und stieß so eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung an. Griechische Architekten legten zugleich einen künstlichen Stausee an, der genügend Wasser für eine zweite Ernte im Frühjahr lieferte. In der Folge entstanden 40 neue Orte im gesamten Becken.[2]

Im Zuge der ptolemäischen Rekultivierung des Fayyum wurden in größeren Orten umfangreiche Tempelanlagen errichtet. Diese Tempel waren mehrheitlich den lokalen Manifestationen des Krokodilgottes Sobek geweiht, der im Fayyum eine besondere Verehrung erfuhr.[3] Die Tempel und ihre Priester waren Schlüsselakteure im lokalen Sozial- und Wirtschaftsleben, z. B. durch die Organisation religiöser Feste oder den Einkauf lokaler Waren. Noch unter römischer Herrschaft (ab 30 v. Chr.) waren sie deshalb mit verschiedenen, mitunter orts- und tempelspezifischen Privilegien bedacht. Besonders gut lässt sich die Entwicklung der Tempel der Sobek-Kulte in römischer Zeit in Bakchias, Narmuthis, Soknopaiu Nesos, Tebtynis und Theadelphia nachzeichnen, da aus diesen Orten sehr viele schriftliche Quellen (Papyri, Ostraka, Inschriften) zum Alltag der Priester vorliegen.[4] Der Betrieb dieser Tempel lässt sich bis in das frühe dritte Jahrhundert, teilweise auch in das vierte Jahrhundert nachweisen. Die institutionalisierten Sobek-Kulte existierten somit zeitweise neben christlichen Gemeinden, die sich spätestens seit dem dritten Jahrhundert in der Region ansiedelten und bis zum vierten Jahrhundert erste koptische Kirchen in den Siedlungen des Fayyum errichteten.[5] Das koptische Kloster des Erzengels Gabriel (Deir el-Malak Ghobrial), dessen älteste Teile aus dem 5. Jahrhundert stammen,[6] ist das berühmteste und heute wieder aufgebaut.

Im Fayyum-Becken befinden sich zahlreiche Orte, darunter sind:

Stadt Transkr. arabisch Bevölkerung
1996
Bevölkerung
2006
Fayyum al-Fayyūm الفيوم 260.964 316.772
Sennures Sinnūris سنورس 68.425 82.134
Ibschaway Ibšawāy إبشواى 41.987 55.172
Tamiya Ṭāmiya طامية 38.453 48.682
Itsa Aṭsā أطسا 37.143 46.564
Yusuf as-Siddiq Yūsuf aṣ-Ṣiddīq يوسف الصديق 15.272
Abu Kisah Abū Kisāh أبو كساه

[7]

  • Carolin Arlt, Martin Andreas Stadler (Hrsg.): Das Fayyûm in Hellenismus und Kaiserzeit. Fallstudien zu multikulturellem Leben in der Antike. Wiesbaden: Harrassowitz, 2013, ISBN 978-3-447-06925-0.
  • Mario Capasso, Paola Davoli (Hrsg.): New Archaeological and Papyrological Researches on the Fayyum. Proceedings of the International Meeting of Egyptology and Papyrology, Lecce, 8th–10th 2005. Galatina: Congedo, 2007, ISBN 978-88-8086-740-1.
  • Marie-Pierre Chaufray, Ivan Guermeur, Sandra Lippert, Vincent Rondot (Hrsg.): Le Fayoum. Archéologie – histoire – religion. Actes du sixième colloque international. Montpellier, 26–28 octobre 2016. Wiesbaden: Harrassowitz, 2018, ISBN 978-3-447-10977-2.
  • Malcolm Choat: "Christianity". In: Christina Riggs (Hrsg.): The Oxford Handbook of Roman Egypt. Oxford, New York: Oxford Univ. Press, 2012, S. 474–489, ISBN 978-0-19-957145-1.
  • Holger Kockelmann: Der Herr der Seen, Sümpfe und Flußläufe. Untersuchungen zum Gott Sobek und den ägyptischen Krokodilgötter-Kulten von den Anfängen bis zur Römerzeit. 3 Bände. Wiesbaden: Harrassowitz, Ägyptologische Abhandlungen 74, 2017, ISBN 978-3-447-10810-2.
  • Sandra Lippert, Maren Schentuleit (Hrsg.): Tebtynis und Soknopaiu Nesos. Leben im römerzeitlichen Fajum; Akten des Internationalen Symposions vom 11. bis 13. Dezember 2003 in Sommerhausen bei Würzburg. Wiesbaden: Harrassowitz, 2005, ISBN 3-447-05141-8.
  • Sandra Lippert, Maren Schentuleit (Hrsg.): Graeco-Roman Fayum – Texts and Archaeology. Proceedings of the Third International Fayum Symposion, Freudenstadt, May 29–June 1, 2007. Wiesbaden: Harrassowitz, 2008, ISBN 978-3-447-05782-0.
  • Nadine Quenouille (Hrsg.): Von der Pharaonenzeit bis zur Spätantike. Kulturelle Vielfalt im Fayum. Akten der 5. Internationalen Fayum-Konferenz, 29. Mai bis 1. Juni 2013, Leipzig. Wiesbaden: Harrassowitz, 2015, ISBN 978-3-447-10394-7.
  • Siegfried G. Richter: The Importance of the Fayoum for Coptic Studies. In: G. Gabra (Hrsg.): Christianity and Monasticism in the Fayoum Oasis. Essays from the 2004 International Symposium of the Saint Mark Foundation and the Saint Shenouda the Archimandrite Coptic Society in Honor of Martin Krause. Cairo, New York, 2005, S. 1–9.
  • Benjamin Sippel: Gottesdiener und Kamelzüchter: Das Alltags- und Sozialleben der Sobek-Priester im kaiserzeitlichen Fayum. Wiesbaden: Harrassowitz (=Philippika 144), 2020, ISBN 978-3-447-11485-1.
  • Terry G. Wilfong: Fayum, Graeco-Roman sites. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 309–13.
  • Robert J. Wenke: Fayum, Neolithic and Predynastic sites. In: Kathryn A. Bard (Hrsg.): Encyclopedia of the Archaeology of Ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 313–16.

Einzelnachweise

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  1. Yuval Noah Harari: Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen. Jerusalem 2017, ISBN 978-3-406-70401-7, S. 222.
  2. M. Schulz: Archäologie: Perle des Mittelmeers. Spiegel, 19/2006
  3. Holger Kockelmann: Der Herr der Seen, Sümpfe und Flußläufe. Untersuchungen zum Gott Sobek und den ägyptischen Krokodilgötter-Kulten von den Anfängen bis zur Römerzeit. Harrassowitz, Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-447-10810-2, S. 19–63; 375–421.
  4. Benjamin Sippel: Gottesdiener und Kamelzüchter: Das Alltags- und Sozialleben der Sobek-Priester im kaiserzeitlichen Fayum. Harrassowitz, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-447-11485-1.
  5. Malcolm Choat: Christianity. In: Christina Riggs (Hrsg.): The Oxford Handbook of Roman Egypt. Oxford Univ. Press, Oxford, New York 2012, ISBN 978-0-19-957145-1, S. 474–489.
  6. Tomasz Derda, Joanna Wegner: Naqlun in the 5th-7th century: papyrological and literary evidence. In: Marie-Pierre Chaufray, Ivan Guermeur, Sandra Lippert, Vincent Rondot (Hrsg.): Le Fayoum. Archéologie – histoire – religion. Actes du sixième colloque international. Montpellier, 26–28 octobre 2016. Harrassowitz, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-447-10977-2, S. 183–198.
  7. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 29. Dezember 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bevoelkerungsstatistik.de World Gazetteer: al-Fayyūm