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Ginkgo

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Ginkgo

Älterer Ginkgobaum (Ginkgo biloba)

Systematik
Unterabteilung: Samenpflanzen (Spermatophytina)
Klasse: Ginkgoähnliche
Abteilung: Ginkgoartige
Familie: Ginkgogewächse
Gattung: Ginkgo
Art: Ginkgo
Wissenschaftlicher Name der Klasse
Ginkgoopsida
Engl.
Wissenschaftlicher Name der Abteilung
Ginkgoales
Gorozh.
Wissenschaftlicher Name der Familie
Ginkgoaceae
Engl.
Wissenschaftlicher Name der Gattung
Ginkgo
L.
Wissenschaftlicher Name der Art
Ginkgo biloba
L.

Der Ginkgo (Ginkgo biloba), nach der neuen deutschen Rechtschreibung auch Ginko[1], ist eine in China heimische, heute weltweit angepflanzte Baumart. Sie ist der einzige lebende Vertreter einer ansonsten ausgestorbenen Gruppe von Samenpflanzen und wird daher auch als lebendes Fossil bezeichnet.

Der Baum stammt aus Ostasien, wo er wegen seiner Samen oder als Tempelbaum kultiviert wird; er wurde von holländischen Seefahrern aus Japan nach Europa gebracht und wird hier seit 1730 als Zierbaum gepflanzt.

Letzte Restbestände des wilden Ginkgos gibt es heute nur noch in den abgelegenen Bergtälern der chinesischen Provinz Zhejiang.[2]

Zum Jahrtausendwechsel erklärte das deutsche „Kuratorium Baum des JahresGinkgo biloba zum Mahnmal für Umweltschutz und Frieden und zum Baum des Jahrtausends.[3]

Beschreibung

Habitus

Ginkgobaum mit Herbstfärbung

Der Ginkgo ist ein sommergrüner Baum, das heißt, er wirft im Herbst seine Blätter ab. Er kann bis zu 1000 Jahre alt werden und erreicht Wuchshöhen von bis zu 40 Metern[4] und Brusthöhendurchmesser (BHD) von 1 bis 4 Meter. Ein Baum aus Korea ist 64 Meter hoch und hat eine BHD von 4,45 Metern.[5] Seine Borke ist braun und bildet eine dicke Schicht, die Kork ähnelt, und wird bei älteren Bäumen rissig. Der junge Baum wächst meistens schlank und auffallend gerade in die Höhe. Sein Umriss ist pyramidenförmig und er ist nur spärlich beastet. Dies ändert sich zunehmend beim älteren Baum, dessen Äste sich immer mehr in die Waagerechte bewegen und so eine ausladende, mächtige Baumkrone bilden können. Meistens besitzt der Ginkgo zwei Haupttriebe, von denen der eine aber schwächer ausgebildet ist. Die Äste bilden Langtriebe, die je nach Bedingungen zwischen 20 und 100 Zentimeter im Jahr wachsen können, und Kurztriebe, deren Wachstum häufig nur ein paar Millimeter im Jahr beträgt. Die Kurztriebe können sich ganz unerwartet zu Langtrieben entwickeln. Bäume, die unter Stress stehen, können in Bodennähe oder darunter Sekundärstämme bilden, die aus wurzelartig wachsenden Trieben entstehen.

Belaubung

Ginkgoblatt in der Nahaufnahme
Datei:Gingko-Ast-web.jpg
Ast des Ginkgo; deutlich ist die gleichmäßige Verteilung der Blattquirle zu erkennen.

Auffällig und sehr charakteristisch sind die fächerförmigen, breiten Laubblätter, die in der Mitte mehr oder weniger stark eingekerbt sind. Die Blattform variiert je nach der Stellung am Trieb und der Wuchskraft des Baumes, weshalb kaum ein Ginkgo-Blatt dem anderen gleicht. Blätter von jungen Bäumen sind deutlich anders geformt als die von alten Bäumen (Altersdimorphismus). An Kurztrieben und an der Basis von Langtrieben erreichen die Blätter eine Breite von 4 bis 8 Zentimeter und sind entweder ungeteilt oder durch Einschnitt zweilappig. Die Blätter an den Spitzen von Langtrieben besitzen deutlich tiefere Ausbuchtungen, die die Blätter in zwei oder mehr Lappen teilt, und werden zwischen 6 und 10 Zentimeter breit. Der Blattstiel wird zwischen 4 und 10 Zentimeter lang.[5] Alle Blätter sind gabelnervig (dichotom), evolutionär betrachtet ein sehr ursprüngliches Merkmal. Sie sind zu Beginn ihres Wachstums im Frühjahr hellgrün und dunkeln über den Sommer nach, im Herbst färben sie sich auffallend hellgelb bis goldgelb und fallen schließlich etwa Anfang November ab.

Blüten und Samen

Männliche Blütenstände des Ginkgo
Ginkgo, reife Samen und Herbstlaub am Baum

Der Ginkgo ist zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch), es existieren also männliche und weibliche Pflanzen. Gelegentlich treten einhäusig-getrenntgeschlechtige (monözische) Bäume auf.[5] Die Bäume unterschiedlichen Geschlechts sind bis zur Geschlechtsreife, die erst im Alter zwischen 20 und 35 Jahren erfolgt, äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden. Der Ginkgo blüht im März, wobei die 2 bis 3 Zentimeter langen, kätzchenförmigen männlichen Blüten auffälliger als die weiblichen sind. Letztere stehen an mehrjährigen Kurztrieben und reifen nach der Befruchtung zu einem Samen mit essbarem Kern. Die Befruchtung erfolgt über große, sich selbstständig bewegende Spermatozoiden, also Zellen mit Geißeln. Monate liegen zwischen Bestäubung und Befruchtung, für Pflanzen eine recht ungewöhnliche Entwicklung, die ebenfalls ein ursprüngliches Merkmal darstellt. [6](siehe hierzu auch: Generationswechsel und Spermienbefruchtung bei Ginkgo).

Die äußerlich den Mirabellen ähnlichen Samen besitzen eine harte (Sklerotesta) und weiche (Sarcotesta) Samenschale; letztere entwickelt bei der Reifung einen unangenehmen Geruch nach Buttersäure. Er wird 20 bis 30 x 16 bis 24 Millimeter groß. Zur Reife im Herbst sind die Samen grün und färben sich bei Kälteeinbruch wie die Blätter gelb und fallen etwa ein Monat nach der Befruchtung vom Baum. Jeder Samen enthält einen harten Kern in dem sich der Embryo und das Nährgewebe befinden. Das Tausendkorngewicht beträgt rund 1500 Gramm.[5]

Holz

Das harzfreie, weiche und leichte Holz des Ginkgos weist eine feine Textur auf und ähnelt dem der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Koniferen. Das hellbraune Kernholz lässt sich nur schwer vom hellgelben Splintholz unterscheiden. An Stammkrümmungen entsteht häufig Druckholz. Der Zellulose-Gehalt liegt zwischen 40 und 42 % und der Lignin-Gehalt bei 30 bis 34 %. Die Rohdichte liegt je nach Herkunftsort zwischen 0,32 und 0,403 g/cm³. Das Holz eignet sich gut für Schnitzerarbeiten und findet als Paneel Verwendung. Es werden kaum Bestände zur reinen Holzgewinnung angebaut.

Ökologie

Während bei Altbäumen die Seitenwurzel dominieren, bilden Jungbäume eine bis zu 1 Meter lange Pfahlwurzel aus. Anders als in vielen Literaturberichten dargestellt bildet der Ginkgo keine Wurzelbrut aus.[5] Wie die meisten Bäume geht auch der Ginkgo eine Symbiose mit verschiedenen Mykorrhiza-Pilzen ein, unter anderem mit Glomus epigaeum. [7] Der Ginkgo stellt geringe Ansprüche an den Nährstoffgehalt des Bodens, verlangt aber ausreichend frische Substrate.[4] Sein starkes Ausschlagsvermögen ermöglicht es der Art selbst an stark erodierenden Hängen zu überleben. Er ist sehr unempfindlich gegenüber Luftschadstoffen und eignet sich deshalb sehr gut als Straßen- und Parkbaum. Er ist weitgehend resistent gegen Insektenfraß sowie von Pilzen, Bakterien und Viren ausgelösten Krankheiten. Die Art erträgt Temperaturen von bis zu -30° C.

Verbreitung

Als ursprüngliches Verbreitungsgebiet werden die mesophytischen Mischwälder, die einst das Hügelland entlang des Jangtsekiang bedeckten, genannt. In Dokumenten aus dem 11. Jahrhundert wird als Ursprungsgebiet eine Region südlich des Jangtsekiang genannt, die dem heutigen Ningguo-Distrikt in der Provinz Anhui entspricht.[5] Diese Wälder wurden bis auf wenige Reste in abgelegen Tälern und an steilen Hängen genutzt. Als eine der letzten natürlichen Bestände gilt eine Population auf dem Westgipfel des Tianmu Shan im Nordwesten der Provinz Zhejiang. In den Provinzen Guizhou und Guangxi sollen laut unbestätigten Berichten weitere natürliche Populationen vorkommen. Heute findet die Art als Parkbaum weltweite Verbreitung.

Nutzung

Nutzung als Zierbaum

Alter Ginkgobaum in Hyanggyo mit Herbstfärbung

Der unangenehme Geruch der Samen nach Buttersäure führt dazu, dass in Europa vornehmlich männliche Ginkgobäume aus Stecklingen angepflanzt werden. Ganz entgegengesetzt dazu werden in China und Japan vorwiegend weibliche Bäume (siehe Nutzung als Nahrungsmittel) als Straßen- und Alleebäume gesetzt. Damit eine Befruchtung stattfinden kann, werden in Asien männliche und weibliche Bäume nebeneinander gepflanzt.

Aufgrund seiner Resistenz gegen Schädlingsbefall und seiner Anspruchslosigkeit wird der Ginkgo weltweit als Stadtbaum angepflanzt. In Berlin hat langjährige Kultur als Straßenbaum gezeigt, dass er resistent gegen Autoabgase und Streusalz ist. Allerdings ist der junge Baum frostempfindlich.

Herbstlaub und Samen am Boden

Die Vermehrung des Ginkgo erfordert von einem Gärtner viel Geduld. Nur etwa 30 Prozent aller Stecklinge gehen nach sehr langer Zeit an. Bis zur Keimung eines jungen Ginkgo können mehr als zwei Jahre vergehen. Stecklinge sind im Allgemeinen schwachwüchsiger als Sämlingspflanzen. Bei der Vermehrung durch Samen muss deren äußere, fleischige Hülle (Sarcotesta) sorgfältig entfernt werden. Sie können vor der Saat stratifiziert werden. Sie keimen ohne Probleme auf der Fensterbank. Frische Samen sammelt man im Spätherbst unter weiblichen Bäumen, die in weniger als 100 m Entfernung von männlichen Bäumen stehen, um Befruchtung der Samen zu gewährleisten. Der Saft der Sarcotesta kann zu Hautreizungen und Allergien führen. [8] Der Ginkgo ist bei Verpflanzung empfindlich.

Geschichte des Ginkgo als Zierbaum

Der Ginkgo fand ab etwa 1000 n. Chr. in ganz Ostasien als Tempelbaum Verbreitung und gelangte dabei auf die Koreanische Halbinsel sowie nach Japan.

Ginkgo-Allee in Tokyo, im November mit Herbstfärbung.

Die erste ausführliche westliche Beschreibung stammt von dem deutschen Arzt und Botaniker Engelbert Kaempfer, der während seines zweijährigen Aufenthaltes in Japan (1690 bis 1691) die japanische Pflanzenwelt intensiv erforschte und sein Material in dem 1712 in Lemgo gedruckten Werk Amoenitates Exoticarum publik machte. Er notierte die Pflanze als „Ginkgo [wohl Fehldruck von ursprünglich Ginkjo (modern: Ginkyō)], vel. Gin an [modern: Ginnan], vulgò: Itsjo [modern: Ichō]“. Der Biologe und Botaniker Carl von Linné übernahm die Schreibung „Ginkgo“ in seine botanische Nomenklatur und später auch Goethe in seiner Gedichtsammlung West-östlicher Divan.[9] Seitdem gilt diese Form in der Pflanzenkunde als verbindlich und findet sich daher auch im Alltagsvokabular vieler westlicher Sprachen.

1730 soll der erste Ginkgo Europas im botanischen Garten der Universität Utrecht in den Niederlanden gesät worden sein. Er steht heute noch dort und gilt als der älteste seiner Art außerhalb Asiens. Allerdings gibt es einen Baum im belgischen Geetbets bei Hasselt, der mit zirka 5 m Stammdurchmesser deutlich dicker und damit vermutlich älter ist als der in Utrecht.

Der älteste Ginkgo-Baum Deutschlands wurde etwa im Jahr 1750 gepflanzt und steht im Frankfurter Stadtteil Rödelheim. Der Schlosspark Harbke (Sachsen-Anhalt)[10] hat in seinem umfangreichen Baumbestand ebenfalls einen der ältesten deutschen Ginkgo biloba, der circa 1758 gepflanzt wurde. Im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel befinden sich weitere alte Ginkgos, die um 1780 gepflanzt wurden. Auch in Mannheim und Dresden gibt es sehr alte Ginkgos. Im Jenenser Botanischen Garten (ehemaliger Garten Goethes) steht neben einem männlichen Ginkgo, den Goethe pflanzen ließ, heute auch ein weibliches Exemplar. In Leipzig steht ein von Willmar Schwabe gepflanzter weiblicher Baum. 1784 gelangte der Baum erstmals in die USA.

Nutzung als Nahrungsmittel

Reife Ginkgo-Samen
Ginkgo-Samen ohne Sarcotesta

In Asien wurden mehrere Zuchtreihen des Ginkgobaumes mit verschiedenen Qualitäten als Nahrungspflanze gezüchtet. Genutzt wird der Kern des Samens, dieser muss jedoch gegart werden. In Japan dienen die geschälten (daher von Sarco- und Sklerotesta befreiten) Ginkgosamen (in kleinen Mengen) als Beilage zu verschiedenen Gerichten. Sie werden teilweise im Reis mitgekocht, als Einlage in einem Eierstich-Gericht verwendet, oder geröstet und gesalzen als Knabberei verzehrt. Dazu werden die Samen von ihrer harten Schale befreit, und nur der gelbe Innenkern verwendet. In Europa sind Ginkgosamen meist nur als Konserven erhältlich. Geröstete und gehackte Kerne dienen als Gewürz in der asiatischen Küche. Die Samen enthalten 37,8 % Kohlenhydrate, 4,3 % Proteine und 1,7 % Fett. Ein Übermaß an Ginkgosamen kann zu Vergiftungserscheinungen führen, da diese den Vitamin-B6-Antagonisten 4-Methoxypyridoxin enthalten.[11] Im 11. Jahrhundert n. Chr. sollen diese „Nüsse“ so geschätzt worden sein, dass der Kaiser von China die Samen als Tributzahlung von den südöstlichen Provinzen forderte.

Nutzung in der Medizin

Die Verwendung der Blätter als Heilmittel ist bereits in der Sammlung Shen nung pen Ts'ao king belegt, die zwischen 300 v. Chr. und 200 n. Chr. entstanden sein soll. Li Shi-chen verfasste 1595 das umfangreiche, 52 Bände große Ben Cao Gan Mu, in dem die Heilkräfte des Ginkgo bereits detailliert festgehalten wurden. Ginkgoblätter dienten im Mittelalter zur Behandlung von Asthma, Bronchitis, Erfrierungen, Gonorrhoe, Hautkrankheiten, Husten, Magenleiden, Tuberkulose und Unruhezuständen und wurden zur Zubereitung von Heiltee und Wundpflastern verwendet.

Heute wird dem Ginkgo (Samen und Extrakte aus Blättern) vornehmlich eine durchblutungsfördernde Wirkung, antioxidative und neuroprotektive Eigenschaften und eine Verbesserung der Gedächtnisleistung zugesprochen. Mitunter werden Ginkgo-Extrakte zur begleitenden Behandlung eines Glaukoms eingesetzt. Allein in den USA beläuft sich der Umsatz dieses beliebten Naturpräparats auf über 300 Millionen Euro jährlich (Quelle: New Scientist).

Unreife Ginkgo-Samen an Zweig.

Grund für die möglicherweise positive Wirkung einiger Ginkgo-Präparate ist möglicherweise die hohe Konzentration an Flavonoiden und Terpenoiden in den verwendeten Materialien. Letztere sind in spezieller Form (Ginkgolide und Bilobalid) nur im Ginkgo zu finden. Diese Stoffe sind zum Teil so komplex, dass es noch nicht gelungen ist, sie in vollem Umfang synthetisch herzustellen. Aus diesem Grund wurden Ginkgo-Plantagen (hauptsächlich in den USA) angelegt.

Es gibt einige wissenschaftliche Studien, die die Wirksamkeit von Ginkgo-Extrakten bei Demenz untersuchten.
Die WHO International Working Group for Drug Statistics Methodology erstellte für den internationalen ATC-Code (anatomical-, therapeutic-, chemical-classification) für Arzneimittel erstmalig eine Gruppe Antidementiva. In dieser neuen Gruppe Anti-dementia drugs ist mit dem Code N06D Ginkgo biloba gelistet.
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen untersuchte 2008 im Rahmen einer Arzneimittelbewertung öffentlich zugängliche Studien sowie von Arzneimittelherstellern zur Verfügung gestellte Daten der in Deutschland verfügbaren ginkgohaltigen Präparate. Es kam zu dem Schluss, dass es bei der Behandlung der Alzheimer-Krankheit einen Beleg für einen Nutzen beim Therapieziel „Aktivitäten des täglichen Lebens“ gebe, sofern 240 mg Extrakt täglich eingenommen werden. Für die Therapieziele „kognitive Fähigkeiten“ und „allgemeine psychopathologische Symptome“ sowie für das angehörigenrelevante Therapieziel „Lebensqualität der (betreuenden) Angehörigen“ (gemessen am emotionalen Stress der Angehörigen) gebe es bei der selben Dosierung nur einen Hinweis auf einen Nutzen.[12] Eine randomisierte und Placebo-kontrollierte Studie an 3000 freiwilligen Probanden im Alter von mehr als 75 Jahren die 2008 im Journal of the American Medical Association veröffentlicht wurde, konnte allerdings keinen Vorteil einer Ginkgo-Extrakt-Behandlung gegenüber einem Scheinmedikament zeigen.[13] Wegen möglicher Nebenwirkung der Behandlung raten die Autoren nicht zu einer Behandlung mit diesen Präparaten. In einer verblindeten, placebokontrollierten Studie der University of Pittsburgh mit 3.069 Senioren im Alter von 72 bis 96 Jahren konnte nach sechs Jahren gezeigt werden, daß Ginkgo biloba keinen Effekt auf die Veränderung der allgemeinen geistigen Leistungsfähigkeit hatte. Auch Gedächtnis, Sprache oder Konzentrationsfähigkeit wurden durch Ginkgo nicht verbessert. [14]

Der Einsatz von Ginkgo-Präparaten bei Tinnitus bringt keine über einen Placeboeffekt hinausgehenden Verbesserungen. So kam es in der bislang größten kontrollierten Studie in der Placebogruppe bei 35, in der Verumgruppe bei 34 Personen zu Verbesserungen.[15][16]

Ebenfalls umstritten ist der Einsatz von Ginkgo-Präparaten bei der Indikation Hörsturz.[17]

Darüber hinaus sind bei der Anwendung mögliche Neben- und Wechselwirkungen zu berücksichtigen.[18] So wiesen Studien auf ein erhöhtes Risiko von Schlaganfällen oder Transitorische ischämische Attacken (TIA) hin. [19]

Systematik

Der Ginkgo ist mit keiner heute lebenden Pflanze näher verwandt und wird deshalb in die Abteilung der Ginkgopflanzen (Ginkgophyta) gestellt. Von der Abteilung Pinophyta unterscheiden sich die Ginkgopflanzen durch die abweichenden Strukturen der generativen Organe, insbesondere der begeißelten Spermatozoiden. Von der Abteilung der Palmfarne (Cycadophyta) unterscheiden sie sich vor allem durch die Anatomie der vegetativen Organe. Der Ginkgo hat eine Chromosomenzahl von 2n = 24.[5]

Paläobotanik

Ginkgo-Fossil aus dem Jura, Blätter aus der Cloughton Formation,
Fundort: Scarborough, Yorkshire, England.

Die Abteilung Ginkgophyta (Ginkgopflanzen) existiert schon seit dem Unterperm, vor 290 Millionen Jahren. Die größte Artenzahl hatten die Ginkgophyta von der Trias bis zur Kreide. Ab dem Jura gab es die Gattung Ginkgo. Der älteste bekannte Vertreter der Gattung war die Art Ginkgo yimaensis.[5] Vom Jura bis zur Kreide hatten die Ginkgophyta eine weltweite Verbreitung, deshalb kann man Fossilien von dem Ginkgo nahe verwandten Arten auch in Mitteleuropa finden. Aufgrund seiner langen Entwicklungsgeschichte und einer Reihe von ursprünglichen (plesiomorphen) Merkmalen gilt der Ginkgo biloba als das älteste lebende Fossil der Pflanzenwelt, dessen nähere Verwandte alle ausgestorben (extinkt) sind. Als eigentlicher Vorfahr wird die Art Ginkgo adiantoides genannt, die von der Kreidezeit bis zum Ende des Pliozäns auf der Nordhalbkugel verbreitet war.[5]

In der Paläobotanik werden die Ginkgo-ähnlichen Gewächse in sechs Familien mit mindestens 14 Gattungen eingeordnet (Ausgestorbene Gattungen sind gekennzeichnet mit †.):

Mögliche Vorfahren der Ordnung Ginkgoales:

Ordnung Ginkgoales:

Unsicher ist die Zuordnung von

Eretmophyllum †, Ginkgoidium, Sphenobaiera † (teilweise)

Die folgenden Gattungen gehören eher zu den Czekanowskiales, die man früher wegen ihrer dichotom geteilten Blätter zu den Ginkgophyten gestellt hat:

Arctobaiera †, Phoenicopsis †, Windwardia † und Culgoweria

Zuchtsorten

Neben den als typisch zu bezeichnenden, häufig anzutreffenden säulenförmigen Sorten des Ginkgo biloba, die alle als ‚Fastigiata‘ bezeichnet werden, kommen auch breitwüchsige Sorten wie der ‚Horizontalis‘ oder ‚Fairmount‘ vor. Seltener sind kugelförmige Sorten wie der ‚Globus‘ oder ‚Globulus‘ zu finden, ganz selten der schirmförmig überhängende, in jungen Jahren recht langsam wachsende ‚Pendula‘.

Von der typischen Blattform abweichende Sorten sind der tiefgeschlitzte ‚Saratoga‘ und der kleinblättrige ‚Tubifolia‘, der sich deswegen hervorragend für die Bonsaigestaltung eignen soll.

Ginkgos, deren Blattfarbe panaschiert ist, sind ebenfalls eine Seltenheit. Der ‚Aureovariegata‘ trägt gelb gestreifte Blätter, der ‚Albovariegata‘ weißgrün gestreifte Blätter, die zusätzlich zur Einzigartigkeit des Ginkgo eine ganz besondere Attraktivität darstellen.

Der Ginkgo in der Literatur

Zum Bekanntheitsgrad und zur Verbreitung des Ginkgos in Deutschland hat das Gedicht mit dem Titel Ginkgo biloba wesentlich beigetragen, das der 66 Jahre alte Goethe im September 1815 schrieb und 1819 in seiner Sammlung West-östlicher Diwan veröffentlichte. Das Gedicht ist Goethes später Liebe, Marianne von Willemer, gewidmet und stellt das Ginkgoblatt aufgrund seiner Form als Sinnbild der Freundschaft dar.

Originalschrift des Goethe-Gedichts.
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie's den Wissenden erbaut,
Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?
Solche Frage zu erwiedern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

Der Brief mit dem Gedicht, dem Goethe zwei Ginkgo-Blätter beilegte, ist heute im Goethe-Museum Düsseldorf zu sehen.

Mythenbildung

Ginkgo-Zweig mit fächerförmigen Blättern.

Der Grund für die bis heute große Bedeutung des Ginkgo für Kunst, Kultur und Heilkunde liegt vor allem in der Chinesischen Philosophie und der ansprechenden Morphologie des Baumes und seiner Blätter. Das in der Pflanzenwelt einzigartige zweigeteilte Blatt und seine Zweihäusigkeit wurden schon früh mit dem Symbol des Yin-Yang, in enge Verbindung gebracht. Die schlanke aufstrebende Wuchsform des Ginkgo repräsentiert nach asiatischer Philosophie das Yang und wird mit Aktivität und Lebenskraft gleichgesetzt, während zugleich die Blätter aufgrund ihrer fächerartigen Form das Yin, also Sanftheit und Weichheit, darstellen. Diese Interpretation führte frühzeitig dazu, dass der gesamte Baum in einigen Ländern als pflanzliches Symbol der Harmonie betrachtet wurde. Zusätzlich vereint der Ginkgo Langlebigkeit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit in sich, was zu seiner Beliebtheit und Verehrung als Kultur- oder Tempelbaum beigetragen hat.

Da der Ginkgo nachweislich so gut wie keine Schädlinge hat und er in nahezu jedem Klima und in jedem Boden gedeiht, kann er unter günstigen Bedingungen ein hohes Alter erreichen. In Asien sind Bäume bekannt, die ein Alter von 1000 Jahren erreicht haben sollen (in einigen Berichten ist gar von 4000 Jahre alten Pflanzen die Rede), weshalb der Ginkgo schon seit langem als kraftspendend und lebensverlängernd verehrt wird.

Alte Bäume können auf der Unterseite kräftige Äste sowie am Stamm wurzelartige Wucherungen ausbilden (Geotropismus), die einige Meter lang werden und in ihrer Form an weibliche Brüste erinnern. Es wird vermutet, dass es sich um Stützwurzeln handelt, die zu Unterstützung des gesamten Baumes auf weichem Grund dienen, doch genauere Erkenntnisse liegen derzeit noch nicht vor. Diese Auswüchse werden „Chi-Chi“ genannt und wurden in Japan lange als Fruchtbarkeitssymbol verehrt. Vor allem kinderlose Frauen pilgerten in der Vergangenheit zu solchen Ginkgos, berührten die „Chi-Chi“, und baten um Kindersegen, andere um reichen Milchfluss für ihre Säuglinge.

Zur modernen Mythenbildung hat auch wesentlich die Geschichte des Tempelbaumes in Hiroshima beigetragen, der bei der Atombombenexplosion 1945 in Flammen aufging, aber im selben Jahr wieder austrieb und weiterlebte.[20]

Die vier Jahreszeiten des Ginkgo biloba

Etymologie

Der Name leitet sich ursprünglich vom chinesischen Yín Xìng (chinesisch 銀杏), wörtlich „Silberaprikose“, her, ein Hinweis auf die silbrig schimmernden Samenanlagen, erstmals bezeugt im Jahr 1578. Im Laufe der Zeit gelangte der Name von China nach Japan unter der sinojapanischen Aussprache Ginkyō. Heute lautet der chinesische Name Bái Guǒ (白果 – „weiße Frucht“). Im heutigen Japanischen wird der Baum Ichō genannt, von chinesisch für Entenfußbaum – daher gelegentlich auch sinngemäß als 鴨脚樹 geschrieben –, weil die Blätter den Füßen einer Ente ähneln. Der Same wird als Ginnan bezeichnet, wobei die Schreibweise bei der für Ginkyō (銀杏) bleibt.

Literatur

  • Walter E. Müller, Ernst Pöppel: Ginkgo, der Baum des Lebens: Ein Lesebuch. Insel-Verlag, Frankfurt 2003, ISBN 3-458-34695-3
  • Maria Schmid (Hrsg.): Ginkgo: Ur-Baum und Arzneipflanze. 2. Auflage, Hirzel-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-7776-1065-8
  • Francis V. DeFeudis: Ginkgo biloba extract (EGb 761): from chemistry to the clinic. Ullstein Medical, Wiesbaden 1998, ISBN 3-86126-173-1
  • Hans D. Reuter: Spektrum Ginkgo biloba. Aesopus-Verlag, Basel 1993, ISBN 3-905031-57-4
  • Heinrich G. Becker: Mythos Ginkgo. Buchverlag für die Frau, Leipzig 2002, ISBN 3-89798-030-4
  • Heinrich G. Becker: Ginkgo, Weltenbaum – Wanderer zwischen den Zeiten. Buchverlag für die Frau, Leipzig 2003, ISBN 3-89798-080-0
  • Werner Bockholt, Bernadette Kircher: Dieses Baumes Blatt. Ginkgo – Goethe – Gartentraum. Schnell, Warendorf 2003, ISBN 3-87716-816-7
  • Siegfried Unseld: Goethe und der Ginkgo - Ein Baum und ein Gedicht. Insel-Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2003, ISBN 3-458-34175-7
  • Schütt, Weisgerber, Schuck, Lang, Stimm, Roloff: Lexikon der Nadelbäume. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 3-933203-80-5, S. 187–196.

Einzelnachweise

  1. Duden. Band 1: Die deutsche Rechtschreibung. 22. Auflage, Dudenverlag, Mannheim etc. 2000. ISBN 3-411-04012-2
  2. http://www.scinexx.de/dossier-detail-202-10.html
  3. www.baum-des-jahres.de: Baum des Jahrtausends
  4. a b Schütt P., Schuck h.J., Stimm B.: Lexikon der Baum- und Straucharten. 2002, ISBN 3-933203-53-8](?!).
  5. a b c d e f g h i Schütt et al.: Lexikon der Nadelbäume, S. 190 Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „LdN142“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  6. P. Sitte, H. Ziegler, F. Ehrendorfer: Strasburger–Lehrbuch der Botanik. 33. Auflage. Urban & Fischer, 1991, ISBN 3-437-20447-5.
  7. Fontana A: Vesicular-Arbuscular Mycorrhizas of Ginkgo biloba L. in Natural and Controlled Conditions. In: New Phytologist. 99. Jahrgang, 1985, S. 441–447 (links.jstor.org).
  8. Tomb RR, Foussereau J, Sell Y.: Mini-epidemic of contact dermatitis from ginkgo tree fruit (Ginkgo biloba L.). In: Contact Dermatitis. 19. Jahrgang, 1988, 3219836, S. 281–283.
  9. Hans-Jürgen Lüsebrink (Hrsg.): Das Europa der Aufklärung und die aussereuropäische koloniale Welt. Wallstein Verlag, Göttingen 2006, ISBN 978-3-8353-0021-7, S. 224–225 (google.de).
  10. gartenträume sachsen-anhalt.de
  11. pubMed
  12. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen: Abschlussbericht "Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz". Veröffentlichung am 21. November 2008. http://www.iqwig.de/download/A05-19B_Abschlussbericht_Ginkgohaltige_Praeparate_bei_Alzheimer_Demenz.pdf]
  13. DeKosky, ST. et al.: Ginkgo biloba for Prevention of Dementia. In: JAMA 2008; 300(19); 2253–2262; PMID 19017911; PDF Volltext online (engl.)
  14. Snitz, BE. et al.: Ginkgo biloba for Preventing Cognitive Decline in Older Adults. In: JAMA 2009; 302(24), S. 2663–2670; PDF Volltext online (engl.)
  15. Drew S, Davies E.: Effectiveness of Ginkgo biloba in treating tinnitus: double blind, placebo controlled trial. BMJ. 2001 Jan 13;322(7278):73.
  16. O.A.:Ginkgo gegen Tinnitus? Buko Pharma-Brief 2006;5:3.4. PDF
  17. Ernst E: Ginkgo bei akutem Hörverlust? MMW-Fortschr. Med. 2001; 143 (42):22.
  18. www.akdae.de: Blutungen unter der Gabe von Ginkgo-Extrakten
  19. Telepolis: Rückschlag für den Mythos "Naturheilmittel ohne Nebenwirkung"
  20. www.xs4all.nl
Commons: Ginkgo – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Linkkatalog zum Thema Ginkgophyta bei curlie.org (ehemals DMOZ)

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