Kunsthalle Mannheim
Die Kunsthalle Mannheim ist ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Mannheim. Sie liegt am zentralen Friedrichsplatz und prägt seit über 100 Jahren das kulturelle Leben der Industriestadt am Rhein mit. Deutschlandweit zählt sie mit Werken von Édouard Manet bis Francis Bacon und einem Skulpturenschwerpunkt – im Spektrum von Auguste Rodin und Wilhelm Lehmbruck über Henry Moore und Marino Marini bis zu Mario Merz und Richard Long – zu den angesehensten bürgerschaftlichen Sammlungen der deutschen und internationalen Moderne bis zur Gegenwart. Am 1. Juni 2018 wurde der Erweiterungsbau offiziell eröffnet.
Sammlung
BearbeitenNeben ca. 2.150 Gemälden und 840 Skulpturen umfasst die Sammlung einen Bestand von ca. 33.000 Blatt Handzeichnungen, Aquarellen und Druckgraphiken sowie eine Werkkunstabteilung. Neben der ständigen Sammlungspräsentation werden jährlich Sonderausstellungen internationaler zeitgenössischer Kunst gezeigt.
Die Kunsthalle Mannheim besitzt Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts. Zu den bedeutendsten Künstlern zählen Friedrich, Dahl, Manet, Sisley, Géricault, Delacroix, Pissarro, Cézanne, von Marées, Schuch, Kokoschka, Rohlfs, Heckel, Schmidt-Rottluff, Munch, Macke, Delaunay, Dix, Beckmann, Grosz, Bacon, Götz, Heinisch und Fuhr.
Die Skulpturensammlung ist besonders in Bezug auf das 20. Jahrhundert von Bedeutung. Sie enthält Werke von Belling, Bosslet, Brâncuși, Christian, Daumier, Rodin, Rosso, Barlach, Degas, Lehmbruck, Archipenko, Harth, Arp, Hepworth, Matisse, Marini, Moore, Giacometti, Hajek, Serra, Zadkine, Chillida, Uhlmann, Lenk, Segal, Seitz, Rückriem, Hauser, Vostell, Heiner Thiel und Mayer. Seit den 1930er-Jahren gibt es die Außenausstellung von Werken der zeitgenössischen Bildhauerei im Skulpturengarten der Kunsthalle Mannheim.[1]
Die graphische Sammlung wurde mit Rücksicht auf die finanziellen Mittel nicht im Hinblick auf Vollständigkeit angelegt, sondern setzt einzelne Schwerpunkte. Diese sind die Zeichnungen der Romantiker und Klassizisten, der Neuen Sachlichkeit und die Sammlung von Bildhauerzeichnungen. Hinzu kommt die europäische Druckgraphik des 15. bis 18. Jahrhunderts, darunter Dürer und Rembrandt.
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Caspar David Friedrich: Abend (Wolken)
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Alfred Sisley: Marktplatz in Marly
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Camille Pissarro: Die Brücke
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Vincent van Gogh: Stillleben mit Rosen und Sonnenblumen
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Paul Cézanne: Der Raucher mit aufgestütztem Arm
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Franz Marc: Drei Tiere
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Lovis Corinth: Meer bei La Spezia
Geschichte
BearbeitenDie Kunsthalle wurde 1907 zum 300. Mannheimer Stadtjubiläum im Rahmen einer internationalen Kunst- und Gartenbauausstellung eröffnet. Die jüdischen Eheleute Julius (1841–1895) und Henriette Aberle (1847–1901) stifteten 236.250 Goldmark für die Errichtung der Kunsthalle. Den Grundstock der Sammlung begründeten die hinterlassenen Werke des großherzoglichen Galeriedirektors Karl Kuntz. Hinzu kamen 91 Gemälde aus dem Nachlass von James Emden (u. a. Feuerbach und Spitzweg). 1909 wurde Fritz Wichert als Leiter nach Mannheim geholt. Er erweiterte die Sammlung um französische Malerei.
1923 wurde Gustav Friedrich Hartlaub Direktor. Er zeigte 1925 eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst mit dem Titel „Neue Sachlichkeit“, die damit einer ganzen Stilrichtung ihren Namen gab. Bedeutende Werke von Dix, Grosz oder Beckmann wurden unter seiner Ägide angeschafft. 1933 wurde Hartlaub von den Nationalsozialisten abgesetzt, die eine Ausstellung „Kulturbolschewistische Bilder“ veranstalteten. Ihm folgte 1936 Walter Passarge nach, der sich 1937 der „Reinigung der Museen von entarteter Kunst“ ausgesetzt sah. In dieser zweiten Welle von Beschlagnahmungen seit 1933 gingen der Kunsthalle 102 Gemälde, 8 Skulpturen, 491 grafische Arbeiten und 59 Mappenwerke verloren, von denen viele auf Dauer verschollen blieben. Einige gelangten 1939 zur Versteigerung und gehören heute ausländischen Museen (u. a. Kunstmuseum Basel, Musée des Beaux-Arts Lüttich, Guggenheim-Museum und Museum of Modern Art, beide New York). Während des Krieges wurden die Bestände zum größten Teil ausgelagert. Ab 1949 konnten Teile der Sammlung nach der Instandsetzung des schwer beschädigten Hauptbaus wieder gezeigt werden.
Walter Passarge verlagerte den Schwerpunkt des Hauses in seiner Dienstzeit bis 1945 auf das politisch weniger verfängliche Kunstgewerbe. Nach 1945 gelang es ihm sowie seinem ab 1959 amtierenden Nachfolger Heinz Fuchs, die in die Sammlung gerissenen Lücken einigermaßen zu schließen, wobei sich Passarge insbesondere der deutschen und modernen Kunst sowie der dem 19. und 20. Jahrhundert gewidmeten Sammlungen annahm. Systematisch wurde außerdem die Plastiksammlung ausgebaut.
1983 wurde der große Erweiterungsbau (Mitzlaff-Bau) eröffnet. Von 1984 an übernahm Manfred Fath die Leitung, der 1999 – dank einer großzügigen Stiftung – mit dem umgebauten angrenzenden ehemaligen Bunker die Ausstellungsfläche erweitern durfte.
Ab 2003 hob Rolf Lauter die chronologische Präsentation der Sammlung auf. Stattdessen wurde diese themenbezogen neu präsentiert und um Fotografien und Videoinstallationen erweitert. Im Herbst 2007 wurde er vom Gemeinderat wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten von der Leitung der Kunsthalle entbunden.[2] Die kommissarische Leitung hatte die langjährige Kuratorin an der Kunsthalle Inge Herold.
2008 übernahm die Kunsthistorikerin Ulrike Lorenz die Leitung der Kunsthalle. Am 30. Oktober 2018 wurde Lorenz zur Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar gewählt. Sie trat ihr Amt im August 2019 an.[3] Ihr Nachfolger als Leiter der Kunsthalle Mannheim ist der dänische Kurator Johan Holten.[4]
2009 wurde nach einer Neuhängung im Jugendstilgebäude der Kunsthalle die Mannheimer Schausammlung eröffnet. Hierfür unterteilte man die Sammlung in zwölf Themenräume verschiedener Epochen der Kunstgeschichte von der Romantik bis zum Realismus.[5]
Bis 2018 wurde der Mitzlaff-Bau abgerissen und durch den größeren Hector-Bau ersetzt. Am 1. Juni 2018 fand die Neueröffnung der Kunsthalle mit einem „Grand Opening“ und einer Ausstellung von Fotografien des Kanadiers Jeff Wall statt.[6]
Architektur
BearbeitenDie Kunsthalle wurde bis 1907 von dem Architekten Hermann Billing erbaut. Obwohl sie der Stadt als Prestigeobjekt diente, wurde sie nicht direkt an den prächtigen Friedrichsplatz gestellt, sondern etwas vom Platz weg mit dem Haupteingang an die Moltkestraße versetzt. Die Freifläche war für das später andernorts errichtete Reiss-Museum vorgesehen.
Eine dreiflügelige T-Form bildet den Grundriss. Der Mittelbau wird von einer Kuppel gekrönt. Die Fassade wurde im Jugendstil gestaltet und korrespondiert mit ihrem roten Sandstein mit der bereits vorhandenen Bebauung am Friedrichsplatz.
Nachdem das Reiss-Museum im Zeughaus eingerichtet worden war, plante man ab 1960 auf der Freifläche einen Erweiterungsbau der Kunsthalle. Hierzu wurde das Architekten-Büro Lange, Mitzlaff, Böhm und Müller beauftragt. Nach mehreren Planungsänderungen und Finanzierungsschwierigkeiten wurde der Neubau 1983 eröffnet. An der neuen Fassade wurde auf Schnörkel verzichtet, weil die Skulpturen ungestört zu Geltung kommen sollten. Durch den roten Sandstein verschmolzen aber Alt- und Neubau zu einer Einheit. Und nun öffnete sich das Haus mit dem Haupteingang hin zum Wasserturm auf dem Friedrichsplatz.
Von 2010 bis 2013 wurde das Jugendstilgebäude der Kunsthalle generalsaniert. Im Haus am Friedrichsplatz lief der Museumsbetrieb währenddessen weiter. Im Billing-Bau gibt es mehrere Geschosssprünge, die nicht barrierefrei saniert wurden. Die hohe Freitreppe ist für Rollstuhlfahrer nicht überwindbar; Rampen oder Aufzüge konnten nicht realisiert werden.
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Billing-Bau
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Mitzlaff-Bau 1983–2014
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Abriss des Mitzlaff-Baus, 2014
Neubau
BearbeitenDa sowohl der Mitzlaff-Bau als auch der darunter liegende Tiefbunker, der als Kunstlager diente, gravierende bauliche Mängel aufwiesen, wurden sowohl eine Sanierung als auch ein Neubau des betroffenen Gebäudetrakts in Betracht gezogen. Die Leitung der Kunsthalle sprach sich für den Neubau mit geschätzten 67,8 Millionen Euro als die beste und nachhaltigere Variante aus.[7]
Im Juli 2011 sagten der SAP-Gründer Hans-Werner Hector und seine Frau Josephine eine Spende von 50 Millionen Euro für einen Neubau zu.[8][9] Nach einer weiteren Finanzierungszusage der Stadt wurde 2012 ein Architektenwettbewerb durchgeführt, an dem zahlreiche Architekturbüros teilnahmen.[10] In der ersten Runde wurden drei erste Preise an die Entwürfe der Architekten Volker Staab, Peter Pütz sowie Gerkan, Marg und Partner (gmp) vergeben. Nach entsprechenden Nachverhandlungen in den Detailplanungen wurde das Büro Gerkan, Marg und Partner als Sieger bestimmt.[11] Verantwortlicher Architekt war Nikolaus Goetze.[12] Mit seinem Bau versuchte er, die Idee einer „Stadt in der Stadt“ umzusetzen.
Direktoren
Bearbeiten- 1909–1923: Fritz Wichert
- 1923–1933: Gustav Friedrich Hartlaub
- 1933–1958: Walter Passarge
- 1959–1983: Heinz Fuchs
- 1984–2002: Manfred Fath
- 2002–2007: Rolf D. Lauter
- 2008–2019: Ulrike Lorenz
- seit 2019: Johan Holten
Filme
Bearbeiten- Kunst für alle – Die neue Mannheimer Kunsthalle. Dokumentarfilm, Deutschland, 2018, 44:40 Min., Buch und Regie: Eberhard Reuß, Produktion: SWR, Reihe: kulturmatinée, Erstausstrahlung: 10. Juni 2018.[13]
- Museums-Check mit Markus Brock: Kunsthalle Mannheim. 30 Min., Buch und Regie: Martina Klug, Moderation: Markus Brock, Christian „Chako“ Habekost, Produktion: SWR, 3sat. Erstausstrahlung: 5. August 2018.[14]
Literatur
Bearbeiten- Heinz Fuchs: Kunsthalle Mannheim: Verzeichnis der Skulpturensammlung. Mannheim 1967.
- Heinz Fuchs: Meisterwerke der Kunst in der Kunsthalle Mannheim: Malerei des 19. Jahrhunderts. Mannheim 1969.
- Heinz Fuchs: Städtische Kunsthalle Mannheim. Braunschweig 1983.
- Hans-Jürgen Buderer: Entartete Kunst: Beschlagnahmeaktionen in der Städtischen Kunsthalle Mannheim 1937. Städtische Kunsthalle, Mannheim 1987, ISBN 3-89165-046-9.
- Karoline Hille: Kunsthalle Mannheim. Prestel, München 1994, ISBN 3-7913-1421-1.
- Inge Herold: Skulpturen. Kunsthalle Mannheim, Neuerwerbungen seit 1989. Kunsthalle Mannheim, 1995, ISBN 3-89165-094-9.
- Gerhard Kabierske: Der Architekt Hermann Billing (1867–1946): Leben und Werk. In: Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte. Jg. 7. KIT Scientific Publications, Karlsruhe 1996, ISSN 0940-578X.
- Inge Herold, Christmut Präger: 100 Jahre Kunsthalle Mannheim 1907–2007. Mannheim 2007, ISBN 978-3-89165-210-7.
- Meinhard von Gerkan, Nikolaus Goetze: Kunsthalle Mannheim. Jovis, Berlin 2018, ISBN 978-3-86859-530-7.
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Inge Herold, Skulpturen. Kunsthalle Mannheim, Neuerwerbungen seit 1989. Kunsthalle Mannheim, 1995, ISBN 3-89165-094-9.
- ↑ Peter W. Ragge: Rolf Lauter darf nicht mehr für die Kunsthalle sprechen. In: Mannheimer Morgen, 20. September 2007.
Ulrich Raphael Firsching: Rolf Lauter nicht mehr in Diensten der Stadt Mannheim. In: kunstmarkt.com, 24. Juni 2009. - ↑ dpa: Ulrike Lorenz wird Chefin der Klassik Stiftung Weimar. In: Der Tagesspiegel, 6. November 2018.
- ↑ dpa: Personalie. Johan Holten wird Chef der Kunsthalle Mannheim. In: Monopol, 23. März 2019.
- ↑ Staatsanzeiger, Nr. 14, 17. April 2009, Seite 27.
- ↑ bb/gri, dpa, kuma.art: Kunsthalle Mannheim eröffnet. In: Deutsche Welle. 2. Juni 2018, abgerufen am 12. August 2018.
- ↑ Generalsanierung. ( vom 12. Oktober 2013 im Internet Archive). In: Kunsthalle Mannheim, April 2012.
- ↑ Susanne Schreiber: Hector-Stiftung: 50 Millionen-Spende für Kunsthalle Mannheim. In: Handelsblatt, 22. Juli 2011.
- ↑ Peter W. Ragge: Geburtstag – SAP-Mitgründer Hans-Werner Hector wird 75. Großer Mäzen mag kein großes Aufsehen. ( vom 12. August 2018 im Webarchiv archive.today). In: Mannheimer Morgen, 17. Januar 2015.
- ↑ Die Architekten des Planungswettbewerbs. ( vom 28. Oktober 2012 im Internet Archive). In: Stiftung Kunsthalle Mannheim.
- ↑ Museumsstadt in Metall. gmp sollen Kunsthalle Mannheim bauen. In: BauNetz, 6. Dezember 2012.
- ↑ Stefan M. Dettlinger (dms): „Das Gebäude ist ein Zeichen in die Zukunft.“ ( vom 12. August 2018 im Webarchiv archive.today). In: Mannheimer Morgen, 1. Juni 2018, Interview mit Nikolaus Goetze.
- ↑ Kunst für alle – Die neue Mannheimer Kunsthalle ( vom 12. August 2018 im Internet Archive).
- ↑ Museums-Check: Die Kunsthalle Mannheim. In: Fernsehserien.de. Abgerufen am 15. November 2020.
Koordinaten: 49° 28′ 57,9″ N, 8° 28′ 31,2″ O