Zahnschnitt
Der Zahnschnitt (Zahnschnittfries; griechisch geisipodes) ist ursprünglich ein aus Balkenköpfen abstrahierter Fries der kleinasiatischen Ionischen Ordnung. Eine Sonderform des antiken Zahnschnitts mit unten gerundeten Balkenköpfen nennt man in der Korinthischen Ordnung Kälberzähne.[1]
Im weiteren Sinne wird der Begriff auch für Friese, Gesimse und Kranzgesimse verwendet, bei denen Balkenköpfe klötzchenartig stilisiert werden.
Balkenkopfimitationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Begriff Zahnschnitt wurde wohl zuerst in der baugeschichtlichen Auseinandersetzung mit antiker Baukunst angewandt und für steinerne Balkenkopfimitationen unterhalb von Dachtraufen oder in Dreiecksgiebeln benutzt. Diese kamen zuerst bei der kleinasiatischen Ionischen Ordnung vor. Das gestalterisch eingängige Motiv der gereihten Klötzchen fand auch zur Zierde an Kleinarchitekturen und im Möbelbau Verwendung.
In der Korinthischen Ordnung erscheint der Zahnschnitt ebenfalls, hier jedoch mit gerundeten Balkenköpfen, die „Kälberzähne“ genannt werden.
Auch an den achamänidischen Königsgräbern von Naqsch-e Rostam (5. Jh. v. Chr.) zeigen sich derartige Motive.
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Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna mit Balkenkopfimitationen, angeblich 5. Jahrhundert
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Zahnschnittfriese am Giebeldreieck des römischen Maison Carrée in Nîmes
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Zahnschnitt am Accouchierhaus Göttingen, erbaut 1785–1791
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Zahnschnitt an einem Wohnhaus, 18. Jahrhundert (Göttingen, Kurze Straße 14)
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Kranzgesims mit Zahnschnittfriesen auf der Baustelle des 1888–1895 erbauten Mc Kim Buildings, Boston
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Backstein-Klötzchenfries an einem Siedlungshaus, um 1895 (Göttingen, Gartenstraße 12)
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Backstein-Klötzchenfries in Kombination mit echten Deckenbalkenköpfe, um 1895 (Göttingen, Gartenstraße 12)
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Zahnschnitt- oder Klötzchenfries an einer Kleinarchitektur (Schill-Denkmal in Wesel, 1809)
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Zahnschnitt- oder Klötzchenfries als Zierde eines Haustür-Kämpfers (Hann. Münden, 19. Jahrhundert)
Schräggestellte Steine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch Friese im Sägezahnverband[2] (Sägezahnfries, Zahnfries; früher auch: Deutsches Band[3]) werden bisweilen als Zahnschnittfriese bezeichnet. Dieser Fries aus schräggestellten Ziegelsteinen oder anderen Steinen dient in Mittel- und Nordeuropa seit dem Mittelalter ebenfalls der Gliederung von Fassaden und Türmen und war in der Sichtziegelarchitektur des 19. Jahrhunderts weit verbreitet.
Sägezahnfriese waren auch ein beliebtes Motiv in der Spätphase der maurischen Kunst und des auf ihr basierenden Mudéjar-Stils. Auch bei den Turmbauten des lombardischen Baustils treten sie in Erscheinung.
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Backstein-Sägezahnfries, 19. Jahrhundert (Göttingen, Düsere Straße 20a)
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Sägezahnfries im geschlämmten Ziegelmauerwerk, 19. Jahrhundert
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Backstein-Sägezahnfries, 19. Jahrhundert (Göttingen, Rosdorfer Weg 28)
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Doppelter Backstein-Sägezahnfries, 19. Jahrhundert (Göttingen, Rosdorfer Weg 20)
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Geschlämmter Backstein-Sägezahnfries als Füllung von Deckenbalken-Gefachen im Fachwerkbau, 19. Jahrhundert (Göttingen, Gartenstraße 13)
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Doppelter Backstein-Sägezahnfries als Füllung von Deckenbalken-Gefachen im Fachwerkbau, 19. Jahrhundert (Göttingen, Turmstraße 3)
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Sägezahnfries unter der Traufe, Sant Climent in Taüll (Spanien), 12. Jahrhundert
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Sägezahnfriese an den Türmen des Speyerer Doms
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Turm der Kathedrale von Vic, Katalonien
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Turm der Kirche von Sant Miquel de Fluvià, Katalonien
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Turm der ehemaligen Kathedrale von Uzès, Languedoc
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 24. Januar 2024), S. 514.
- ↑ Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 24. Januar 2024), S. 324.
- ↑ Otto Stiehl: Deutsches Band. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I, 1937, Sp. 1425–1427. (Abschrift auf rdklabor.de, abgerufen am 24. Januar 2024)