Die Jahreszeiten (Haydn)
Das Musikwerk Die Jahreszeiten ist ein 1801 uraufgeführtes weltliches Oratorium von Joseph Haydn (Hob. XXI:3) nach einem Libretto von Gottfried van Swieten. Es war das letzte seiner vier Oratorien.
Komposition, Uraufführung und Rezeption
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Haydn wurde zur Komposition der Jahreszeiten durch den großen Erfolg seines vorhergehenden Oratoriums Die Schöpfung (1798) angeregt, das zu dieser Zeit in ganz Europa aufgeführt wurde. Wie bei jenem Werk wurde das Libretto zu Die Jahreszeiten von Baron Gottfried van Swieten verfasst, einem österreichischen Adligen, der auch einen großen Einfluss auf Mozarts Karriere gehabt hatte. Van Swietens Libretto war dessen eigene deutsche Wiedergabe eines Auszugs aus dem englischen Versepos von James Thomsons The Seasons.
Die Komposition war wegen seiner angegriffenen Gesundheit mühsam für Haydn. Gemäß seinem frühen Biografen Georg August Griesinger soll er sich zudem „oft bitterlich über den unpoetischen Text“ van Swietens beklagt haben.[1] Er brauchte zwei Jahre, um Die Jahreszeiten fertigzustellen.
Die Uraufführung am 24. April 1801 im Stadtpalais Schwarzenberg[2] in Wien wurde zwar ein Erfolg, der aber nicht mit dem der drei Jahre zuvor ebenfalls hier uraufgeführten Schöpfung vergleichbar war; auch in der Folgezeit wurden Die Jahreszeiten deutlich seltener aufgeführt als das frühere Oratorium.
Der Grund für die geringere Beliebtheit wird weniger bei der Musik als beim Libretto gesucht. Oratorien wurden typischerweise zu christlichen Themen geschrieben und bezogen ihre Textgrundlagen häufig aus der Bibel oder Heiligengeschichten. Das Libretto der Jahreszeiten dagegen ist weitgehend deskriptiv auf den Jahres- und Tageskreis bezogen. Lediglich der Finalsatz spricht als wertvoller anerkannte Themen an (die Bedeutung des Lebens, das ewige Leben). Diese Schlusspassagen sind auffallenderweise keine Übersetzungen aus dem Gedicht von Thomson, sondern originale Arbeiten van Swietens.
Die Jahreszeiten entsprechen somit inhaltlich weder einem religiös geprägten Oratorium noch dem Ideal eines Kunstwerks im Geiste der Aufklärung, ihre heiteren wie eindringlichen Naturschilderungen und Verklärungen des Landlebens zeigen vielmehr Einfluss der Philosophie Rousseaus. Die Position Haydns in diesem Spannungsfeld ist nicht letztgültig zu klären. Griesinger berichtet, Haydn habe sich eher distanziert zum Text von So löhnet die Natur den Fleiß geäußert, der eine nüchterne Arbeitsethik verklärt: Er sei zwar sein ganzes Leben lang ein fleißiger Mann gewesen, wäre jedoch nie auf die Idee gekommen, „den Fleiß in Noten zu setzen“.[3] Albert Christoph Dies, ebenfalls ein früher Biograf Haydns, erzählt andererseits, dass Haydn sich vom Text zu Juhe! Der Wein ist da angeregt fühlte, in der Schlussfuge musikalisch die Trunkenheit darzustellen. Dies gibt einen Ausspruch Haydns so wieder: „Mein Kopf … war so voll von dem tollen Zeuge: es lebe der Wein, es lebe das Faß! daß ich alles darüber und darunter gehen ließ; ich nenne daher die Schlußfuge die besoffene Fuge.“[4]
Van Swieten soll Haydn teilweise detaillierte Anweisungen zur Komposition gegeben haben. Bezüglich einer Stelle ist das in einem Brief von Haydn an August Eberhard Müller bezeugt, der für den Musikverlag Breitkopf & Härtel den Klavierauszug der Jahreszeiten anfertigte. Es geht um die Passage „Und aus dem Sumpfe quakt der Frosch“ im Terzett und Chor Die düstren Wolken trennen sich, an der Haydn in der Partitur eine lautmalerische Figur eingesetzt hatte: „[D]iese ganze Stelle als eine Imitazion eines frosches ist nicht aus meiner feder geflossen; es wurde mir aufgedrungen diesen französischen Quark niederzuschreiben; mit dem ganzen Orchester verschwindet dieser elende gedanke gar bald, aber als Clavierauszug kann derselbe nicht bestehen.“[5] Die Bezeichnung als „französisch“ bezieht sich gemäß Griesinger auf den Komponisten André-Ernest-Modeste Grétry, von dem die Idee stamme, deren Übernahme van Swieten gewünscht habe.[6] Wohl durch eine Indiskretion Müllers gelangte dieses Briefzitat zu dem Redakteur Karl Spazier, der es im Dezember 1801 in seine Rezension einer Leipziger Aufführung der Jahreszeiten aufnahm; diese wurde in Spaziers Zeitung für die elegante Welt veröffentlicht.[7] Gottfried Christoph Härtel und Griesinger, der als Mittler zwischen dem Verlag und Haydn tätig war, hofften beide, dass van Swieten diese peinliche öffentliche Referenz nicht zu Gesicht bekommen werde, doch im März 1802 war es so weit. Griesinger schrieb an Härtel, van Swieten habe geschimpft: „Dem Haydn wolle er die Äusserung, dass ihm das Froschgequäk aufgedrungen worden sey, mit Salz und Pfeffer einreiben und es sey eine eclatante Indiscretion, dass Sie Haydnsche Briefe abdruken lassen.“[8] Dank Griesingers diplomatischem Geschick beruhigte sich van Swieten aber bald wieder: „Der Sturm ist jetzt vorüber.“[9]
Besetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Jahreszeiten ist für ein großes spätklassisches Orchester geschrieben, zumeist vierstimmigen Chor und drei Vokalsolisten, die archetypisch das Landvolk repräsentieren: Simon (Bass), Lukas (Tenor), und Hanne (Sopran). Die Besetzung der Solostimmen ist somit die gleiche wie in der Schöpfung.
Das Orchester besteht aus zwei Flöten (2. auch Piccolo), zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotten und Kontrafagott, vier Waldhörnern, zwei (im Schlusschor drei) Trompeten, Kesselpauke, Triangel, Tamburin, zwei Posaunen und Bassposaune sowie dem üblichen Streicherensemble mit erster und zweiter Violine, Viola, Cello, und Kontrabass. Für die Secco-Rezitative: Cembalo oder Hammerklavier (Violoncello und Kontrabass ad libitum).
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In vier in sich geschlossenen Kantaten wird der Verlauf der Jahreszeiten aus Sicht des Bauernvolks beschrieben: Der Pächter Simon (Bass), dessen Tochter Hanne (Sopran) und der junge Bauer Lukas (Tenor) treten als Erzählstimmen auf.
Der Frühling ist die Zeit der Saat und der Hoffnung: In der düsteren Einleitung wird das Ende des Winters beschrieben, bevor heitere Gesänge die Freuden des Lenz verkünden. Nachdem der Ackermann, den Haydn die wohlbekannte Melodie aus der Symphonie mit dem Paukenschlag nachpfeifen lässt, die Saat ausgebracht hat, wird um Segen und Regen gebeten. Mit einem fulminanten Freudenlied geht der Frühling zu Ende.
Im zweiten Teil wird ein Tag im Sommer geschildert: Nach der Morgendämmerung weckt der Hahn die Hirten auf, bevor die Sonne „in flammender Majestät“ aufgeht. Der friedlichen, pastoralen Szenerie setzt ein dramatisches Gewitter ein Ende – das sich genauso schnell verzieht, wie es aufgekommen ist: Abendfrieden macht sich breit, als die ersten Sterne aufgehen.
Der Herbst ist in drei Teile gegliedert: Der Landmann freut sich über die reiche Ernte, die sogleich eingeholt wird, und Hanne und Lukas schwören sich ewige Liebe und Treue. Danach geht es vom Feld in den Wald, und Chor und Solostimmen besingen die erfolgreiche Jagd auf einen Hirsch. In der abschließenden Weinlese wird in den Weinbergen übermütig gesungen, getanzt und vor allem getrunken.
Mit dem Winter legt sich dichter Nebel über das Land, und Dunkelheit macht sich breit. Ein verirrter Wanderer findet Schutz in einem belebten Bauernhaus. Dort wird in der warmen Stube gesponnen, geschwätzt und gesungen – Hanne erzählt zur Unterhaltung der anderen eine schelmische Liebesgeschichte. Die anschließende Arie des Simon erweitert die Thematik um eine metaphysisch-religiöse Ebene und stellt den Verlauf der Jahreszeiten dem eines Menschenlebens gegenüber. In einem sich immer weiter steigernden Wechselgesang zwischen Solostimmen und Chor wird die Hoffnung besungen, aus dem ewigen Winter des Todes Erlösung im himmlischen, immerwährenden Frühling zu finden.[10]
Musiknummern und Text
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Jahreszeiten sind in vier Teile aufgeteilt: „Der Frühling“, „Der Sommer“, „Der Herbst“ und „Der Winter“.
Der Frühling
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1. Einleitung und Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Seht, wie der strenge Winter flieht!
Zum fernen Pole zieht er hin.
Ihm folgt auf seinen Ruf
der wilden Stürme brausend Heer
mit grässlichem Geheul.
Lukas
Seht, wie vom schroffen Fels der Schnee
in trüben Strömen sich ergießt!
Hanne
Seht, wie vom Süden her,
durch laue Winde sanft gelockt,
der Frühlingsbote streicht!
2. Chor des Landvolks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alle
Komm, holder Lenz!
Des Himmels Gabe, komm!
Aus ihrem Todesschlaf
erwecke die Natur.
Mädchen und Weiber
Er nahet sich, der holde Lenz,
schon fühlen wir den linden Hauch,
bald lebet alles wieder auf.
Männer
Frohlocket ja nicht allzufrüh!
Oft schleicht, in Nebel eingehüllt,
der Winter wohl zurück und streut
auf Blüt’ und Keim sein starres Gift.
Alle
Komm, holder Lenz!
Des Himmels Gabe, komm!
Auf uns’re Fluren senke dich!
Komm, holder Lenz, o komm
und weile länger nicht!
3. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Vom Widder strahlet jetzt
die helle Sonn’ auf uns herab.
Nun weichen Frost und Dampf,
und schweben laue Dünst’ umher.
Der Erde Busen ist gelöst,
erheitert ist die Luft.
4. Arie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Schon eilet froh der Ackermann
zur Arbeit auf das Feld,
in langen Furchen schreitet er
dem Pfluge flötend nach.
In abgemess’nem Gange dann
wirft er den Samen aus;
den birgt der Acker treu und reift
ihn bald zur gold’nen Frucht.
5. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Der Landmann hat sein Werk vollbracht
und weder Müh’ noch Fleiß gespart.
Den Lohn erwartet er
aus Händen der Natur
und fleht darum den Himmel an.
6. Bittgesang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Terzett und Chor
Sei nun gnädig, milder Himmel!
Öffne dich und träufe Segen
über unser Land herab!
Lass deinen Tau die Erde wässern!
Lass Regenguss die Furchen tränken!
Lass deine Lüfte wehen sanft!
Lass deine Sonne scheinen hell!
Uns sprießet Überfluss alsdann,
und deiner Güte Dank und Ruhm.
7. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Erhört ist unser Fleh’n,
der laue West’ erwärmt und füllt
die Luft mit feuchten Dünsten an.
Sie häufen sich; nun fallen sie,
und gießen in der Erde Schoß
den Schmuck und Reichtum der Natur.
8. Freudenlied
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
O wie lieblich ist der Anblick
der Gefilde jetzt!
Kommt, ihr Mädchen,
lasst uns wallen
auf der bunten Flur!
Lukas
O wie lieblich ist der Anblick
der Gefilde jetzt!
Kommt, ihr Burschen, lasst uns wallen
zu dem grünen Hain!
Hanne
Seht die Lilie,
seht die Rose,
seht die Blumen all!
Lukas
Seht die Auen,
seht die Wiesen,
seht die Felder all!
Mädchen und Burschen
O wie lieblich ist der Anblick
der Gefilde jetzt!
Lasst uns wallen
auf der bunten Flur!
Lasst uns wallen
zu dem grünen Hain!
Hanne
Seht die Erde,
seht die Wasser,
seht die helle Luft!
Lukas
Alles lebet,
alles schwebet,
alles reget sich.
Hanne
Seht die Lämmer,
wie sie springen!
Lukas
Seht die Fische,
welch Gewimmel!
Hanne
Seht die Bienen,
wie sie schwärmen!
Lukas
Seht die Vögel,
welch Geflatter!
Chor
Alles lebet,
alles schwebet,
alles reget sich.
Mädchen
Welche Freude,
welche Wonne
schwellet unser Herz!
Burschen und Mädchen
Süße Triebe,
sanfte Reize
heben uns’re Brust.
Simon
Was ihr fühlet,
was euch reizet,
ist des Schöpfers Hauch.
Mädchen und Burschen
Lasst uns ehren,
lasst uns loben,
lasst uns preisen ihn!
Männer
Lasst erschallen,
ihm zu danken,
eure Stimmen hoch!
Chor
Lasst erschallen,
ihm zu danken,
uns’re Stimmen hoch!
Ewiger, mächtiger, gütiger Gott!
Terzett
Von deinem Segensmahle
hast du gelabet uns.
Männer
Mächtiger Gott!
Terzett
Vom Strome deiner Freuden
hast du getränket uns,
gütiger Gott!
Chor
Ewiger, mächtiger, gütiger Gott!
Simon
Ewiger!
Lukas
Mächtiger!
Hanne
Gütiger Gott!
Chor
Ehre, Lob und Preis sei dir,
ewiger, mächtiger, gütiger Gott!
Der Sommer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]9. Einleitung und Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
In grauem Schleier rückt heran
das sanfte Morgenlicht;
mit lahmen Schritten weicht vor ihm
die träge Nacht zurück.
Zu düstern Höhlen flieht
der Leichenvögel blinde Schar;
ihr dumpfer Klageton
beklemmt das bange Herz nicht mehr.
Simon
Des Tages Herold meldet sich;
mit scharfem Laute rufet er
zu neuer Tätigkeit
den ausgeruhten Landmann auf.
10. Arie und Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Der munt’re Hirt versammelt nun
die frohen Herden um sich her;
zur fetten Weid’ auf grünen Höh’n
treibet er sie langsam fort.
Nach Osten blickend steht er dann
auf seinem Stabe hingelehnt,
zu seh’n den ersten Sonnenstrahl,
welchem er entgegenharrt.
Hanne
Die Morgenröte bricht hervor,
wie Rauch verflieget das leichte Gewölk,
der Himmel pranget im hellen Azur,
der Berge Gipfel in feurigem Gold.
11. Terzett und Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Terzett
Sie steigt herauf, die Sonne, sie steigt,
sie naht, sie kommt,
sie strahlt, sie scheint.
Chor
Sie scheint in herrlicher Pracht,
in flammender Majestät!
Heil, o Sonne, Heil!
Des Lichts und Lebens Quelle, Heil!
O du, des Weltalls Seel’ und Aug’,
der Gottheit schönstes Bild!
Dich grüßen dankbar wir!
Terzett
Wer spricht sie aus, die Freuden alle,
die deine Huld in uns erweckt!
Wer zählet sie, die Segen alle,
die deine Mild’ auf uns ergießt!
Chor
Die Freuden, o, wer spricht sie aus?
Die Segen, o, wer zählet sie?
Hanne
Dir danken wir, was uns ergötzt.
Lukas
Dir danken wir, was uns ergötzt.
Simon
Dir danken wir, was uns ergötzt.
Terzett
Dem Schöpfer aber danken wir,
was deine Kraft vermag.
Chor
Heil, o Sonne, Heil!
Des Lichts und Lebens Quelle, Heil!
Dir jauchzen alle Stimmen,
dir jauchzet die Natur!
Terzett und Chor
Dir jauchzet die Natur!
12. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Nun regt und bewegt sich alles umher,
ein buntes Gewühl bedecket die Flur.
Dem braunen Schnitter neiget sich der Saaten wallende Flut,
die Sense blitzt, da sinkt das Korn;
doch steht es bald und aufgehäuft in festen Garben wieder da.
Lukas
Die Mittagssonne brennet jetzt
in voller Glut und gießt
durch die entwölkte Luft
ihr mächtiges Feu’r in Strömen hinab.
Ob den gesengten Flächen schwebt
im nieder’n Qualm ein blendend’ Meer
von Licht und Widerschein.
13. Cavatine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Dem Druck erlieget die Natur.
Welke Blumen,
dürre Wiesen,
trock’ne Quellen:
Alles zeigt der Hitze Wut,
und kraftlos schmachten Mensch und Tier,
am Boden hingestreckt.
14. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Willkommen jetzt, o dunkler Hain,
wo der bejahrten Eiche Dach
den kühlen Schirm gewährt,
und wo der schlanken Espe Laub
mit leisem Gelispel rauscht.
Am weichen Moose rieselt da
in heller Flut der Bach,
und fröhlich summend irrt und wirrt
die bunte Sonnenbrut.
Der Kräuter reinen Balsamduft
verbreitet Zephirs Hauch,
und aus dem nahen Busche tönt
des jungen Schäfers Rohr.
15. Arie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Welche Labung für die Sinne!
Welch’ Erholung für das Herz!
Jeden Aderzweig durchströmet
und in jeder Nerve bebt
erquickendes Gefühl.
Die Seele wachet auf
zum reizenden Genuss,
und neue Kraft erhebt
durch milden Drang die Brust.
16. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
O seht! Es steiget in der schwülen Luft
am hohen Saume des Gebirgs
von Dampf und Dunst ein fahler Nebel auf.
Emporgedrängt dehnt er sich aus
und hüllet bald den Himmelsraum
in schwarzes Dunkel ein.
Lukas
Hört, wie vom Tal ein dumpf’ Gebrüll
den wilden Sturm verkünd’t!
Seht, wie von Unheil schwer
die finst’re Wolke langsam zieht
und drohend auf die Eb’ne sinkt.
Hanne
In banger Ahnung stockt
das Leben der Natur.
Kein Tier, kein Blatt beweget sich,
und Todesstille herrscht umher.
17. Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ach, das Ungewitter naht!
Hilf uns, Himmel!
O wie der Donner rollt!
O wie die Winde toben!
Wo flieh’n wir hin!
Flammende Blitze durchwühlen die Luft,
von zackigen Keilen berstet die Wolke,
und Güsse stürzen herab.
Wo ist Rettung?
Wütend rast der Sturm,
der weite Himmel entbrennt.
Himmel, hilf uns!
Wo ist Rettung?
Weh’ uns Armen!
Schmetternd krachen Schlag auf Schlag,
die schweren Donner fürchterlich.
Weh’ uns, weh’ uns!
Erschüttert wankt die Erde
bis in des Meeres Grund.
18. Terzett mit Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Die düster’n Wolken trennen sich,
gestillet ist der Stürme Wut.
Hanne
Vor ihrem Untergange
blickt noch die Sonn’ empor.
Und von dem letzten Strahle glänzt
mit Perlenschmuck geziert die Flur.
Simon
Zum langgewohnten Stalle kehrt,
gesättigt und erfrischt
das fette Rind zurück.
Lukas
Dem Gatten ruft die Wachtel schon.
Hanne
Im Grase zirpt die Grille froh.
Simon
Und aus dem Sumpfe quakt der Frosch.
Terzett
Die Abendglocke tönt!
Von oben winkt der helle Stern,
und ladet uns zur sanften Ruh.
Männerchor
Mädchen, Bursche, Weiber, kommt!
Unser wartet süßer Schlaf,
wie reines Herz, gesunder Leib
und Tagesarbeit ihn gewährt.
Mädchen, Bursche, Weiber, kommt!
Frauenchor
Wir geh’n, wir folgen euch.
Chor
Die Abendglocke hat getönt;
von oben blinkt der helle Stern
und ladet uns zur sanften Ruh.
Der Herbst
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]19. Einleitung und Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Was durch seine Blüte
der Lenz zuerst versprach;
was durch seine Wärme
der Sommer reifen ließ;
zeigt der Herbst in Fülle
dem frohen Landmann jetzt.
Lukas
Den reichen Vorrat fährt er nun
auf hochbelad’nen Wagen ein.
Kaum fasst der weiten Scheune Raum,
was ihm sein Feld hervorgebracht.
Sein heit’res Auge blickt umher,
es misst den aufgetürmten Segen ab,
und Freude strömt in seine Brust.
20. Terzett und Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
So lohnet die Natur den Fleiß,
ihn ruft, ihn lacht sie an,
ihn muntert sie durch Hoffnung auf,
ihm steht sie willig bei;
ihm wirket sie mit voller Kraft.
Hanne und Lukas
Von dir, o Fleiß, kommt alles Heil.
Die Hütte, die uns schirmt,
die Wolle, die uns deckt,
die Speise, die uns nährt,
ist deine Gab’, ist dein Geschenk.
O Fleiß, o edler Fleiß, von dir kommt alles Heil.
Hanne
Du flößest Tugend ein,
und rohe Sitten milderst du.
Lukas
Du wehrest Laster ab
und reinigest der Menschen Herz.
Simon
Du stärkest Mut und Sinn
zum Guten und zu jeder Pflicht
Terzett
O Fleiß, von dir kommt alles Heil.
Chor
O Fleiß, o edler Fleiß,
von dir kommt alles Heil.
21. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Seht, wie zum Haselbusche dort
die rasche Jugend eilt!
An jedem Aste schwinget sich
der Kleinen lose Schar,
Und der bewegten Staud’ entstürzt
gleich Hagelschau’r die lock’re Frucht.
Simon
Hier klimmt der junge Bau’r
den hohen Stamm entlang,
die Leiter flink hinauf.
Vom Wipfel, der ihn deckt,
sieht er sein Liebchen nah’n
und ihrem Tritt entgegen
fliegt dann im trauten Scherze
die runde Nuss herab.
Lukas
Im Garten steh’n um jeden Baum
die Mädchen, groß und klein,
dem Obste, das sie klauben,
an frischer Farbe gleich.
22. Duett
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Ihr Schönen aus der Stadt, kommt her!
Blickt an die Töchter der Natur,
die weder Putz noch Schminke ziert!
Da seht mein Hannchen, seht!
Ihr blüht Gesundheit auf den Wangen;
ihr Auge lacht Zufriedenheit,
und aus dem Munde spricht das Herz,
wenn sie mir Liebe schwört.
Hanne
Ihr Herrchen, süß und fein, bleibt weg!
Hier schwinden eure Künste ganz,
und glatte Worte wirken nicht;
man gibt euch kein Gehör.
Nicht Gold, nicht Pracht kann uns verblenden.
Ein redlich Herz ist, was uns rührt,
und meine Wünsche sind erfüllt,
wenn treu mir Lukas ist.
Lukas
Blätter fallen ab,
Früchte welken hin,
Tag’ und Jahr’ vergeh’n,
nur meine Liebe nicht.
Hanne
Schöner grünt das Blatt,
süßer schmeckt die Frucht,
heller glänzt der Tag,
wenn deine Liebe spricht.
Beide
Welch’ ein Glück ist treue Liebe!
Uns’re Herzen sind vereinet;
trennen kann sie Tod allein.
Lukas
Liebstes Hannchen!
Hanne
Bester Lukas!
Beide
Lieben und geliebet werden
ist der Freuden höchster Gipfel,
ist des Lebens Wonn’ und Glück.
23. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Nun zeiget das entblößte Feld
der ungebet’nen Gäste Zahl,
die an den Halmen Nahrung fand
und irrend jetzt sie weiter sucht.
Des kleines Raubes klaget nicht
der Landmann, der ihn kaum bemerkt;
dem Übermaße wünscht
er doch nicht ausgestellt zu sein.
Was ihn dagegen sichern mag,
sieht er als Wohltat an,
und willig fröhnt er dann zur Jagd,
die seinen guten Herrn ergötzt.
24. Arie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Seht auf die breiten Wiesen hin!
Seht, wie der Hund im Grase streift!
Am Boden suchet er die Spur
und geht ihr unablässig nach.
Jetzt aber reißt Begierd’ ihn fort;
er horcht auf Ruf und Stimme nicht mehr;
er eilet zu haschen – da stockt sein Lauf.
Und steht er unbewegt wie Stein.
Dem nahen Feinde zu entgeh’n,
erhebt der scheue Vogel sich,
doch rettet ihn nicht schneller Flug.
Es blitzt, es knallt, ihn erreichet das Blei
und wirft ihn tot aus der Luft herab.
25. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Hier treibt ein dichter Kreis
die Hasen aus dem Lager auf.
Von allen Seiten hingedrängt,
hilft ihnen keine Flucht.
Schon fallen sie und liegen bald
in Reihen freudig hingezählt.
26. Chor der Landleute und Jäger
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Männerchor
Hört das laute Getön’,
das dort im Walde klinget!
Frauenchor
Welch’ ein lautes Getön
durchklingt den ganzen Wald!
Alle
Es ist der gellenden Hörner Schall,
der gierigen Hunde Gebelle.
Männer
Schon flieht der aufgesprengte Hirsch,
ihm rennen die Doggen und Reiter nach.
Alle
Er flieht, er flieht. O wie er sich streckt!
Ihm rennen die Doggen und Reiter nach.
O wie er springt! O wie er sich streckt!
Da bricht er aus den Gesträuchen hervor,
und läuft über Feld in das Dickicht hinein.
Männer
Jetzt hat er die Hunde getäuscht;
zerstreuet schwärmen sie umher.
Alle
Die Hunde sind zerstreut;
sie schwärmen hin und her.
Jäger
Tajo, tajo, tajo!
Männer
Der Jäger Ruf, der Hörner Klang
versammelt auf’s Neue sie.
Alle
Ho, ho, ho! Tajo! Ho, ho!
Mit doppeltem Eifer stürzet nun
der Haufe vereint auf die Fährte los.
Jäger
Tajo!
Frauen
Von seinen Feinden eingeholt,
an Mut und Kräften ganz erschöpft,
erlieget nun das schnelle Tier.
Männer
Sein nahes Ende kündigt an
des tönenden Erzes Jubellied,
der freudigen Jäger Siegeslaut.
Jäger
Halali!
Frauen
Den Tod des Hirsches kündigt an
des tönenden Erzes Jubellied,
der freudigen Jäger Siegeslaut.
Jäger
Halali!
Alle
Den Tod des Hirsches kündigt an
des tönenden Erzes Jubellied,
der freudigen Jäger Siegeslaut.
Halali!
27. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Am Rebenstocke blinket jetzt
die helle Traub’ in vollem Safte,
und ruft dem Winzer freundlich zu,
dass er, zu lesen sie, nicht weile.
Simon
Schon werden Kuf’ und Fass
zum Hügel hingebracht,
und aus den Hütten strömet
zum frohen Tagewerke
das munt’re Volk herbei.
Hanne
Seht, wie den Berg hinan
von Menschen alles wimmelt!
Hört, wie der Freudenton
von jeder Seit’ erschallet!
Lukas
Die Arbeit fördert lachender Scherz
vom Morgen bis zum Abend hin,
und dann erhebt der brausende Most
die Fröhlichkeit zum Lustgeschrei.
28. Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alle
Juhhe! Juhhe! Der Wein ist da,
die Tonnen sind gefüllt.
Nun lasst uns fröhlich sein,
Und juhhe, juhhe, juch!
aus vollem Halse schrei’n!
Männer
Lasst uns trinken!
Trinket, Brüder!
Lasst uns fröhlich sein!
Frauen
Lasst uns singen!
Singet alle!
Lasst uns fröhlich sein!
Alle
Juhhe, juhhe, juh! Es lebe der Wein!
Männer
Es lebe das Land, wo er uns reift!
Es lebe das Fass, das ihn verwahrt!
Es lebe der Krug, woraus er fließt!
Kommt, ihr Brüder!
Füllt die Kannen!
Leert die Becher!
Lasst uns fröhlich sein!
Alle
Heida! Lasst uns fröhlich sein!
Und juhhe, juhhe, juh!
aus vollem Halse schrei’n!
Juhhe, juh! Es lebe der Wein!
Frauen
Nun tönen die Pfeifen
Und wirbelt die Trommel.
Hier kreischet die Fiedel,
Da schnarret die Leier
und dudelt der Bock.
Männer
Schon hüpfen die Kleinen
und springen die Knaben;
dort fliegen die Mädchen
im Arme der Bursche
den ländlichen Reih’n.
Frauen
Heisa, hopsa! Lasst uns hüpfen!
Männer
Ihr Brüder, kommt!
Frauen
Heisa, hopsa! Lasst uns springen!
Männer
Die Kannen füllt!
Frauen
Heisa, hopsa! Lasst uns tanzen!
Männer
Die Becher leert!
Alle
Heida, lasst uns fröhlich sein!
Und juhhe, juhhe, juh!
aus vollem Halse schrei’n!
Männer
Jauchzet, lärmet!
Springet, tanzet!
Lachet, singet!
Nun fassen wir den letzten Krug!
Alle
Und singen dann in vollem Chor
dem freudenreichen Rebensaft!
Heisa, hei, juhhe, juh!
Es lebe der Wein, der edle Wein,
der Grillen und Harm verscheucht!
Sein Lob ertöne laut und hoch
in tausendfachem Jubelschall!
Heida, lasst uns fröhlich sein!
Und juhhe, juhhe, juh!
aus vollem Halse schrei’n!
Der Winter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]29. Einleitung und Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Nun senket sich das blasse Jahr,
und fallen Dünste kalt herab.
Die Berg’ umhüllt ein grauer Dampf,
der endlich auch die Flächen drückt,
und am Mittage selbst
der Sonne matten Strahl verschlingt.
Hanne
Aus Lapplands Höhlen schreitet her
der stürmisch düst’re Winter jetzt.
Vor seinem Tritt erstarrt
in banger Stille die Natur.
30. Cavatine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Licht und Leben sind geschwächet,
Wärm’ und Freude sind verschwunden.
Unmutsvollen Tagen
folget schwarzer Nächte lange Dauer.
31. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Gefesselt steht der breite See,
gehemmt in seinem Laufe der Strom.
Im Sturze vom türmenden Felsen hängt
gestockt und stumm der Wasserfall.
Im dürren Haine tönt kein Laut;
die Felder deckt, die Täler füllt
ein’ ungeheu’re Flockenlast.
Der Erde Bild ist nun ein Grab,
wo Kraft und Reiz erstorben liegt,
wo Leichenfarbe traurig herrscht,
und wo dem Blicke weit umher
nur öde Wüstenei sich zeigt.
32. Arie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Hier steht der Wand’rer nun,
verwirrt und zweifelhaft,
wohin den Schritt er lenken soll.
Vergebens suchet er den Weg;
ihn leitet weder Pfad noch Spur.
Vergebens strenget er sich an
und watet durch den tiefen Schnee;
er find’t sich immer mehr verirrt.
Jetzt sinket ihm der Mut,
und Angst beklemmt sein Herz,
da er den Tag sich neigen sieht,
und Müdigkeit und Frost
ihm alle Glieder lähmt.
Doch plötzlich trifft sein spähend’ Aug’
der Schimmer eines nahen Lichts.
Da lebt er wieder auf;
vor Freude pocht sein Herz.
Er geht, er eilt der Hütte zu,
wo starr und matt er Labung hofft.
33. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Sowie er naht, schallt in sein Ohr,
durch heulende Winde nur erst geschreckt,
heller Stimmen lauter Klang.
Hanne
Die warme Stube zeigt ihm dann
des Dörfchens Nachbarschaft,
vereint in trautem Kreise,
den Abend zu verkürzen
mit leichter Arbeit und Gespräch.
Simon
Am Ofen schwatzten hier
von ihrer Jugendzeit die Väter.
Zu Körb’ und Reusen flicht
die Weidengert’ und Netze strickt
der Söhne munt’rer Haufe dort.
Am Rocken spinnen die Mütter,
am laufenden Rade die Töchter,
und ihren Fleiß belebt
ein ungekünstelt frohes Lied.
34. Lied mit Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Frauen und Mädchen
Knurre, schnurre, knurre!
Schnurre, Rädchen, schnurre!
Hanne
Drille, Rädchen, lang und fein,
drille fein ein Fädelein
mir zum Busenschleier!
Weber, webe zart und fein,
webe fein das Schleierlein
mir zur Kirmesfeier!
Außen blank und innen rein,
muss des Mädchens Busen sein,
wohl deckt ihn der Schleier.
Außen blank und innen rein,
fleißig, fromm und sittsam sein,
locket wack’re Freier.
35. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Lukas
Abgesponnen ist der Flachs,
nun steh’n die Räder still.
Da wird der Kreis verengt
und von dem Männervolk umringt,
zu horchen auf die neue Mär,
die Hanne jetzt erzählen wird.
36. Lied mit Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hanne
Ein Mädchen, das auf Ehre hielt,
liebt einst ein Edelmann,
da er schon längst nach ihr gezielt,
traf er allein sie an.
Er stieg sogleich vom Pferd und sprach:
Komm, küsse deinen Herrn!
Sie rief vor Angst und Schrecken: Ach!
Ach ja, von Herzen gern.
Chor
Ei, ei, warum nicht nein?
Hanne
Sei ruhig, sprach er, liebes Kind,
und schenke mir dein Herz!
Denn meine Lieb’ ist treu gesinnt,
nicht Leichtsinn oder Scherz.
Dich mach ich glücklich:
Nimm dies Geld, den Ring, die gold’ne Uhr,
und hab’ ich sonst, was die gefällt,
o sag’s und ford’re nur!
Chor
Ei, ei, das klingt recht fein!
Hanne
Nein, sagt sie, das wär’ viel gewagt:
Mein Bruder möcht’ es seh’n,
und wenn er’s meinem Vater sagt,
wie wird mir’s dann ergeh’n!
Er ackert uns hier allzunah,
sonst könnt’ es wohl gescheh’n.
Schaut nur, von jenem Hügel da
könnt ihr ihn ackern seh’n.
Chor
Ho, ho, was soll das sein?
Hanne
Indem der Junker geht und sieht,
schwingt sich das lose Kind
auf seinen Rappen und entflieht
geschwinder als der Wind.
Lebt wohl, rief sie, mein gnäd’ger Herr,
so räch’ ich meine Schmach.
Ganz eingewurzelt stehet er
und gafft ihr staunend nach.
Chor
Ha, ha, das war recht fein.
37. Rezitativ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Von dürrem Oste dringt
ein scharfer Eishauch jetzt hervor.
Schneidend fährt er durch die Luft,
verzehret jeden Dunst
und hascht des Tieres Odem selbst.
Des grimmigen Tyranns,
des Winters Sieg ist nun vollbracht,
und stummer Schrecken drückt
den ganzen Umfang der Natur.
38. Arie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Erblicke hier, betörter Mensch,
erblicke deines Lebens Bild!
Verblühet ist dein kurzer Lenz,
erschöpfet deines Sommers Kraft.
Schon welkt dein Herbst dem Alter zu,
schon naht der bleiche Winter sich
und zeiget dir das off’ne Grab.
Wo sind sie nun, die hoh’n Entwürfe,
die Hoffnungen von Glück,
die Sucht nach eitlem Ruhme,
der Sorgen schwere Last?
Wo sind sie nun, die Wonnetage,
verschwelgt in Üppigkeit.
Und wo die frohen Nächte,
im Taumel durchgewacht!
Verschwunden sind sie wie ein Traum,
nur Tugend bleibt.
Sie bleibt allein,
und leitet uns unwandelbar
durch Zeit- und Jahreswechsel,
durch Jammer oder Freude
bis zu dem höchsten Ziele hin.
39. Terzett und Chor
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Simon
Dann bricht der große Morgen an,
der Allmacht zweites Wort erweckt
zu neuem Dasein uns,
von Pein und Tod auf immer frei.
Lukas und Simon
Die Himmelspforten öffnen sich;
der heil’ge Berg erscheint.
Ihn krönt des Herren Zelt,
wo Ruh’ und Friede thront.
Chor
Wer darf durch diese Pforten geh’n?
Terzett
Der Arges mied und Gutes tat.
Chor
Wer darf besteigen diesen Berg?
Terzett
Von dessen Lippen Wahrheit floss.
Chor
Wer darf in diesem Zelte wohnen?
Terzett
Der Armen und Bedrängten half.
Chor
Wer wird den Frieden dort genießen?
Terzett
Der Schutz und Recht der Unschuld gab.
Chor
O seht, der große Morgen naht!
O seht, er leuchtet schon!
Die Himmelspforten öffnen sich,
der heil’ge Berg erscheint!
Vorüber sind, verbrauset sind
die leidenvollen Tage,
des Lebens Winterstürme.
Ein ew’ger Frühling herrscht,
und grenzenlose Seligkeit
wird der Gerechten Lohn.
Terzett
Auch uns werd’ einst ein solcher Lohn!
Lasst uns wirken, lasst uns streben!
Chor
Lasst uns kämpfen, lasst uns harren,
zu erringen diesen Preis!
Uns leite deine Hand, o Gott!
Verleih’ uns Stärk’ und Mut!
Dann singen wir,
dann geh’n wir ein
in deines Reiches Herrlichkeit.
Amen.[11]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ullrich Scheideler: Die Jahreszeiten. Hob. XXI:3. In: Silke Leopold, Ullrich Scheideler (Hrsg.): Oratorienführer. Metzler und Bärenreiter, Stuttgart/Weimar und Kassel 2000, S. 314–317.
- James Thomson, Wolfgang Schlüter: The Seasons/Die Jahreszeiten. Engeler, Weil am Rhein, Basel 2003, ISBN 3-905591-68-5.
- Sabine M. Gruber: Mit einem Fuß in der Frühlingswiese. Ein Spaziergang durch Haydns Jahreszeiten mit Sprachbildern von Nikolaus Harnoncourt. Residenz, St. Pölten, Salzburg 2009, ISBN 978-3-7017-1517-6.
- Armin Raab: Die Jahreszeiten. In: Armin Raab, Christine Siegert, Wolfram Steinbeck (Hrsg.): Das Haydn-Lexikon. Laaber-Verlag, Laaber 2010, ISBN 978-3-89007-557-0, S. 353–360.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die vier Jahreszeiten (Vivaldi, 1725)
- Die Tageszeiten (Telemann, 1757)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Erstdruck des Librettos in: Allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 3, Mai 1801, Beilage VII, S. XIX–XXVI
- Noten im International Music Score Library Project
- Die Jahreszeiten: MIDI/MP3-Version, mit Text und Übungsdateien für Choristen
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Georg August Griesinger: Biographische Notizen über Joseph Haydn. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1810, S. 70.
- ↑ Korrespondenz. Wien, den 2ten May 1801. In: Allgemeine musikalische Zeitung, 20. Mai 1801, S. 6 (online bei ANNO).
- ↑ Georg August Griesinger: Biographische Notizen über Joseph Haydn. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1810, S. 70.
- ↑ Albert Christoph Dies: Biographische Nachrichten von Joseph Haydn. Nach mündlichen Erzählungen desselben entworfen und herausgegeben. Camesinaische Buchhandlung, Wien 1810, S. 181f.
- ↑ Brief von Haydn an August Eberhard Müller, 11. Dezember 1801. In: Joseph Haydn: Gesammelte Briefe und Aufzeichnungen, unter Benützung der Quellensammlung von H. C. Robbins Landon herausgegeben und erläutert von Dénes Bartha. Bärenreiter, Kassel u. a. 1965, S. 389.
- ↑ Georg August Griesinger: Biographische Notizen über Joseph Haydn. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1810, S. 72.
- ↑ Sr.: Die Jahreszeiten von Haydn, in Leipzig. In: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 1, 157. Stück, 31. Dezember 1801, Sp. 1261–1264.
- ↑ Brief von Griesinger an Härtel, 20. März 1802. In: Otto Biba (Hrsg.): „Eben komme ich von Haydn …“ Georg August Griesingers Korrespondenz mit Joseph Haydns Verleger Breitkopf & Härtel, 1799–1819. Atlantis, Zürich 1987, S. 151–156, hier: S. 154f.
- ↑ Brief von Griesinger an Härtel, 7. April 1802. In: Otto Biba (Hrsg.): „Eben komme ich von Haydn …“ Georg August Griesingers Korrespondenz mit Joseph Haydns Verleger Breitkopf & Härtel, 1799–1819. Atlantis, Zürich 1987, S. 159f.
- ↑ Werner Oehlmann, Alexander Wagner: Reclams Chormusik- und Oratorienführer. Reclam, Stuttgart 2004, S. 377–382.
- ↑ Joseph Haydn, Gottfried van Swieten: Die Jahreszeiten. Oratorium für Soli, Chor und Orchester. Hob XXI:3. Hrsg.: Eusebius Mandyczewski. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1987.