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Carl Friedrich Gauß (1777–1855). Sammelband von Beiträgen zum 200. Geburtstag von C. F. Gauß. (German) Zbl 0532.01004

Wissenschaftsgeschichte. München: Minerva Publikation. 245 S. DM 39.50 (1981).
Im Gauß-Gedenkjahr 1977 führte die Universität München eine Vorlesungsreihe zu Ehren des 200. Geburtstages durch, die hier gesammelt und ergänzt um Anmerkungen und Quellenangaben herausgegeben werden. I. Schneider eröffnete die Reihe, indem er die Situation der Spitzenmathematiker, der Akademiemitglieder, im ausgehenden 18. Jh. beschrieb und den Wandel der sozialen Position wie der wissenschaftlichen Interessen deutlich machte, der mit Übergang der Forschung an die höheren Lehranstalten (die Écoles in Frankreich, die Universitäten in Deutschland) verbunden war. Ob allerdings das Streben nach Maximierung des Sozialprestiges gegenüber den genuin wissenschaftlichen, durch persönliche Veranlagung und das von Person zu Person verschiedene Erkenntnisinteresse bedingten Vorlieben generell derart ausschlaggebend bei Entscheidungen der damaligen Gelehrten war, wie hier angenommen, erscheint mir zweifelhaft.
Im 2. Vortrag behandelte I. Schneider als Beispiele des Gaußschen Schaffens die Themen Kreisteilungsgleichung, Fundamentalsatz der Algebra und Reihenkonvergenz.
Im 3. Vortrag stellte F. Schmeidler die Besonderheit der astronomischen Bahnberechnungen bei Gauß im Vergleich mit dessen Vorgängern heraus und knüpfte daran einige allgemeine Betrachtungen an über die Rolle des Genies in der konkreten historischen Situation der Wissenschaft.
Karin Reich beschrieb im 4. Vortrag die Tätigkeit von Gauß auf dem Gebiet der Geodäsie und wies auf den engen Zusammenhang mit seinen Arbeiten zur Differentialgeometrie wie auf deren Bedeutung innerhalb der Entwicklung von Euler bis Einstein hin. Berührungspunkte ergaben sich im 5. Vortrag, als Helmuth Gericke das Thema ,,Gauß und die Grundlagen der Geometrie” behandelte – einen weiten Bogen schlagend von den Babyloniern bis zu Riemann, wobei er vor allem die Beziehungen zur Philosophie stark hervorhob.
Der 6. Vortrag, wieder von I. Schneider gehalten, war der Begründung und Wirkungsgeschichte der Methode der kleinsten Quadrate im Rahmen der Wahrscheinlichkeitsrechnung gewidmet und bezog abschließend die Beschäftigung von Gauß mit versicherungsmathematischen Fragen bei der Sanierung der Göttinger Professoren-Witwenkasse in die Betrachtung ein.
Es folgt eine geistreiche, leicht aphoristische Zusammenfassung des 7., vom inzwischen verstorbenen J. O. Fleckenstein, gehaltenen Vortrags über die Potentialtheorie bei Gauß. Gauß’ Beschäftigung mit dem Erdmagnetismus wurde im 8., historisch weit ausgreifenden, dafür die mathematischen Details stärker zurückdrängenden Vortrag von Fritz Fraunberger dargestellt.
In der letzten Vorlesung gab Karin Reich, die 1977 eine Gauß-Biographie veröffentlicht hatte, einen zusammenfassenden Überblick über Leben und Werk, der noch einmal die zuvor angesprochenen Themen aufgriff, Ergänzungen dazu einflocht und Leistung und Leben miteinander verknüpfte. Alles in allem eine gelungene, freilich einige mathematische Vorkenntnisse voraussetzende Einführung und ein Baustein zu der noch immer fehlenden wissenschaftlichen Biographie des princeps mathematicorum.

MSC:

01A55 History of mathematics in the 19th century
01-06 Proceedings, conferences, collections, etc. pertaining to history and biography
00B15 Collections of articles of miscellaneous specific interest
01A70 Biographies, obituaries, personalia, bibliographies
01A80 Sociology (and profession) of mathematics

Biographic References:

Gauß, Carl Friedrich