Klaus Mattes's Reviews > Deutschland macht dicht

Deutschland macht dicht by Dietmar Dath
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bookshelves: 21st-century, capitalism, fairy-tale, germany, humour, post-modernism, rebellion, satire, romance, fantasy, war, teenager, boring

Vor diesem Buch muss gewarnt werden.
Gründe, ihn als Mensch und Ereignis der deutschen Medienlandschaft sympathisch zu finden, gibt es bei diesem intelligent aussehenden Bartträger aus Schopfheim im südbadischen Wiesental (heute in Freiburg ansässig) wohl einige. Er ist Chefredakteur der Rockmusik-Zeitschrift „spex“ gewesen, hat dann das Feuilleton der FAZ leiten dürfen, obwohl er sich selbst als Marxist bezeichnet hatte, schreibt heute für das namhafte Blatt über Filme. Freihändig wirft der mit Lenin- und Schernikau-Zitaten um sich. Letzteres ein junger schwuler Mann aus Niedersachsen, der freiwillig nach Ost-Berlin übersiedelte, nicht lange nach der Wiedervereinigung an Aids gestorben.

Was Dath außer Journalismus, Reden und Essays noch so geschrieben hat, Romane, Librettos, Graphic Novels, ist meist dem Genre Science Fiction zugeordnet worden. So auch das hier. Er wurde zum Suhrkamp-Autor und kam mit „Die Abschaffung der Arten“ auf die Shortlist zum Deutschen Buchpreis, mit seinem 1000-Seiten-Opus „Für immer in Honig“ zu einer Komplettlesung im Frankfurter Literaturhaus, die fürs Internet mitgeschnitten wurde.

Dennoch, ich warne vor „Deutschland macht dicht“, im gleichen Jahr erschienen wie das ein wenig mehr Aufsehen erregende Buch ähnlichen Titels des Berliner Professors Thilo Sarrazin. Daths Buch ist ganz einfach Quatsch. Vielleicht haben die beiden das ja auch gemeinsam. Quatsch geht schon irgendwie noch; man lässt sich bisweilen gern unter Niveau bespaßen oder dumm-dreist provozieren. Aber dieser hier ist leider quälend und langweilig. Ich nehme an, die meisten, auch wenn sie mal drüber geschrieben haben, haben es gar nicht ausgelesen. (Aber die Lösung kann das nicht sein.) Übrigens wenn man sich im Internet nach des Buchs Spuren in Feuilletons seiner Kollegen umsieht, findet man Statements in etwa des Inhalts: „Unlesbar kann man es nun aber nicht nennen.“ Wieso denn nicht, fragte ich mich.

Die Zeichnungen, die der Frankfurter Zeichner Piwi beigesteuert hat, sind hübsch geworden, erinnern an Robert Crumb und F. W. Bernstein.

Was DD mit diesem Titel „Deutschland macht dicht“ sagen wollte, danach frage mich bitte niemand, es werden auch sonst nicht eben viele wissen. Jedenfalls geht es um eine apokalyptische Comic-SF-Katastrophe, bei welcher die Zeit- und Ort-Punkte eines Landes, das sich der Rest-Welt und Rest-Menschheit schon seit Ewigkeit überlegen fühlte, sich radikal verschieben und ineinander verdrehen. Einige Teile das Freiburger Münsters stehen deshalb in Berlin. Ein sprechender Käse läuft durchs Land und feuert Raketen-Kanonen ab. Sie ahnen, was ich mit Science Fiction und Quatsch meinte? Man träumt und wandert dabei in andere Zeitschichten des vierdimensionalen Raums über. Sie verstehen schon.

Um auf eine Geschichte zu kommen, geht es um den Showdown zwischen zwei jungen Leuten, die uns wie füreinander bestimmt vorkommen. Hendrik, ein Abiturient, ob aus dem Wiesental, steht nicht dabei, und Rosalie Vollfenster, eine junge Dame, deren Vater Professor ist. Moment, der Showdown ist nicht zwischen diesen beiden, sondern sie fechten ihn gemeinsam aus gegen die Macht und die Macht heißt „Geld“. Das Geld ist eine unkonturierte Figur im Gespensternachthemd, die schweben kann. Das Geld hat seinen eigenen Wachhund, ein Monster, das Sumsilatipak heißt. Nur die intelligentesten Leser merken, dass man es von hinten lesen kann.

Weiterhin erscheint ein allwissender Stoffhase namens Mandelbaum, dazu ein sprechendes und herumlaufendes Gemälde namens „Ohne Titel“, ein kommunistischer Opa, eine taube Nuss, ein Ausgestoßener und der arme Teufel. Kurz vor Ende dann noch Jesus als Cowboy und er praktiziert Kung Fu. Wegen der Globalkatastrophe hat der Nabel der Welt sich in die Bankenzone von Frankfurt am Main verlagert. Logischerweise ist dies der einzige Punkt, von dem aus sie zurückgespielt werden kann. Das erreicht, kann besagtes junges Protagonisten-Paar auf ein Insel-Paradiso der Erinnerungslosigkeit gebeamt werden. Nicht echt gebeamt, so ähnlich nur, es muss noch ein paar Überraschungen für Leser, die durchhalten, geben.

Gut, okay, das klingt nach wie vor manierlich unterhaltsam. Kilgore Trout und Giorgio Agamben und was man als Spex-FAZ-Mann so gelesen hat. Aber wenn man es dann kauft und liest, ist es wie das größenwahnsinnige Wüten eines oberschlauen Oberstufen-Pennälers, bei dem alle anderen aus der Schülerzeitung ausgeschieden sind, weil er übergriffig und oberlehrerhaft war.

Ständig geschieht was to-tahl Ab-ge-FAH-Renes! Genau beschrieben oder nacherzählt wird es nicht, sondern stets nur benannt. Beschrieben oder erklärt wird sowieso nie was. Dafür stehen ewig die komisch ersonnenen Figürchen am Bühnenrand und belabern sich mit Sachen, die abgefahren sind. Hin und wieder kam der tote Deutschlehrer aus mir raus und machte rote Schlangen am Rand, weil FAZ-Redakteure ordentliches Deutsch schreiben können sollten oder sollten können schreiben.

Diese Beschreibung stimmte aufs Wort: Die integrierenden und ordnenden Teile des Weltmodells, das Hendriks Vater bis zu diesem Tag wie jeder Professor der Philosophie, der etwas auf sich hält, im Idealen und Geheimen gepäppelt und mit sich herumgetragen hatte, waren dank einer besonders anstrengenden Wahrscheinlichkeitsfluktuation aus der Gesamtanlage seiner Hirnbotanik herausgebrochen und im Kopf eines 46jährigen geschiedenen Versicherungskaufmanns im baden-württembergischen Ludwigsburg gelandet, der zum selben Inertialzeitpunkt, da der Professor auf den Raunzer der Millionärin so grundehrlich antwortete, plötzlich spürte, wie sich schwarmweise unwillkommene und nur scher assimilierbare Überlegungen zur Metaphysik und Soziologie der Kunst sowie den Werken von Benedetto Croce in seinem Hirn reckten und streckten, räkelten und aufbliesen wie liebeskranke Ochsenfrösche. Hilde Pinguin gab Professor Kilian nach seinem Amnesiebekenntnis einfach auf.
„Mmmh! Fein!“
„Sag’ mal, spinnst du?“
„Wieso?“
„Hast du das jetzt echt runtergeschluckt?“
„He“, protestierte Clea mit erhobenen Händen und zu ihm gedrehten Handflächen, „reg’ dich ab. Ist ja wohl nicht giftig. Weiß man doch, daß echte Münzen, wenn man sie schluckt, von der Verdauung ...“
„Nein! Nicht! Hört sofort auf damit! Geht da weg!“, rief eine Stimme von der stillgelegten Rolltreppe her, die sowohl Clea wie Hendrik sofort erkannten.
„Mensch, Röschen ...“, sagte er, und Clea rief gleichzeitig: „... Gott, nicht auch noch diese blöde Kuh ...“
Es war tatsächlich Rosalie.
Typisch, dachte Clea, als sie den Stoffhasen auf der Schulter der herbeieilenden Rivalin sah: Auch wenn die Welt zerfällt, besteht das Weib auf Niedlichkeit. Fragt sich bloß, wie sie das Ding da festgemacht hat. Wenn Hendrik jetzt nicht sieht, wie blöd die ist, so, wie sie da rumschreit und fuchtelt, samt Stoffhase auf der Schulter, dann soll sie ihn meinetwegen haben, dann kann ich ihm auch nicht helfen.
Als Mandelbaum anfing zu reden, fielen Clea fast die Ohren ab.

„Horst Evers und seine Freunde“, bitte übernehmen Sie!
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Reading Progress

Finished Reading
October 25, 2024 – Shelved
October 25, 2024 – Shelved as: 21st-century
October 25, 2024 – Shelved as: capitalism
October 25, 2024 – Shelved as: fairy-tale
October 25, 2024 – Shelved as: germany
October 25, 2024 – Shelved as: humour
October 25, 2024 – Shelved as: post-modernism
October 25, 2024 – Shelved as: rebellion
October 25, 2024 – Shelved as: satire
October 25, 2024 – Shelved as: romance
October 25, 2024 – Shelved as: fantasy
October 25, 2024 – Shelved as: war
October 25, 2024 – Shelved as: teenager
October 25, 2024 – Shelved as: boring

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