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Was ist ein gutes Foto?

Aus Wikiversity
Erarbeitet von RalfR (Juli/August 2011)

Zugegeben, schon der Seitentitel ist etwas provokant. Diese Frage ist objektiv nicht zu beantworten. Ein Foto rein technisch- wissenschaftlich zu betrachten ist zwar möglich, es ist aber wenig sinnvoll. Trotzdem gibt es technische und objektive Kriterien für die Bewertung von Fotos. Letzten Endes ist jedoch der Gesamteindruck des Bildes entscheidend. Wenn der stimmt, kann man auch über etwaige technische Mängel hinwegsehen.

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Dies ist schon immer mein Leitspruch beim Fotografieren gewesen. So werde ich auch die eingereichten Fotos beim Wettbewerb einschätzen. Jeder kann teilnehmen, egal welche Ausrüstung sie oder er hat. Ein Handyfoto hat es logischerweise beim gleichen Motiv verdammt schwer gegen die Profikamera, das ist zweifellos. Die jahrealte DSLR hat Mankos wie Rauschen, w:Chromatische Aberration und andere Probleme, derartige Probleme der Technik sind für mich jedoch zweitrangig.


  1. Motivwahl: - Wir schreiben eine Enzyklopädie, wir machen keinen Hochglanzbildband. Das Bild soll Artikel gut illustrieren. Es soll das Bauwerk typisch und anschaulich darstellen. Entscheidend ist Wiedererkennung und sachliche Darstellung, extreme Perspektiven, reißerische Bearbeitungen, Farbfilter oder andere "künstlerische" Effekte lehne ich im Fall von Wikipedia in den meisten Fällen ab. Es gibt Ausnahmen. Der Artikel Farbstich muß durchaus bebildert werden, ähnliche Beispiele lassen sich finden. Das ist aber eher eine Ausnahme. Bilder sollen dokumentieren, sie sind keine Kunst zm Selbstzweck.

Bild 2: zusammengesetzt aus 9 Einzelbildern Bild 1: normale Weitwinkelaufnahme

  1. Auflösung: - XX Megapixel ist für mich kein Kriterium. Pixelmonster sind ganz nett aber nicht unbedingt Voraussetzung für die Bebilderung unserer Projekte. Wenn noch dazu die großen Bilder nicht durch die Aufnahme sondern durch Zusammenrechnen entstanden sind, dann sehe ich darin (meist) keinen Mehrwert. Vielmehr ist man darauf angewiesen, der Software zu vertrauen, daß sie bei der Rechenarbeit alles richtig gemacht hat, daß sie keine geometrischen Fehler eingebaut hat, die mit einer einfachen Aufnahme auszuschließen sind. Es gibt freilich Ausnahmen. Beim Dresdener Relief muß man zwangsläufig eine sehr hohe Auflösung haben, um die Details zu erkennen.
    Die nebenstehenden Aufnahmen entstanden innerhalb weniger Minuten vom gleichen Standpunkt aus, ersteres Foto mit Weitwinkel 20 mm, zweiteres aus 9 Einzelaufnahmen, die mit 50 mm Festbrennweite angefertigt und zusammengerechnet wurden. Beim zusammengerechneten Foto ist kein Mehrwert vorhanden, nur eine etwas größere Auflösung.
Bild 1 Bild 2
Brennweite 20 mm (30 mm KB) 50 mm (75 mm KB)
Datenmenge 3,59 MB 18,21 MB
Auflösung 4.288 × 2.848 8.611 × 6.366
Auffallend ist in diesem Beispiel, daß sowohl die Kamera- als auch die Softwareautomatismen von Photoshop eine Farbverfälschung erzeugt haben, die erst im direkten Bildvergleich deutlich wird. Die Farben im ersten Beispiel stimmen eher mit den natürlichen Gegebenheiten überein.

Entzerrung wäre vollkommen sinnlos zu starke Verzerrung: wirkt vollkommen unnatürlich, schlechtes Beispiel

  1. Korrektur stürzender Linien: sollte wenn überhaupt nur sehr vorsichtig vorgenommen werden, der Bildeindruck soll dem menschlichen Auge folgen und nicht der geometrischen Korrektheit. Eine 100%ige Entzerrung wirkt meistens unnatürlich und ist bis auf ganz wenige Ausnahmen abzulehnen. Man kann auch nicht jedes Motiv entverzerren, bei einigen Aufnahmesituationen gehören starke stürzende Linien zur Bildaussage. Eine völlige Korrektur stürzender Linien läßt das Bauwerk oben zu dick erscheinen und wirkt damit unnatürlicher

Unschärfe in der Tiefe hebt das Hauptobjekt hervor beabsichtigte Bewegungsunschärfe macht ein Bild lebendiger

  1. Schärfe: Oft wird Schärfe und Tiefenschärfe verwechselt. Selbst wenn man die "richtige" Schärfe meint, ein 100%ig eingefrorenes Foto ist oftmals weniger interessant. Die bewußte Fokussierung auf das Hauptobjekt hebt es vor anderen Objekten ab. So kann ein vorbeifahrendes Auto oder ein Radfahrer, das Laub am Baum vor dem Denkmal ruhig Bewegungsunschärfe aufweisen, daraus kann ein Bild profitieren. Die Schärfentiefe kann nicht mit allen Kameras gezielt beeinflußt werden. Wo dies möglich ist, sollte man zu diesem Gestaltungsmittel greifen.

Beschnitten und damit aufs Wesentliche beschränkt wirkt das Foto harmonischer. Das quadratische Format beruhigt den Blick. Abgeschnitten wurde nichtssagende Straße, Schatten und Himmel. Der Schatten wirkt durch den Beschnitt weniger störend. Im Himmel sind keine Informationen verloren gegangen, die für die Bildaussage eine Bedeutung hätten.

  1. Format: Die überwiegende Mehrzahl der eingebundenen Fotos liegt im Querformat vor. Manche Motive verlangen jedoch Hoch- oder Quadratformat, um richtig zu wirken. Dabei muß der vertikal ausgerichtete Kirchturm nicht zwangsläufig ein Hochformatbild bekommen. Eine Querformataufnahme kann sinnvoll sein, wenn die Umgebung für das Objekt eine große Rolle spielt. Es kommt auf das jeweilige Motiv an. In vielen Situationen ist in der Architektur die Verwendung des quadratischen Formats sinnvoll, auch und vor allem bei starken Weitwinkelaufnahmen.

  1. Analogfotos: Auch wenn heute kaum noch jemand darüber nachdenkt, Analogtechnik existiert weiterhin. Die analogen Fotos sind keineswegs prinzipiell besser oder schlechter als digitale. Ein 30 Jahre altes selbst aufgenommenes Bild mit mittlerweile verblassenden Farben kann einen weitaus größeren Wert darstellen als ein heutiges, welches technisch viel besser geraten ist.

HDR-Bild, welches in Farbe nicht überzeugen kann echtes Schwarzweißbild

  1. Schwarzweiß: Schwarzweißumwandlungen von Digitalbildern sind etwas völlig anderes als Fotos auf Schwarzweißfilm. Und den Unterschied sieht man meistens sofort. Schwarzweißumwandlungen zum Selbstzweck oder als "künstlerischer" Aspekt sind abzulehnen. In einigen Situationen ist ein Schwarzweißbild jedoch informativer, es gilt von Motiv zu Motiv abzuwägen. Es ist in keinem Fall ausreichend, ein Farbfoto einfach nur in Graustufen umzurechnen. So entstandenen Bilder sind matschig grau, haben zu wenig Kontrastumfang und entsprechen nicht der menschlichen Sichtweise. Bei Analogaufnahmen haben Schwarzweißfilme eine veränderte Rotempfindlichkeit, die das Endergebnis technisch zwar falsch, subjektiv jedoch korrekt widergeben. Dies ist bei der Umwandlung eines Farbbildes zu beachten.

viel zu helle Nachtaufnahme unnatürlich erhöhte Kontraste; da hier lediglich die Helligkeit einigermaßen stimmt, ist das Bild in Schwarzweiß nach Abdunklung noch brauchbar

  1. HDRI: (High Dynamic Range Image, Bild mit hohem Dynamikumfang) ist eine Modeerscheinung, weil sämtliche Digitalkameras starke Helligkeitskontraste nicht darstellen können. Die als Ersatz benutzte Softwarelösung schafft zwar oftmals interessate Effekte, mit Dokumentationsfotografie hat das allerdings oft nichts mehr zu tun. Wie bei vielen Dingen ist HDRI dann gut, wenn man es nicht bemerkt. Als Effekthascherei mit zu bunten Farben ist es jedoch abzulehnen.

  1. Manipulationen: Deutlich sichtbare Bildmanipulationen sind für mich ein Ausschlußkriterium. Dies betrifft falsche Schatten durch ausgewechselten Himmel, künstliches Schaffen einer nicht real vorhandenen Lichtsituation oder auch sichtbar manipulierte Nummernschilder an Fahrzeugen. Wer einen Papierkorb oder Grafitty wegretuschiert, so daß man es nicht bemerkt - bitteschön, warum nicht. Polfilter sind ebenfalls kein Problem. Aber sichtbare Manipulationen haben auf dokumantarischen Fotos nichts zu suchen.