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Seite:Die Gartenlaube (1887) 400.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Erste Schritte. Die Litteraturgeschichte aller Nationen ist reich an merkwürdigen Beispielen für die Tragik des Kämpfens und Ringens der Dichter, und es zeigt sich fast immer, daß die Götter vor den Erfolg nicht nur den Schweiß, sondern auch die Enttäuschung gesetzt haben. Ja, man kann sogar behaupten, daß die meisten Autoren, die später zu hohem Ansehen gelangten, am Beginn ihrer Karrière mit einem exemplarischen Mißerfolg debütirten. So erging es Sardou, dessen Drama „La Taverne des Etudiants“ erbarmungslos ausgepfiffen wurde. Der Autor selbst hat dieses Stück später als seine größte Jugendsünde bezeichnet, aber das Fiasko brachte ihn nicht außer Fassung; einem Freunde schrieb er einmal darüber: „Das Pfeifen entmuthigte mich nicht, es zeigte mir deutlich die Fehler des Stückes. Das Theater erfordert Bewegung, Leben, Leidenschaft; meine Arbeit hatte nichts davon. Ich studirte nun Nächte, Wochen, Monate, studirte Alles, was zu einem Theaterstück gehört, und ich habe das Geheimniß dieses wunderbaren Organismus ergründet, in welchem das kleinste Rädchen seine Funktion hat wie im menschlichen Organismus.“

Noch ärger erging es dem fruchtbaren Scribe, dessen erstes Stück „Le dervis“ den Reigen der Durchfälle eröffnete, von welchen Scribe’s dramatische Thätigkeit vier Jahre lang begleitet war, bis endlich 1816 „Une nuit de la garde nationale“ eine Jahrzehnte währende Periode großer Erfolge einleitete. Auch der gefeierte Dumas père empfing seine erste Tragödie aus den Händen des Sekretärs vom Théâtre Français zurück; zur Aufführung des Dramas „Christine de Suède“ kam es gar nicht. Nicht besser erging es Augier mit seiner Erstlingsarbeit „La Cigue“. Merimé verschaffte seinen geistvollen Komödien erst Gehör, als er sie für „Uebersetzungen aus dem Spanischen“ ausgab und sogar eine spanische Schauspielerin Clara Gazul erfand, der er die Urheberschaft zuschrieb.

Die ersten Novellen Daudet’s und sein erster, später mit großem Beifall gelesener Roman wurden von Zeitschriften zurückgewiesen. Dasselbe Loos erlebten Feuillet und Théophile Gautier; auch ihnen wurden ihre ersten Arbeiten von den Redaktionen als unbrauchbar zurückgeschickt. Walter Scott erzielte mit seinen metrischen Uebersetzungen von Bürger’s Balladen keinen Erfolg, und mit dem meisterhaften Roman „Vanity fair“ ging Dickens[WS 1] lange Zeit in London bei den Verlegern hausiren. Auch der berühmte Roman „Jane Eyre“ ist von verschiedenen Verlegern zurückgewiesen worden. Die Verfasserin Currer Bell hatte bereits alle Hoffnung verloren, als Smith Elder und Kompagnie den Werth der Arbeit erkannten und mit Enthusiasmus an die Herausgabe der oftverschmähten Arbeit schritten.

Auch den deutschen Dichtern ging es zum großen Theil nicht besser, als sie ihre ersten Schritte thaten; die Litteraturgeschichte giebt darüber Aufschluß. Die gefeiertsten Dichter, die später die Poesie und den Geschmack des Publikums kommandirten, blicken auf dornenvolle Anfänge zurück, und gewöhnlich hieß auch hier die erste Station auf dem Passionsweg des deutschen Poeten „Mißerfolg“.

Eine arabische Tänzerin. (Mit Illustration S. 389.) Alle orientalischen Völker lieben den Tanz nicht wie wir als ein geselliges Vergnügen, sondern als Schauspiel. Der Orientale tanzt nicht, er läßt sich etwas vortanzen, eine „Fantasia“, wie es dort heißt. Von den kleinasiatischen Küsten des Mittelmeeres, von Aegypten, Tunis, Marokko bis in die ehemals von Mauren bewohnten Gebiete des christlichen Spaniens hinein unterhält der Tanz das zuschauende Publikum. Sind es in Granada Zigeunerinnen, die solch Schauspiel für Geld ausführen, auf den Oasen der Sahara braune Weiber mit lose um den Körper flatternden Gewändern, so sehen wir in den von Arabern reinen Schlages bewohnten Gebieten die Alméen durch solche Produktionen das Publikum unterhalten. Prächtige Frauengestalten mit Köpfen von reinster Rassenschönheit, das blauschwarze Haar mit Münzen und Schleiertüchern geschmückt, den üppigen Leib von leichter, loser Gewandung halb umhüllt, überragen diese Alméen an Liebreiz, Grazie und Schönheit weit jene Biskris und die Zigeunerinnen des Albaycin. Ihre Kunstübung aber ist im Wesentlichen überall die gleiche. Im Kaffeehause hocken die Männer rings an den Wänden auf Polstern. Schweigend rauchen sie aus langen Pfeifen; schweigend schlürfen sie den wundervollen schwarzen Kaffee; kein Wort des Gespräches zerstreut sie, die Unterhaltung erwarten sie von außen her. Diese beginnt mit einer gräulichen Musik von schrillem Blech und dumpfen Trommeln. Die Tänzerin erscheint in der freien Mitte des Raumes, meist allein, manchmal in Begleitung eines braunen Mannes oder einer weiblichen Gefährtin.

Die Fantasia nimmt ihren Anfang. Der Tanz führt diesen Namen mit Recht, denn es ist kein Tanz, sondern ein wohliges Dehnen, Wiegen, Schaukeln des Oberkörpers, ein sinnliches Locken und Haschen. In kurzen Bewegungen zuckt der üppige Körper, schnellt empor, zieht sich schnell wieder zusammen, während das Gesicht niemals seine träumerische Ruhe verliert; nur die feucht schwimmenden Augen richten sich in mattem Glanze auf das Rund der Zuschauer, die, durch das Schauspiel aus ihrer Apathie erweckt, mit leuchtenden Blicken die in der That fesselnden Bilder verschlingen. Die Almée ermattet scheinbar, die schönen Glieder werden schlaff, die Arme sinken am Körper herab. Dies dient zum Signal, um der Tanzenden Münzen verschiedenen Werthes auf den Teppich zu werfen, der den Fußboden deckt. Schnell rafft sie die Gaben zusammen, grüßt leise rings umher und verschwindet, um im nächsten Kaffeehause das gleiche Schauspiel vorzuführen. Die Almée tanzt jedoch nicht nur in Kaffeehäusern; man entbietet sie in die Wohnungen der Vornehmen und Reichen. So sehen wir sie offenbar auf unserem Bilde: das bezeugen die Teppiche auf den Sitzen, die Säulen und Vorhänge im Hintergrunde. Sie scheint gleichgültig die Castagnetten, ihre kleinen Waffen zu prüfen, wie der Kämpfer die seinigen vor Beginn des Kampfes. Doch das ist nur Spiel, künstliche Apathie, aus der sie plötzlich emporschnellt; das Auge belebt sich, Feuer scheint ihre Adern zu durchströmen, sobald sie tanzt. Das wiederholt sich an jedem Abend, nicht nur in größeren Städten, sondern überall bis in die Palmenwälder der Sahara-Oasen. Nur Typus, Rasse und Erscheinung der orientalischen Tänzerinnen sind verschieden und unter allen nimmt die Almée, die wir nur im Osten, in Aegypten, in Arabien finden, an Grazie, Schönheit und Vornehmheit den ersten Rang ein.

Meyer’s Volksbücher. Die stehende Redensart von den hohen Bücherpreisen in Deutschland hat jedenfalls bezüglich der klassischen Werke ihre Berechtigung verloren. Schon allein durch die treffliche Cotta’sche „Bibliothek der Weltlitteratur“ ist für eben so vorzügliche wie billige Ausgaben der Klassiker – und nicht bloß der deutschen – gesorgt. Eine neue billige Ausgabe der klassischen Schriften aller Nationen und Zeiten bringt gegenwärtig das Bibliographische Institut in Leipzig unter dem Titel: „Meyer’s Volksbücher“, in Heftchen zum Preise von je 10 Pfennig. Von dem empfehlenswerthen Unternehmen sind bis jetzt gegen 200 Nummern erschienen, welche sehr gefällig ausgestattet und durch ihre Billigkeit auch dem Unbemitteltsten zugänglich sind. **     


Schach.
Von Ludwig Fechter in Wien.
SCHWARZ

WEISS

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 368.
Weiß: Schwarz:
1. T g 4 – g 2 ! e 5 – e 4 !
2. f 3 – e 4 : † K d 5 – e 4 : (e 5)
3. T g 2 – e 2 (g 5) matt.
Varianten. a) 1. … L : T (L e 2), 2. D a 1 etc. – b) 1. … d 2, 2. T d 2 : † etc. – c) 1. … beliebig anders, 2. D h 3 etc.



Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Anfrage. Wer kann ein zuverlässiges Mittel angeben, wie man Ameisen aus Küche und Zimmer vertreibt?

B. K. in W. Sie wollen in Paris Arbeit suchen. Wir möchten Ihnen davon abrathen. Der deutsche Hilfsverein zu Paris erläßt wiederum einen Warnungsruf, daß nicht so viele Deutsche aufs Gerathewohl sich nach Paris begeben möchten. Die gegenwärtigen Verhältnisse, heißt es in dem neuesten Jahresbericht des Vereins, liegen hier derart, daß es nur in einzelnen Ausnahmefällen solchen Leuten gelingt, Arbeit zu finden. Die weitaus größte Mehrzahl findet sie nicht, kommt beinahe mittellos hier an und fällt sofort dem Hilfsverein zur Last. Dieser aber ist außer Stande, mit seinen unzureichenden Mitteln und gegenüber den von allen Seiten an ihn gestellten Anforderungen, denselben die nöthige und erwünschte Hilfe zu bringen.

Rosenfreund in B. Es ist eine altbekannte Thatsache, daß durch das Bespritzen der Rosenstöcke mit Laugen-, Seifenwasser und Tabakaufguß eine radikale Abhilfe der Plage der Blattläuse nicht erzielt wird. Die Eier der Insekten trotzen diesen Mitteln und nach kurzer Zeit sind die gelichteten Scharen der Rosenfeinde wieder vollzählig. Besser ist in der Wirkung das Naphthalin. Kleinere Blumenstöcke stellt man behufs der Vertilgung von Blattläusen unter eine Glasglocke mit einigen Streifen Papier, welches in Naphthalinlösung getaucht wurde. – In ein bis zwei Stunden sind die Insekten getödtet. Länger darf man aber die Pflanzen dem Einfluß des Naphthalins nicht aussetzen, da dasselbe sonst die Blätter angreift. – Im Freien wickelt man die am meisten betroffenen Stellen der Stöcke mit Naphthalinpapier ein und vertheilt kleine Stückchen desselben über die Pflanzen sowie am Erdboden unter denselben. Auch dieses Mittel bringt im Freien nur Minderung des Uebels für längere Zeit und muß darum wiederholt angewandt werden.

R. Pf. in M. Nach dem Werke „Der deutsch-französische Krieg 1870/1871. Redigirt von der kriegsgeschichtlichen Abtheilung des großen Generalstabes“ betrug die Gesammtsumme der Verluste der deutschen Armee 6157 Officiere und Officierdienstthuende, 123453 Mannschaften. Als „todt oder in Folge der Verwundung gestorben“ sind verzeichnet 1871 Officiere und 26397 Mannschaften, als „verwundet“ 4184 Officiere und 84304 Mannschaften, als „vermißt“ 102 Officiere und 12752 Mannschaften. Außerdem finden sich noch in der Verlustliste verzeichnet 6 Oberstabsärzte, 1 Regimentsarzt, 30 Stabsärzte, 1 Feldarzt, 36 Assistenzärzte, 7 Unterärzte, 4 Feldgeistliche, 3 Zahlmeister, 1 Intendanturbeamter, 1 Proviantbeamter. Der Verlust an Beamten im Feld-Eisenbahndienst betrug 34 Personen. Bei Unglücksfällen auf den Eisenbahnen wurden 14 Beamte getödtet und 17 verwundet.

K. M. in Braunschweig. Einen Artikel über Karl Sontag finden Sie im Jahrgang 1877 der „Gartenlaube“ (S. 381) unter dem Titel „Ein Humorist der Bühne und der Feder“. Demselben ist ein Bild Sontag’s beigegeben, welches den Künstler als Bolingbroke in Scribe’s „Ein Glas Wasser“ darstellt.


Inhalt: Götzendienst. Roman von Alexander Baron v. Roberts (Fortsetzung). S. 385. – Gut Wetter! Illustration. S. 385. – Jagdleben im Hochland. Geschildert von Ludwig Ganghofer. 1. Auerhahnfalz. S. 392. Mit Illustrationen S. 392, 393 und 397. – Wetterprognosen. Von M. Wilhelm Meyer. S. 395. – Ein Autograph. Bühnenerinnerung von Marie Knauff. S. 398. – Blätter und Blüthen: Ausstellung der Adressen zu Kaiser Wilhelm’s 90. Geburtstage. S. 399. – Nachklänge zur Uhland-Feier. S. 399. – Erste Schritte. S. 400. – Eine arabische Tänzerin. S. 400. Mit Illustration S. 389. – Meyer’s Volksbücher. S. 400. – Schach. S. 400. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 368. S. 400. – Kleiner Briefkasten. S. 400.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nicht Dickens, sondern Thackeray schrieb Vanity Fair.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_400.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)