verschiedene: Die Gartenlaube (1865) | |
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No. 51. | 1865. |
(Fortsetzung.)
Frau von Weiden machte eine Bewegung des Bedauerns. „Es thut mir leid,“ sagte sie mit einem Blick auf Richard, „aber wir werden dem Vortrage nicht beiwohnen können!“
„Wie!“ riefen Bernhardine und Juliane wie aus Einem Munde, „so Etwas könnten Sie versäumen?“
„Wir werden morgen früh Hainsfeld verlassen müssen,“ erwiderte jene. Und zu der Baronin gewendet fuhr sie fort: „Der Brief, den ich gestern Abend erhalten habe, war von meinem Onkel Troßbach. Er hat seine Wirthschafterin verloren und ladet mich ein, seinen Haushalt zu führen.“
Frau von Hainsfeld nickte, konnte dann aber nicht umhin, ein gewisses Bedenken zu verrathen. „Was ich von dem Manne gehört habe –“
„Kann mich nicht abhalten!“ versetzte die Wittwe. „Uns Beide hat die Welt in den letzten Jahren nicht verwöhnt; und wenn der alte Herr grillenhaft und jähzornig ist, so finden wir auf seinem einsamen Gütchen doch eine Unterkunft, die wir durch unsere Thätigkeit abverdienen. Wir sind Niemand zur Last und erleichtern Jemand das Leben.“
Die Baronin besann sich einen Augenblick, dann erwiderte sie: „Allerdings! Und vielleicht ist er nicht so schlimm, wie man ihn macht.“
„Er mag sein, wie er will,“ entgegnete Frau von Weiden mit einem resignirten Lächeln, „wir sind auf ihn gefaßt.“
Bernhardine, immer noch von einer dumpfen Empfindung gedrückt, als ob ihr Juliane in der Gunst des Landwirths einen Schritt vorausgekommen sei, rief jetzt: „Müssen Sie denn aber so schnell abreisen? Können Sie, um einem Vortrag und einem Schauspiel beizuwohnen, wie es uns in Aussicht steht, nicht noch einen Tag zugeben?“
„Das hab’ ich eben auch sagen wollen!“ bemerkte Juliane.
„Sie haben gehört, was mein Onkel für einen Humor hat. Er wünscht, daß wir sobald als möglich eintreffen, und ich möchte ihm keine Gelegenheit geben, uns gleich mit einer Probe seiner Fähigkeiten zu empfangen.“
Während die Baronin die beiden Eifrigen mit einem spöttischen Lächeln ansah, bemerkte Richard mit Ernst, fast unwillig: „Meine Damen, lassen wir doch jetzt diese Kleinigkeit!“ Er trat zu Frau von Weiden und Marie und sagte theilnehmend: „Ich hätte Ihnen Beiden ein besseres Loos gegönnt, als einen alten Murrkopf zu pflegen. Aber da Sie es annehmen und entschlossen sind, so können wir Sie nicht abhalten wollen. Unter allen Umständen haben Sie eine Aufgabe und können Gutes thun.“
„Entfernt von der Welt,“ fügte die Wittwe hinzu, „in der wir die letzten Jahre eine so wenig angenehme Rolle gespielt haben.“
„Es ist ein Glück,“ rief Marie bewegt, „ein wahres Glück!“
Dieser Ausruf hatte etwas eigen Rührendes, Richard betrachtete das Mädchen und sagte herzlich: „Sie sind sehr bescheiden, liebe Marie. Die Welt muß Ihnen wenig geboten haben, daß Sie in Ihrem Alter sich auf die Einsamkeit freuen. Aber,“ setzte er mit gutmüthigem Lächeln hinzu, „seien Sie getrost, es giebt eine Ausgleichung, und das Glück kommt oft plötzlich und da, wo man’s gar nicht vermuthet hat!“
Marie erröthete, fast glücklich. Aus ihren feuchten Augen ging ein Blick des Dankes.
Wer einen Zweck hat und Ausdauer und Muth besitzt, der wird jede Gelegenheit, Etwas dafür zu thun, zu benutzen suchen. Bernhardine war noch nicht fertig. Sie trat vor, so daß sie neben Juliane zu stehen kam, und sagte zu den Scheidenden: „Ich wünsche Ihnen Glück und alles Gute auf die Reise. Aber offen muß ich gestehen, ich wäre nicht im Stande, mich von Hainsfeld so rasch zu trennen, ich würde unter den gegenwärtigen Umständen bleiben, möchte daraus entstehen, was da wolle.“
Eine Röthe heroischer Entschlossenheit ging bei diesen Worten über ihre Wangen.
Die Baronin hatte nachdenklich dagestanden. Mit einem Mal wendete sie sich zu den jungen Damen und sagte: „Da Sie für Hainsdorf und meinen Sohn ein so freundliches Interesse zeigen, so darf ich Ihnen nicht länger eine Nachricht vorenthalten, die für die Welt noch ein Geheimniß ist, die es aber für Sie nicht mehr sein soll. Wir haben Etwas zu melden, was gütige, theilnehmende Seelen mit Freude vernehmen werden.“
Die Gesichter der Jungfrauen erhielten einen feierlichen Glanz der Erwartung.
„Haben Sie die Herrschaft in Böhmen gewonnen?“ rief Bernhardine zu Richard. „Sie besaßen Loose –“
Die Baronin schüttelte den Kopf.
„Haben Sie eine Entdeckung gemacht,“ rief Juliane, „die Ihrem Namen die Unsterblichkeit sichert?“
Erneuertes Kopfschütteln.
„Haben Sie den Kronorden erhalten? Hat man Ihnen das Doctordiplom zugeschickt?“ riefen die Damen durcheinander.
„Nichts von alledem,“ entgegnete die Baronin. „Aber das Ereigniß, das wir Ihnen mitzutheilen haben, ist nicht minder wichtig und freudenreich. Mein Sohn hat sich verlobt – er ist glücklicher Bräutigam!“
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 801. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_801.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2022)