verschiedene: Die Gartenlaube (1865) | |
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Die Erlaubniß zu dem Besuche dieser Katakomben ist jetzt so sehr erschwert und wird von Seite des Erzbischofs – der selbe allein zu ertheilen hat – so selten gegeben, daß von hundert Wienern achtzig nicht einmal um das Dasein dieser grausigen Räume wissen und ungläubig den Kopf schütteln, wenn man von dieser Unterwelt unter ihren Füßen erzählt. Es gehörten die ausgebreitete Bekanntschaft und der ganze Einfluß unseres Freundes dazu, um einer kleinen Gesellschaft einen solchen Freipaß zu verschaffen, worauf wir im Januar dieses Jahres, Mittags um zwei Uhr, die Wanderung in die Wohnungen der Abgeschiedenen antraten.
Der Eingang ist nicht, wie wir vermuthet, von der Kirche aus, sondern derselben gegenüber durch eine eiserne Thür, an welcher ich tausendmal vorüber gegangen war, ohne dieselbe zu beachten. Ein Führer und drei Fackelträger sollten unsere Begleiter sein. Wir wurden angewiesen, zur Vermeidung alles Aufsehens, einzeln, in kurzen Zwischenräumen ins Haus zu treten, da eine Vermuthung unserer Absicht uns Hunderte von Neugierigen an den Hals gezogen haben würde. Ueber eine halbverfallene Treppe kommt man in eine Art von Vorgewölbe, in welchem Sägespäne, Holzreste etc. aufgeschichtet liegen, wie einer der Anwesenden meinte „die Rumpelkammer der Todten.“ Der Führer öffnet nun eine eiserne Thür, und wir befinden uns in den Katakomben. Weder irgend ein geschichtlicher, noch ein traditioneller Anhaltspunkt belehrt uns, zu welchem Zweck diese noch zum großen Theil unerforschten ungeheuren eisenfesten Räume eigentlich erbaut worden sind. Möglicher Weise zur Benutzung als Gruft für
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_261.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)