ADB:Leopold (Erzherzog von Österreich)
Erzherzogs Rainer und der Prinzessin Maria Elisabeth, Tochter des Herzogs Karl Emanuel Ferdinand von Savoyen-Carignan, erhielt eine vortreffliche, Geist und Herz bildende Erziehung. Schon in der Kindheit ernst und sinnend, kannte er keine größeren Vergnügungen, als militärische Uebungen, zu denen später ernste Studien traten, die sich vornehmlich technischen Wissenschaften zuwendeten. Am 15. Juni 1835 zum Obersten und Inhaber des Infanterieregiments Nr. 53 ernannt, wurde der Erzherzog zehn Jahre später dem Husarenregimente Nr. 5 zugetheilt, um unter der Leitung des damaligen Oberstlieutenant Mészáros, des nachmaligen ersten ungarischen Kriegsministers, in den Reiterdienst eingeführt zu werden. Am 14. September 1846 wurde Erzherzog L. zum Generalmajor ernannt und vier Tage später auf seinen [656] besonderen Wunsch dem Geniehauptamte zugetheilt. Bei Santa Lucia, 6. Mai 1848, empfing der Erzherzog unter den Augen Radetzky’s die Feuertaufe, besondere Verdienste aber erwarb er sich im J. 1849, als es galt, das Fort Malghera, den wichtigsten Offensivpunkt des Feindes zu bezwingen. Die technischen Schwierigkeiten bei der Belagerung des Platzes waren ungeheuer, ein vierzehntägiger Regen verhinderte die Eröffnung der Tranchéen, zudem hatte der Feind mit Hülfe von Schleusen den Wasserspiegel der Canäle gehoben und das vorliegende Terrain künstlich überschwemmt. Vom Thurme von Mestre aus leitete der Erzherzog die Bewegungen der Genietruppen, ließ Durchstiche machen und Dämme bauen und am 24. Mai konnten endlich alle Batterien in Wirksamkeit treten, drei Tage später war das Fort von den Oesterreichern erobert. Am 25. September 1850 zum Feldmarschalllieutenant und Divisionär beim 4. Armeecorps ernannt, wirkte Erzherzog L. bei der Pacifikation Schleswig-Holsteins mit und war dann als Divisionär im 3. Armeecorps thätig.
Leopold, Erzherzog von Oesterreich, königlicher Prinz von Ungarn, geboren am 6. Juni 1823 zu Mailand als ältester Sohn desDas Jahr 1855 führte den Erzherzog wieder zu seiner Lieblingswaffe zurück, indem er am 24. November zum Generalgeniedirector ernannt wurde und die Leitung des gesammten Geniewesens übernahm. Die Friedensjahre vor und nach dem Feldzuge gegen Frankreich und Italien benutzte er zur Erwerbung und Nutzbarmachung militär-technischer Erfindungen. Die ersten Versuche im Minen-, Seeminen- und Torpedowesen sind auf seine Anregung zurückzuführen. Ein von einem österreichischen Genieofficier eingerichteter elektrischer Feldzündapparat wurde unter des Erzherzogs unmittelbarer Einflussnahme bei den Genietruppen eingeführt; ihm dankt auch die neu eingeführte wichtige Feldtelegraphie ihre auf der Höhe der Zeit stehende Organisation und durch eine lange Reihe von praktischen Versuchen wurden der Einführung des Dynamits die Wege geebnet und dessen praktische Anwendung in Oesterreich dadurch ermöglicht. Theoretische sorgte der Erzherzog für eine erweiterte wissenschaftliche Ausbildung der Genieofficiere, für Erhöhung der Lerndauer an der Geniefachschule, Einführung von Instructionsreisen der Frequentanten u. s. w. Der Stadt Wien leistete der Erzherzog wesentliche Dienste, indem er die Stollen der neuen Wasserleitung durch die Genietruppen ausarbeiten ließ. In Anerkennung dieser hervorragenden Verdienste verlieh Kaiser Franz Joseph dem Erzherzoge, der am 8. December 1860, gelegentlich der Reorganisation der Geniewaffe zum Generalgenieinspektor ernannt worden war, das Großkreuz des St. Stefansordens und übertrug ihm am 21. October 1862 die Inhaberschaft des Genieregiments Nr. 2.
Seit 27. Juli 1865 leitete Erzherzog L. auch die Geschäfte eines Marinetruppen- und Flotteninspectors. In dieser Stellung legte L. besonderes Gewicht auf die kriegstüchtige Ausbildung des Marinepersonals und bekundete dabei klaren Blick für die Aufgaben der Flotte, so daß er wesentlich zur Schaffung der Bedingungen beitrug, welche der k. k. Marine während des Seekrieges von 1866 eine von glänzendem Siege gekrönte Offensive ermöglichte. Die Thätigkeit des Erzherzogs als Commandant des 8. Armeecorps wird in der einschlägigen Litteratur wenig günstig beurtheilt; doch wird ein abschließendes Urtheil hierüber sowie über die Beziehungen Leopold’s zu seinen Unterführern einerseits und zu Benedek andererseits, der Zukunft vorbehalten bleiben müssen. Am 4. Januar 1867 wurde er zum General der Cavallerie, 29. Februar 1868 zum Generalgenieinspector ernannt, doch war es ihm nicht lange mehr beschieden im activen Dienste wirksam zu sein. Nach einem Schlaganfalle im J. 1868 zog er sich in das Privatleben zurück und wurde am 3. November 1880 seiner Stellung definitiv enthoben. So lange es sein Gesundheitszustand [657] gestattete, oblag der Erzherzog noch mit Vorliebe dem edlen Waidwerke, die letzten Lebensjahre aber verbrachte er, durch wiederholte Schlaganfälle fast gelähmt, an den Lehnstuhl gefesselt auf seinem Schlosse Hörnstein in Niederösterreich, das er zu einem wahren Wunderwerke gestaltet hatte. Langsamer, aber stetig fortschreitender Paralyse verfallen, starb dort am 24. Mai 1898, unvermählt, einsam und fast vergessen von der Mitwelt der einst so thatkräftige Prinz, dessen Name mit der österreichischen Militärtechnik immer ehrenvoll verknüpft bleiben wird.
- Acten des k. und k. Kriegs-Archivs. – Haus Habsburg-Lothringen. Herausgegeben von G. Grünhut. – Die Reichswehr. Nr. 1541 v. 24. Mai 1898. – Armeeblatt, Nr. 21 vom 25. Mai 1898. – Wiener Abendpost, Nr. 117 vom 24. Mai 1898. – Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog. Herausgegeben von Bettelheim, 3. Band.