Lanzenhain

Stadtteil von Herbstein

Lanzenhain ist ein Stadtteil von Herbstein im mittelhessischen Vogelsbergkreis.

Lanzenhain
Stadt Herbstein
Koordinaten: 50° 33′ N, 9° 18′ OKoordinaten: 50° 32′ 36″ N, 9° 18′ 9″ O
Höhe: 502 m ü. NHN
Fläche: 12,02 km²[1]
Einwohner: 557 (30. Jun. 2021)[2]
Bevölkerungsdichte: 46 Einwohner/km²
Eingemeindung: 31. Dezember 1971
Postleitzahl: 36358
Vorwahl: 06643

Geologie

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In der Lanzenhainer Gemarkung befinden sich zwei besonders erwähnenswerte geologische Aufschlüsse. Zum einen das Felsenmeer des Burgfriedens, ausgedehnte, mit Moos bewachsene Basaltblöcke inmitten eines Buchenmischwaldes. Zum anderen die zum Naturdenkmal vorgeschlagene Klippe des Diebsteins nördlich des Dorfes. Beide Geotope liegen am zertifizierten Rundwanderweg Felsentour Herbstein. Der Diebstein, eine 577 m hohe Felsklippe aus Alkalibasalt, war früher die Stelle, an denen Diebe der Gerichtsbarkeit der Riedesel übergeben wurden.

Geschichte

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Mittelalter

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Die älteste urkundliche Erwähnung von Lanzenhain stammt aus dem Jahre 1351: „czu Lanczinhain achtehalb phund heller gulde“.[3] Dabei handelt es sich um einen Verkauf des Ritters Ludwig von Romrod und seiner Ganerben an den Herrn Johann zu Eisenbach. Der erwarb sieben Güter und eine Mühle zu oben genanntem Preis u. v. m. in Lanzenhain und anderen Orten.[4]

1486 heißt es: „Lantzenheyn, Lantzenhein.“[5] Das Grundwort bezieht sich auf den Rufnamen „Lanzo“.[6] Eine Wüstung gleichen Namens gibt es nordöstlich von Crainfeld.[7] Beide Orte gehörten in den Besitz der Riedesel.

Lanzenhain gehörte im 17. und 18. Jahrhundert zum Gericht Engelrod und den Orten Engelrod, Hopfmannsfeld, Eichenrod, Eichelhain, Hörgenau, Dirlammen, Rebgeshain, Blitzenrod und Frischborn.[8] Hier kam es zu bäuerlichen Aufständen, besonders im 18. Jahrhundert gegen die Freiherren von Riedesel.

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1830 über Lanzenhain:

„Lanzenheim (L. Bez. Lauterbach) evangel. Filialdorf; liegt im Vogelsberg 3 St. von Lauterbach, und gehört dem Freiherrn von Riedesel, hat 71 Häuser, 492 Einwohner, die außer 4 Katholiken evangelisch sind. Man findet 1 Kirche und 3 Mahlmühlen, mit denen 1 Oelmühle verbunden ist. Früher befanden sich hier 5 Eisenhämmer und 1 Eisenschmelze. Den 28. Juni 1829 wurde die Gemarkung durch einen Hagelschlag größtentheils zerstört.“[9]

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde die ehemals selbstständige Gemeinde Lanzenhain am 31. Dezember 1971 in die Stadt Herbstein eingegliedert.[10]

Territorialgeschichte und Verwaltung

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Die folgende Liste zeigt im Überblick die Territorien, in denen Lanzenhain lag, bzw. die Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][11][12]

Gerichte seit 1803

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In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für die Provinz Oberhessen wurde das Hofgericht Gießen als Gericht der zweiten Instanz eingerichtet. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Lanzenhain das „Riedeselschen Patrimonialgericht Engelrod“ zuständig. Das Hofgericht war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt.

Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurde diese Funktion beibehalten, während die Aufgaben der ersten Instanz 1821 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Landgerichte übergingen. „Landgericht Lauterbach“ war daher von 1821 bis 1854 die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht in Lauterbach, das für Lanzenhain zuständig war. Im Jahr 1854 wurde Lanzenhain dem Landgericht Herbstein zugeteilt.

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglich hessischen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in Amtsgericht Herbstein und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[19] Ab 1943 wurde das Amtsgericht Herbstein nur noch als Zweigstelle des Amtsgerichts Lauterbach betrieben, bevor es 1968 endgültig aufgelöst wurde und dem Amtsgerichtsbereich von Lauterbach zugeschlagen wurde. Am 1. Januar 2005 wurde das Amtsgericht Lauterbach als Vollgericht aufgehoben[20] und zur Zweigstelle des Amtsgerichts Alsfeld[21]. Zum 1. Januar 2012 wurde auch diese Zweigstelle geschlossen.[22] In der Bundesrepublik Deutschland sind die übergeordneten Instanzen das Landgericht Gießen, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main sowie der Bundesgerichtshof als letzte Instanz.

Einwohnerentwicklung

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Die Zahl der Haushalte stagnierte fast während des gesamten 18. Jahrhunderts. 1705 wurden in Lanzenhain 62 Haushalte gezählt. 1753 waren es 60 und 1789 gab es 63 Haushalte im Ort.[23]

• 1800: 381 Einwohner[24]
• 1806: 359 Einwohner, 63 Häuser[16]
• 1829: 492 Einwohner, 71 Häuser[9]
• 1867: 492 Einwohner, 72 bewohnte Gebäude[25]
• 1875: 485 Einwohner, 74 bewohnte Gebäude[26]
Lanzenhain: Einwohnerzahlen von 1800 bis 2018
Jahr  Einwohner
1800
  
381
1806
  
359
1834
  
516
1840
  
526
1846
  
532
1852
  
472
1858
  
512
1864
  
491
1871
  
496
1875
  
485
1885
  
489
1895
  
476
1905
  
496
1910
  
484
1925
  
507
1939
  
508
1946
  
650
1950
  
638
1956
  
589
1961
  
589
1967
  
591
1970
  
586
1980
  
?
1990
  
?
2000
  
?
2011
  
537
2018
  
551
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]; Zensus 2011[27]

Religionszugehörigkeit

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• 1829: 488 evangelische (= 99,12 %), 4 katholische (= 0,81 %) Einwohner[9]
• 1961: 560 evangelische (= 95,08 %), 26 katholische (= 4,41 %) Einwohner[1]

Ortsvorsteher ist Rainer Brym (Stand Juni 2016).[28]

Sehenswürdigkeiten

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Evangelische Kirche, Brücke über den Ellersbach

Die evangelische Kirche entstand 1630 als rechteckiger Fachwerkbau. Sie ist verschindelt und erhielt im 18. Jahrhundert einen dreiseitigen Vorbau, der mit seiner geschweiften Haube das Aussehen eines Turmes hat. Renovierungsarbeiten erfolgten in den 1980er Jahren. Damals wurden doppelverglaste Fenster eingesetzt, das Dach neu gedeckt und eine umfangreiche Neugestaltung des Innenraums vorgenommen. Altar und Kanzel wurden freigelegt und eine Sakristeiwand hinter dem Altar eingebaut, die Innenwände neu verputzt und ein Neuanstrich vorgenommen. Anfang der 2000er Jahre erhielt die Kirche einen behindertengerechten Zugang sowie eine Neu-Verschindelung.

In Lanzenhain gibt es mehrere Vereine mit langer geschichtlicher Tradition: (In Klammern das jeweilige Gründungsjahr)

  • Schützenverein (1929)
  • Sportverein (1969) mit den Abteilungen
    • Fußball
    • Tischtennis
    • Ski und Rollski
  • Freiwillige Feuerwehr (1924)
  • Gesangverein „Männertreu“ (1888)
  • Landfrauenverein (1972)
  • VdK – Ortsgruppe (1950)
  • Jagdgenossenschaft (1950er)
  • Reservistenkameradschaft (1994)
  • Brieftaubenzuchtverein (1987)
  • Kirmesburschen Lanzenhain (2014)

Einzelnachweise

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  1. a b c d Lanzenhain, Vogelsbergkreis. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 4. Mai 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Stadt Herbstein – Zahlen, Daten, Fakten. Abgerufen am 28. November 2021.
  3. StAD B 13, 27.
  4. Eduard Erwin Becker: Riedeselsches Urkundenbuch. 1200–1500. Offenbach 1924. Regest, Nr. 136.
  5. Eduard Erwin Becker: Riedeselsches Urkundenbuch. 1200–1500. Offenbach 1924. Nr. 1429, S. 415.
  6. Lutz Reichardt: Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen, Alsfeld und Lauterbach in Hessen. Namenbuch. Dissertation. Göppingen 1973. S. 220
  7. Gertrud Mackenthun: Die Wüstungen im Kreis Luterbach (Hessen). Dissertation Marburg 1948. In: Lauterbacher Sammlungen 5 (1950). S. 1–170. S. 125 ff.
  8. Werner Troßbach: Bauernbewegungen im Wetterau-Vogelsberg-Gebiet 1648–1806. Fallstudien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich. Diss. Marburg 1985 = Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 52. S. 365–389, S. 366.
  9. a b c Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt August 1830, OCLC 312528126, S. 154 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart/Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 367 (Digitalisat in: Statistische Bibliothek des Bundes und der Länder [PDF]).
  11. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  12. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  13. Die Zugehörigkeit des Gerichts Engelrod anhand von Karten aus dem Geschichtlicher Atlas von Hessen: Hessen-Marburg 1567–1604., Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt 1604–1638. und Hessen-Darmstadt 1567–1866.
  14. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 13 ff., § 24 Punkt d) XI. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  15. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 9 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. a b Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1806. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1806, S. 280 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  17. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 426 (online bei Google Books).
  18. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 158 ff. (online bei Google Books).
  19. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  20. Änderung des Gerichtsorganisationsgesetzes (GVBl. I S. 507–508) vom 20. Dezember 2004. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2004 Nr. 24, S. 507–508 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,4 MB]).
  21. Anordnung über die Errichtung und die Zuständigkeit von amtsgerichtlichen Zweigstellen vom 29. Dezember 2004 (§ 4) (GVBl. I S. 552)
  22. Fünfte Verordnung zur Änderung der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (GVBl. I S. 709–710) vom 30. Dezember 2010. In: Der Hessische Minister der Justiz (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 2010 Nr. 25, S. 709–710 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 148 kB]).
  23. Werner Troßbach: Agrarkonflikte. S. 560. Anm. 18.
  24. Hessen-Darmstädter Staats- und Adresskalender 1800. Im Verlag der Invaliden-Anstalt, Darmstadt 1800, S. 231 ff. (Online in der HathiTrust digital library).
  25. Wohnplätze 1867. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 120 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  26. Wohnplätze 1875. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 15. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1877, OCLC 162730484, S. 17 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  27. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/statistik.hessen.de
  28. Ortsbeiräte. In: Internetauftritt der Stadt Herbstein. Abgerufen am 25. Dezember 2017.

Literatur

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  • Anneliese Haas, Janina Link (Hrsg.): 650 Jahre Lanzenhain.
  • Kath. Pfarramt St. Lakobis Herbstein (Hrsg.) Kalender 2012: Kirchen und Gebetsräume in Herbstein. Textbeitrag vom evang. Pfr. M. Bandel
  • Literatur über Lanzenhain nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
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Commons: Lanzenhain – Sammlung von Bildern