Gustav Kiepenheuer Verlag

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Das Krokodil von Fjodor Dostojewski, 1921

Der Gustav Kiepenheuer Verlag war ein bedeutender belletristischer Verlag in Weimar, Potsdam, Berlin und Leipzig von 1910 bis 2010.

Weimar 1910–1919

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Der Buchhändler Gustav Kiepenheuer übernahm 1909 in Weimar die Hof-, Buch-, Kunst- und Musikhandlung von Ludwig Thelemann. 1910 gründete er dort den Gustav Kiepenheuer Verlag.[1] Die ersten Verlagstitel knüpften an die Weimarer Geschichte an, so Damals in Weimar (1910) und Das Leben in Alt-Weimar von Wilhelm Bode (1912), oder das zweibändige Werk Das nachklassische Weimar von Adelheid von Schorn (1911–12).

Durch die bibliophile Buchreihe Liebhaber-Bibliothek erlangte der Verleger Ansehen unter Buchfreunden. In den folgenden Jahren wurden Werke und Zeitschriften zur Bildenden Kunst herausgegeben und die Reihe Deutsche Orient-Bücherei (1915) ins Leben gerufen. 1917 erschien erstmals die Zeitschrift Das Kunstblatt. 1918 begann die Herausgabe der Reihe der „Graphischen Bücher“, mit der Illustrationen junger Künstler zu Texten des literarischen Erbes als Originalgraphik einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden sollten.

Potsdam 1919–1929

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Geheimes Kinderspielbuch von Joachim Ringelnatz, 1924

1919 zog der Verlag nach Potsdam um. Als Autoren stießen André Gide, Bert Brecht, George Bernard Shaw, Lion Feuchtwanger, Hans Henny Jahnn, Arnold Zweig und Anna Seghers hinzu, die für ein linksbürgerliches Programm standen. Zweigs Streit um den Sergeanten Grisha (1927) war das erfolgreichste Buch in der frühen Verlagsgeschichte. Hermann Kesten wurde 1928 Verlagslektor und Hausautor.

Berlin 1929–1944

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Radetzkymarsch von Joseph Roth, 1932

Nach dem Umzug nach Berlin 1929 konnten auch Gottfried Benn, Marieluise Fleißer und Joseph Roth gewonnen werden; damit veröffentlichte ein Großteil der belletristischen Schriftsteller-Elite zwischen den Weltkriegen seine Werke bei Kiepenheuer.

Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, wurden 75 % der Verlagsproduktion in Deutschland verboten. Gustav Kiepenheuer musste mit einem verminderten Verlagsprogramm weitermachen. Der Mitinhaber und Geschäftsführer Fritz Helmut Landshoff und der Lektor Hermann Kesten emigrierten nach Amsterdam und gründeten dort die Exilverlage Allert de Lange und Querido. Seit 1936 wurde in Berlin die Reihe Kiepenheuer Bücherei herausgegeben, die Reiseschilderungen, philosophische Texte sowie Briefe und Äußerungen von alten und modernen Dichtern enthielt.

Das Berliner Stammhaus wurde 1944 auf Anordnung der Reichsschrifttumskammer vollständig geschlossen.

Leipzig 1946–1977

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1946 wurde der Gustav Kiepenheuer Verlag in Leipzig durch Gustav Kiepenheuer neu gegründet. Joseph Caspar Witsch wurde 1948 Mitgesellschafter und Geschäftsführer. Nach dem Tod von Gustav Kiepenheuer 1949 führte seine Witwe Noa Kiepenheuer den Verlag fort.

1951 ging Joseph Caspar Witsch in den Westen und gründete den Kiepenheuer & Witsch-Verlag in Hagen, (später in Köln). Seit 1956 erschien in Leipzig die Reihe Gustav Kiepenheuer Bücherei mit anspruchsvoller historischer und zeitgenössischer Belletristik.[2]

1971 führte Friedemann Berger den Verlag nach dem Tod der Verlegerwitwe Noa Kiepenheuer in Weimar (?) weiter.

Leipzig 1977–2010

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1977 wurde der Gustav Kiepenheuer Verlag an den Kinderbuchverlag Berlin verkauft. Es folgte ein Zusammenschluss mit dem Insel Verlag Leipzig, der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung und dem Paul List Verlag zur Verlagsgruppe Kiepenheuer mit Sitz in Leipzig. Die editorische Tätigkeit bewegte sich fast ausschließlich im Bereich der klassischen Weltliteratur, der Kulturgeschichte, der europäischen Avantgarde des Jahrhundertbeginns sowie der orientalischen Philosophie und Literatur.

Die Wende von 1989 führte dazu, dass der Verlag 1994 in die Berliner Aufbau-Verlagsgruppe des Verlegers Bernd F. Lunkewitz eingegliedert wurde. Der Verlagssitz blieb vorerst noch in Leipzig, wurde aber bis Ende 2003 sukzessive nach Berlin überführt. Programmschwerpunkt war zunächst (wieder) die Gegenwartsliteratur; danach war der Verlag vorwiegend in den Sparten Unterhaltungsliteratur, populäres Sachbuch und Geschenkbuch positioniert.

Im Jahre 2010 wurde der Betrieb des Kiepenheuer Verlags von der Aufbau-Gruppe eingestellt.

Das Archiv des Gustav Kiepenheuer Verlags in Leipzig befindet sich als Depositum im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig seit 1996. Es besteht aus „Geschäftsberichte(n); Sitzungsprotokolle(n); Autorenkorrespondenz (unter anderem mit Lion Feuchtwanger, Hermann Hesse, Victor Klemperer, Oskar Kokoschka, Joachim Ringelnatz, Carl Zuckmayer, Stefan Heym); Lektoratsgutachten; Verlagsverträge(n); Verlagsgeschichte; Familienunterlagen Kiepenheuer (und) Fotos“. Zusammen mit dem Leipziger Teil der Dieterich’schen Verlagsbuchhandlung, wurde es als national wertvolles Archiv unter Kulturgutschutz gestellt, im Sinne der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.[3]

Übersichtsdarstellungen
  • Siegfried Lokatis, Ingrid Sonntag (Hrsg.): 100 Jahre Kiepenheuer Verlage. Ch. Links Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-635-2., grundlegende aktuelle Darstellung
  • „Das Publikum will mehr als trockne Schwarten“. 90 Jahre Gustav Kiepenheuer Verlag. Mit Festvortrag von Bernd F. Lunkewitz. (Bibliothek des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels). Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2000, ISBN 3-378-01046-0
  • Cornelia C. Funke: Im Verleger verkörpert sich das Gesicht seiner Zeit. Unternehmensführung und Programmgestaltung im Gustav Kiepenheuer Verlag 1909 bis 1944 (= Veröffentlichungen des Leipziger Arbeitskreises zur Geschichte des Buchwesens 11). Harrassowitz, Wiesbaden 1999, ISBN 978-3-447-04167-6
  • Thema – Stil – Gestalt. 1917–1932. 15 Jahre Literatur und Kunst im Spiegel eines Verlages. Katalog zur Ausstellung anlässlich des 75-jährigen Bestehens des Gustav Kiepenheuer Verlages. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1984
  • Noa Kiepenheuer (Hrsg.): Vierzig Jahre Kiepenheuer 1910–1950. Ein Almanach. Gustav Kiepenheuer Verlag, Weimar 1951
Weitere Erwähnungen
  • Ernst Fischer: Verlegen à fonds perdu: Gustav Kiepenheuer als Unternehmerpersönlichkeit. In: Günther Schulz (Hrsg.): Geschäft mit Wort und Meinung. Medienunternehmer seit dem 18. Jahrhundert (Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte). Boldt/Oldenbourg, München 1999, S. 129–145
  • Reinhard Würffel: Lexikon deutscher Verlage von A–Z. Verlag Grotesk, Berlin 2000, ISBN 3-9803147-1-5, S. 425–427.
Commons: Gustav Kiepenheuer Verlag – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Volker Wahl: Die Anfänge des Verlages von Gustav Kiepenheuer in Weimar 1910 – zugleich eine Berichtigung, in Weimar-Jena, die große Stadt. das kulturhistorische Archiv, ISSN 1869-7895, Bd. 3 (2010), Heft 2, S. 137–145 (PDF); detailliert zu den ersten Veröffentlichungen, mit Fotos von Anzeigen aus dem Börsenblatt
  2. Gustav Kiepenheuer Bücherei SLUB Dresden, mit einzelnen Bänden
  3. National wertvolle Archive in Sachsen (Memento vom 11. Februar 2014 im Internet Archive); Staatsarchiv Leipzig, Bestand 21097 Gustav Kiepenheuer Verlag und Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung Leipzig.